Eine metabolische Azidose kann viele Ursachen haben. Die stoffwechselbedingte Übersäuerung des Bluts bzw. des Körpers ist eine häufige Komplikation chronisch niereninsuffizienter Patient:innen. Hier sind 2 Fallbeispiele einer metabolischen Azidose unklarer Genese beschrieben, die bei näherem Hinsehen auf ein bestimmtes Krankheitsbild der metabolischen Azidose hinwiesen.

Eine metabolische Azidose zeigt sich in Störungen des Protein-, Muskel- und Knochenstoffwechsels. Sie kann auch die kardiale Funktion und die respiratorische Belastbarkeit beeinträchtigen sowie dieProgression einer Nierenerkrankung beschleunigen.

Fall 1

Anhand des Fallbeispiels einer jungen Patientin, die eine schwere Form der metabolischen Azidose unklarer Genese aufweist, wird hier gezeigt, wie man der genauen Ursache dieser Übersäuerung bzw. dieser Form der metabolischen Azidose auf die Spur kommen kann.

Anamnese

Die 33-Jährige kam mit stationär diagnostizierter symptomatischer Hypokaliämie in die nephrologische Ambulanz, mit EKG-Veränderungen im Rahmen von St-Senkungen über V3 bis V6 sowie Unwohlsein und einer schweren metabolischen Azidose unklarer Genese.

Aufnahmebefund des Krankenhauses

Die Patientin ist in leicht reduziertem Allgemein- und normalem Ernährungszustand. Haut und Schleimhäute sind rosig. Am Bewegungsapparat zeigt sich bds. an den Extremitäten leichte Muskelkraftminderung. Kopf und Hals sind unauffällig, auch Thorax und Lunge. Der Herzrhythmus ist regelmäßig mit reinen Herztönen. Es gibt keine Herzgeräusche, Halsvenenstauung oder Ödeme. Das Abdomen zeigt weder Abwehrspannung noch Druckschmerz und auch keine Resistenzen. Neurologisch ist die Patientin wach, orientiert zu allen Qualitäten, ansprechbar, weist keine fokalneurologischen Defizite auf.

EKG bei Aufnahme

  • Sinusrhythmus
  • Herzfrequenz 80 die Minute
  • Linkstyp. T-Negativierung in V3 bis V6 und in aVF, sonst keine höhergradigen Erregungsrückbildungsstörungen

Thorakale Farbdopplerechokardiografie

  • Normale systolische LV-Funktion
  • Ejektionsfraktion (EF) > 55 %
  • Keine regionale Wandbewegungsstörung, keine Lungenembolie (PE)
  • Herzhöhlen normal dimensioniert
  • Klappen ohne pathologischen Befund
  • Keine chronischen oder akuten Rechtsherzbelastungszeichen
  • Keine wesentlichen LVH-Zeichen
  • Von transthorakal keine intrakardialen Massen oder Thromben sichtbar
  • Kein Anhalt für eine diastolische Dysfunktion bzw. Relaxationsstörung des LV

Sonografie des Abdomens bei Aufnahme

  • Indikation Hypokaliämie mit Muskelschwächen
  • Angabe von Polyurie
  • Nykturie seit Tagen
  • vor Kurzem Erkältungsinfekt
  • vor einem Jahr komplikationslose Entbindung ihres Kindes

In der Schwangerschaft fühlte sich die Patientin sehr wohl, entwickelte keine Ödeme. Der Blutdruck war normal, manchmal etwas höher gelegen während der Schwangerschaft.

Leber: Normal großes Organ mit homogenem Parenchym und regelrechtem Echomuster. Glatte Oberfläche mit Spitze im linken Leber-Lappenrand. Regelrechte Gefäßarchitektur. Normale Weite intrahepatischer Venen. Kein Hinweis auf eine intrahepatische Cholestase.
Pfortader mit hepatopetalem Fluss. Keine Hinweise auf fokale Läsionen.
Gallenwege: Der DHC ist normal weit. Keine Hinweise auf intraduktale Konkremente.
Gallenblase: Normale Größe mit zarter Wand ohne peritumorale Flüssigkeit. Keine Konkremente.
Pankreas: Normale Organgröße. Homogenes Parenchym ohne Hinweis auf Raumforderung. Ductus pancreaticus ist durchgehend schmal.
Retroperitoneale Gefäße: Vena cava ist normal weit und inspiratorisch kollabierend.Aorta abdominalis zeigt normale Breite. Kein Hinweis auf paraaortale vergrößerte Lymphknoten.
Niere links: Normale Organgröße mit glatter Oberfläche und altersentsprechender Parenchymbreite. Regelrechtes Pyelon-Parenchym-Verhältnis. Keine Harnstauung, Konkremente, Raumforderung, entzündliche
Prozesse.
Niere rechts: Normale Organgröße mit glatter Oberfläche und altersentsprechender Parenchymbreite. Regelrechtes Pyelon-Parenchym-Verhältnis. Keine Hinweise auf Harnstauung, Konkremente, Raumforderung entzündliche Prozesse.
Milz: Normale Größe mit regelrechtem Parenchym. Keine perisplenische Flüssigkeit.
Harnblase: Gut gefüllt, normale Größe, keine echogene Wand, wandadhärente Struktur.
Geschlechtsorgane: Keine Auffälligkeiten.
Magen-Darm-Trakt: Regelrechte Peristaltik, keine Distension der Darmschlingen. Keine pathologischen Darmkokarden oder Hinweise auf einen Ileus. Keine freie Flüssigkeit.
Zusammenfassung: Sonomorphologisch regelrechter Befund der Abdominalorgane.

