In der Hausarztpraxis sind Patienten mit Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen auch außerhalb der Erkältungssaison häufig. Tipps zur hausärztlichen Behandlung von Atemwegsinfekten, Tonsillitis, Hörsturz und Tinnitus gab der HNO-Spezialist Dr. Mesut Pasha von der HNO-Klinik Kantonsspital Baselland beim FOMF Allgemeine Innere Medizin in Basel.

Obere Atemwegsinfekte wie die akute Rhinosinusitis haben häufig eine virale Ursache. Bei Erwachsenen treten sie zwei- bis dreimal pro Jahr auf, bei Kindern bis zu zehnmal. Die akute Rhinosinusitis zeichnet sich durch eine schwellungsbedingte Verlegung der Ostien, Sekretstau, eine reduzierte mukoziliäre Clearance und eine Obstruktion des mittleren Nasengangs aus. Bei Kindern kann zusätzlich Husten auftreten. In 0,5 bis 2 % der Fälle entwickelt sich sekundär eine bakterielle Rhinosinusitis durch Superinfektion mit Streptococcus pneumoniae (36 – 40 %), Haemophilus influenzae (22 – 50 %), Staphylococcus aureus (3 – 5 %), Streptococcus pyogenes (3 %) oder Moraxella catarrhalis (2 %) [1]. Der banale Schnupfen dauert mit An- und Abschwellen der Schleimhäute etwa fünf Tage, kann aber in eine mindestens 10 bis 15 Tage, manchmal bis zu 12 Wochen dauernde postvirale akute Rhinosinusitis mit persistierenden Symptomen übergehen oder nach anfänglicher Besserung wieder aufflammen.

Die Behandlung der akuten Rhinosinusitis besteht aus Nasenspülung mit iso- oder hypertoner Kochsalzlösung zur Verbesserung der mukoziliären Clearance, abschwellenden Nasentropfen während drei Tagen, was die mukoziliäre Clearance jedoch reduziert, und optionaler Analgesie. Zur Symptomlinderung der postviralen Rhinosinusitis sind verschiedene Optionen einen Versuch wert: Nasenspülung mit iso- oder hypertonem Kochsalz, nicht steroidale Antiphlogistika zur Analgesie, Inhalation mit Dämpfen, Phytotherapeutika zur Heilungsbeschleunigung (z. B. Sinupret®) oder auch Akupunktur bei Zephalgien [1]. Eine Antibiose sei dagegen nicht erforderlich, betonte der HNO-Experte. Entwickelt sich allerdings zusätzlich eine akute bakterielle Rhinosinusitis und verschlechtern sich die Symptome (eitriges Nasensekret, starke Kopfschmerzen, Fieber, erhöhte Blutsenkung/CRP), ist eine Antibiotikatherapie indiziert: bei Erwachsenen mit Co-Amoxicillin 2 × 1 g/Tag, alternativ dazu Clarithromycin 2 × 250 mg/Tag oder Doxycyclin 2 × 100 mg/Tag.

Bei einseitigem endonasalem atypischem Gewebe, orbitalen Komplikationen oder schmerzlosen Schwellungen ist eine Überweisung zum HNO-Facharzt zur weiteren Abklärung angezeigt.

Bei der chronischen Rhinosinusitis mit anhaltender Symptomatik über 12 Wochen mit oder ohne Polypen ist der Leidensdruck des Patienten hoch. Eine Bildgebung kann hier Aufschluss geben. Laboruntersuchungen sind außer im Rahmen von kausalen Systemerkrankungen wie beispielsweise Mukoviszidose oder HIV-Erkrankung nicht erforderlich, eine Allergietestung bei auffälliger Anamnese ist jedoch sinnvoll.

Standardtherapie der chronischen Rhinosinusitis mit und ohne Polypen ist die Anwendung topischer Kortikosteroide. Bei Patienten ohne Polypen können iso- oder hypertone Kochsalzlösungen zur Abschwellung der Schleimhaut beitragen. Bei abschwellenden Nasentropfen steige mit der Dauer der Anwendung (5 bis 7 Tage) dagegen das Risiko für eine Rhinitis medicamentosa, so der Experte. Bei allergischer Komorbidität sind Antihistaminika oder Antiallergika hilfreich. Sind Polypen vorhanden, wird bei rezidivierenden Rhinosinusitiden mit Belüftungsstörung früher oder später eine operative Entfernung notwendig.

Idiopathischer Hörsturz kein Notfall

Ein Hörsturz als plötzlich eintretende Schallempfindlichkeitsschwerhörigkeit cochleärer Genese ist für den Betroffenen zwar ein großer Stressfaktor, aber aus prognostischer Sicht kein Notfall, der sofort therapiert werden muss. Er kann eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität verursachen. Eine eindeutig erkennbare Ursache fehlt, Schwindel und/oder Ohrgeräusche können zusätzlich auftreten. Hörstürze sind relativ häufig mit 160 bis 400/100.000 Einwohner und treten meist um das 50. Lebensjahr auf, bei Männern und Frauen gleich häufig. Die Ursache ist weitgehend unbekannt, vaskuläre und rheologische Störungen, Infektionen und zelluläre Regulationsstörungen werden als mögliche Auslöser diskutiert. Bei einem Tieftonhörsturz kann die Hörminderung fluktuierend sein, ein endolymphatischer Hydrops ist als Ursache wahrscheinlich. Bei einem Mittelfrequenzhörsturz ist eine lokale Durchblutungsstörung (Lamina spiralis ossea) mit hypoxischen Schäden des Corti-Organs möglich, und bei einem pantonalen Hörverlust kommt eine Funktionsbeeinträchtigung der Stria vascularis infrage, beispielsweise durch Durchblutungsstörungen.

Weil die Ursache für die Entwicklung eines Hörsturzes nicht bekannt ist, gibt es keine kausale Therapie. Dennoch haben einige Maßnahmen die Erholung des Gehörs in der Vergangenheit positiv beeinflussen können. Bei geringgradigem Hörsturz könne eine Spontanheilung einsetzen, deshalb werde nach ausgiebiger Beratung und Abwägung vorerst nicht behandelt, bei ausgeprägtem Hörsturz dagegen eine Behandlung angeboten, so der Experte.

Die Leitlinie der Deutschen HNO-Gesellschaft schlägt eine initiale Glukokortikoidtherapie während drei Tagen, bei Ansprechen auch länger, mit 250 mg Prednisolon (oder Äquivalent) vor. Remissionsraten von 59 bis 87 % mit einem Hörgewinn von 12 bis 59 dB im Hochtonbereich und 20 bis 34 dB im Mittel- und/oder Tieftonbereich konnten in Studien bei mit Glukokortikoiden behandelten Patienten erreicht werden. Bei ungenügender Besserung des Gehörs kann innerhalb der ersten vier Wochen nach dem Hörsturz eine intratympanale Steroidapplikation versucht werden [2]. Diese biete sich auch bei Kontraindikationen für die systemische Therapie an, präzisierte HNO-Spezialist Pasha, berge allerdings applikationsbedingte Risiken wie eine Trommelfellperforation oder eine Mittelohrinfektion.

Rheologika und Vasodilatatoren, wie sie früher verwendet wurden, haben nach derzeitigem Kenntnisstand keine Bedeutung mehr. Sie wirken in dieser Indikation nicht, ebenso wenig der zusätzliche Einsatz von Antiviralia wie Aciclovir. Die hyperbare Oxygenierung erzielte in Studien dagegen vereinzelt Verbesserungen des Hörvermögens, insgesamt jedoch kontroverse Ergebnisse.

Tonsillitis meist viral

Die Tonsillen befinden sich im Rahmen ihrer Aufgabe physiologisch in einem Dauerentzündungsprozess. Krankheitswert erreicht dieser Prozess erst, wenn klinische Symptome wie Schluckbeschwerden oder Schluckbehinderung und Fieber dazukommen. Die akute Tonsillitis wird überwiegend durch virale Erreger verursacht. Haupterreger der bakteriellen Tonsillitis ist Streptococcus pyogenes (betahämolysierender Streptococcus der Gruppe A, GABHS). Die Unterscheidung zwischen einer viralen und einer durch GABHS verursachten Tonsillitis erfolgt mit dem diagnostischen Centor/ McIsaac-Score. Bei einem Score ≥ 3 soll ein Rachenabstrich für einen Schnelltest zum Nachweis von betahämolysierenden Streptokokken durchgeführt werden.

Bei einer viralen Tonsillitis beschränken sich die therapeutischen Maßnahmen auf Symptomlinderung mit nicht steroidalen Antiphlogistika wie Paracetamol oder Ibuprofen nach Bedarf dreimal/Tag für zwei bis drei Tage. Ergibt sich ein Nachweis oder ein hochgradiger Verdacht auf eine Streptokokken-Tonsillitis, sollte bei Kindern im Alter von 3 bis 14 Jahren eine orale Antibiose mit Penicillin V 100.000 IE/kg/Tag in drei Einzeldosen oder mit Phenoxymethylpenicillin-Benzathin 50.000 IE/kg/Tag in zwei Einzeldosen für sieben Tage erfolgen. Bei Penicillinunverträglichkeit wird alternativ während fünf Tagen mit Erythromycin 40 mg/kg/Tag in drei Einzeldosen oder Cephalosporin der ersten Generation (z. B. Cefadroxil), 50 mg/kg/Tag in zwei Einzeldosen, behandelt. Die orale Antibiose bei Patienten über 15 Jahre erfolgt mit Penicillin V dreimal 0,8 bis 1,0 Mio. IE/Tag oder bei Unverträglichkeit mit Erythromycin dreimal 500 mg/Tag [3].