MRT des Schädels

Ausschluss: Hypophysenadenom und Ventrikelerweiterung bei Verschiebung. Keine weiteren pathologischen Befunde.

Urinuntersuchung:

vgl. Tabelle 1.
Labor: Kreatinin 0,7 mg/dl, Gesamteiweiß 5,9 g/dl, Kalium 3,0 mmol/l

InitialeBGA:

pH: 7,423; PaCO2: 18,1 mmHg, Normwert 35 – 46 mmHg; PAO2: 104,4 mmHg, Normwert 71 - 104mmHg; HCO3: 11,6 mmol/l, Normwert 22 – 26 mmol/l; BE: -12,9 mmol/l

Aufgrund der schweren Hypokaliämie wurde eine Substitutionstherapie mit KCl i.v. begonnen. Im weiteren Verlauf erfolgte die Oralisierung auf orales Kalium. Hierunter zeigte sich eine persistierende asymptomatische Hypokaliämie bei metabolischer Azidose. Aufgrund des Gesamtbefundes erfolgte die Überweisung in die nephrologische Ambulanz.

Anamnese in der nephrologischen Ambulanz

Als Erstsymptom nannte die Patientin ein Kribbeln in der Nase und in den Fingern. Im Verlauf des zurückliegenden Jahres, in dem sie eine Tochter zur Welt brachte, bemerkte sie eine zunehmende Schwäche der Extremitäten. Irgendwann konnte sie ihre Tochter nicht mehr hochheben, worauf der Hausarzt eine Blutabnahme veranlasste. Die Befunde zeigten eine schwere Hypokaliämie. Mit der Verdachtsdiagnose einer schweren symptomatischen Hypokaliämie wurde die Patientin ins Krankenhaus eingewiesen zur weiteren diagnostischen Abklärung. In der stationären Abklärung konnte, wie bereits beschrieben, eine Muskelschwäche vor allem der Extremitäten sowie eine schwere Hypokaliämie (2,8 mmol/l) und bei Aufnahme im EKG eine T-Negativierung in V3 bis V6 diagnostiziert werden. Aktuell liegen keine Symptome, keine Dyspnoe, keine peripheren Ödeme, urämischen Symptome und keine Angina-pectoris-Symptomatik vor. In der Familie litt die Tante unter einem Mammakarzinom ab dem 40. Lebensjahr, die Großmutter väterlicherseits erlitt kurz vor ihrem Tod ein Multiorganversagen mit Dialysepflichtigkeit. Eine primäre Nierenerkrankung, wie eine Elektrolytstörung oder eine Nierensteinerkrankung, ist in der Familie nicht bekannt. Die beiden Halbgeschwister väterlicherseits sind gesund. Die Patientin selbst hat eine gesunde Tochter. Nach deren Geburt litt die Patientin unter massivem Blut-und Eisenmangel, weshalb sie 2 Erythrozytenkonzentrate und Eisentransfusionen erhielt. Hierunter besserte sich die Symptomatik.

In der persönlichen Anamnese gibt sie weder einen Nikotin- noch einen Alkoholabusus an, gelegentlich nimmt sie Ibuprofen ein, letztmals vor 2 Wochen wegen einer Rippenfellentzündung. Ein Voltaren-Salben-Gebrauch ist nicht bekannt. Die letzte Computertomografie mit Kontrastmittel liegt circa 2 Jahre zurück. Z.n. 2 Bluttransfusion post partum, es ist keine HIV-oder Hepatitis-Ansteckung bekannt. In der System-Anamnese gibt sie einen sporadisch gemessenen Blutdruck von 129/80 mmHg ohne Medikation an. Eine erhöhte Urinmenge post partum ist feststellbar, sonst eine unauffällige Miktion und ein unauffälliger Stuhlgang. Es sind keine Medikamentenallergien bekannt. Anamnestisch gibt es keine Hinweise auf eine Vaskulitis oder neurologische Erkrankung.