Eine Antibiose ohne Keimnachweis sei nicht sinnvoll, denn eine angebliche Reduktion der Ansteckungsfähigkeit nach 24 Stunden sei in Studien nicht belegt worden, so Pasha. Die Symptome der Tonsillopharyngitis und das Fieber klängen zwar schneller ab, doch liege der Unterschied zu Placebo bei 16 Stunden. Die Selbstheilungsrate bei Erwachsenen betrage nach drei Tagen 40 %, nach einer Woche liege sie bei 85 %. Schließlich werde einer Antibiose eine Reduktion potenziell purulenter Komplikationen zugeschrieben, doch sei das ebenfalls wenig evidenzbasiert.

Tinnitus braucht Beratung

Ohrgeräusche sind häufig, so Pasha. Tinnitus ist ein Symptom des auditorischen Systems. Bei gleichzeitigem Hörverlust zeigt sich die Tinnitusfrequenz häufig im Bereich des größten Hörverlusts. Ursache ist oft ein primärer pathophysiologischer Prozess im Ohr. Die zentralnervöse Verarbeitung führt bei Tinnitusbetroffenen häufig zu einer übersteigerten Aufmerksamkeit auf das Ohrgeräusch, zu Angst sowie zu Schlafstörungen [4].

Zur Abschätzung der subjektiven Belastung des Patienten empfiehlt sich die Anamneseerhebung in Anlehnung an den Fragebogen nach Goebel und Hiller [5]. Nach Ausschluss objektivierbarer Ursachen erfolgt die Basistherapie. Diese besteht hauptsächlich aus Beratung entsprechend der persönlichen Ätiopathogenese, dem Aufzeigen von Verarbeitungsmechanismen und von tinnitusverstärkenden Faktoren.

Hörgeräte können bei gleichzeitig vorhandener Hörminderung einen lindernden Effekt haben. Gemäß einer amerikanischen Befragung bei 212 Tinnitusbetroffenen mit Hörgerät gab etwa die Hälfte der Patienten keinen Effekt an, etwa 14 % verspürten eine deutliche, 14 % eine moderate und 15 % eine milde Reduktion des Tinnitus. Eine Empfehlung für die Verwendung von Hörgeräten bei Tinnitus ohne Hörminderung besteht deshalb in der Leitlinie nicht [4]. Bei Vorliegen eines Tinnitus zusammen mit einer Hörminderung seien Hörgeräte dagegen sinnvoll, das verbessere die Wahrnehmung von äußeren Reizen und übertöne das eigene Ohrgeräusch, so der Rat von Pasha.

Der Nutzen einer Hörtherapie zur Verbesserung des Überhörens bleibt offen, die Anwendung von Rauschgeneratoren oder Rausch-CDs wird dagegen nicht empfohlen.

Nützlich scheint die tinnitusspezifische kognitive Verhaltenstherapie auf Grundlage eines evidenzbasierten, strukturierten Therapiemanuals zu sein. Sie bewirkt eine Verringerung der Aufmerksamkeitsfokussierung auf Ohrgeräusche und eine Umbewertung des Tinnitus und seiner Konsequenzen. Die Evidenz für eine Wirksamkeit auf die Tinnitusbelastung und die Lebensqualität ist hoch. Die Vermittlung von Selbsthilfegruppen ist zusätzlich hilfreich.

Fazit für die Praxis
  • Eine akute Rhinosinusitis ist meist viral und kann bis zu zwölf Wochen dauern, die Therapie ist symptomlindernd.
  • Eine akute Tonsillitis mit Schluckbeschwerden, -behinderung und Fiebe r ist meist viral und wird symptomatisch behandelt.
  • Ein idiopathischer Hörsturz ist kein Notfall und wird bei schwerer Ausprägung mit Glukokortikoiden behandelt.
  • Bei Patienten mit Tinnitus kann eine gute Beratung zur Steigerung der Lebensqualität beitragen.


Quelle: Die Behandlung der häufigsten HNO-Erkrankungen in der Hausarztpraxis, FOMF Allgemeine Innere Medizin, 29. Januar bis 1. Februar 2020 in Basel
Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 10/2020


Literatur
1. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopfund Hals-Chirurgie e.V., Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: Rhinosinusitis. S2k-Leitlinie 2017. http://www.awmf.org . Letzter Abruf: 21.2.20.
2. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopfund Hals-Chirurgie e.V., Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: Hörsturz. S1-Leitlinie 2014. http://www.awmf.org . Letzter Abruf: 21.2.20.
3. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopfund Hals-Chirurgie e.V., Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: Tonsillitis. S2k-Leitlinie 2015. http://www.awmf.org . Letzter Abruf: 21.2.20.
4. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopfund Hals-Chirurgie e.V., Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: Chronischer Tinnitus. S3-Leitlinie 2015. http://www.awmf.org . Letzter Abruf: 21.2.20.
5. Goebel G et al.: Tinnitusfragebogen (TF) – ein Instrument zur Erfassung von Belastung und Schweregrad bei Tinnitus (Manual). Hogrefe, Göttingen 1998.


Autorin:
Valérie Herzog



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (13) Seite 37-40