Vorläufige Diagnosen

  1. Chronische Nierenkrankheit,
  2. Stadium 2 (N18.2)
  3. Proteinurie (R80)
  4. Schwere metabolische Azidose a.n.k. (E87.2)
  5. Symptomatische Hypokaliämie (E87.6)

Körperlicher Untersuchungsbefund:

  • Patientin in gutem AZ und adipösem EZ, BMI:26,68 Kg/m2
  • Blutdruck am linken Oberarm gemessen im Sitzen: 136/79 mmHg, Puls 80 min
  • Blutdruck am rechten Oberarm gemessen im Sitzen: 104/74 mmHg
  • Blutdruck am rechten Oberarm gemessen im Stehen: 129/80 mmHg, Puls 91 min
  • SpO2 ohne Sauerstoff: 97 %
  • Integument und Skleren anikterisch, keine Effloreszenzen, kein Exanthem
  • Enoral:Feuchte rosige Schleimhäute, Zungengrundvenen nicht gestaut
  • Keinecervicale, supraclaviculäre, axilläre und inguinale Lymphadenopathie
  • Herz/Kreislauf:Kardiopulmonal kompensiert, Herztöne rein und rhythmisch, keine Halsvenenstauung, Carotiden frei, kein Perikardreiben.
  • Periphere Pulse bds. kräftig palbabel,Peripherie warm, keine peripheren Ödeme
  • Lunge: Thorax symmetrisch, vesikuläres Atemgeräusch über allen Lungenfeldern, atemabhängig seitengleiche Verschieblichkeit der Lunge
  • Abdomen: Abdomen weich, indolent, keine Resistenzen, keine palpable Organomegalie, DGs regelrecht in allen 4 abdominellen Quadranten
  • Bewegungsapparat:Kein Wirbelsäulenklopfschmerz
  • Nierenlager: Bds. nicht klopfschmerzhaft
  • Neurostatus: Pupillen mittelweit isocor mit seitengleicher direkter und indirekter Lichtreaktion,unauffälliger Hirnnervenstatus,grobneurologisch unauffällig
  • Kraft:Alle Extremitäten mit leicht vermindertem Kraftgrad 4/5
  • Klinisch keine Hinweise für Vaskulitis

Abdominalsonografie

Orientierende Sonografie der Nieren bei Z. n. kompletter Abdominalsonografie. Im stationären Setting verzichtet die Patientin auf eine weitere Abdominalsonografie.

Rechte Niere: Niere orthotop gelegen, normal groß; perimedulläres bandförmiges verdicktes Echomuster mit einzelnen Verkalkungen im Pyelon, kein Aufstau, keine Zysten, keine Raumforderung, RI nicht ableitbar

Linke Niere: Niere orthotop, normal groß; perimedulläres bandförmiges verdicktes Echomuster, im Nierenbeckenkelchsystem V. a. mehrere grobe Verkalkung kein Aufstau, keine Zysten, keine Raumforderung, RI nicht ableitbar

Beurteilung:

Eingeschränkte Untersuchungsbedingungen bei abdominaler Adipositas und Darmgasüberlagerung sowie sehr engen Interkostalräumen. V. a. beginnende perimedulläre Nephrokalzinose beider Nieren, dort zusätzlich deutliche Verkalkungen im Parenchympyelonbereich. Keine Zysten, kein Harnaufstau bds. Keine Raumforderung, eine Nierenarterienstenose bds. ließ sich nicht ausschließen (schwierige Untersuchungsbedingungen).

Diagnose

V. a. beginnende perimedulläre Nephrokalzinose beider Nieren. Deutliche Verkalkungen in beiden Nieren im Parenchympyelonbereich

Abgeleitete Konsequenz

Diagnostische Abklärung der Nephrokalzinose

Nierenfunktion

GFR nach CKD-EPI-Kreatinine-Cystatin C: 62,3 ml/min/1,73 m2

Laborwerte:

vgl. Tabelle 2

Beurteilung:

Die Nierenfunktion (eGFR von 62,3 ml/min/1,73 m2 anhand des Cystatin C/Kreatinin) ist milde, aber nicht altersentsprechend eingeschränkt. Das Kreatinin lag bei 0,9 mg/dl. Die BGA ergab eine Hypokaliämie von 2,6 mmol/l bei persistierender schwerster metabolischer Azidose. Es wurde eine Therapie mit Bicanorm® begonnen. Die Patientin berichtet über permanenten Harndrang. In der Urindiagnostik zeigen sich eine signifikante Proteinurie sowie Mikroalbuminurie unklarer Genese. Das Urinsediment ist unauffällig.Sonografisch ergeben sich keine pathologischen Befunde beider Nieren bei eingeschränkten Untersuchungsbedingungen.

Laborchemisch ist keine Anämie erkennbar, bei jedoch vermindertem Folsäure- und Eisenspiegel wurde eine entsprechende Substitution begonnen. Begleitend zeigte sich der Vitamin-B12-Spiegel normwertig. Die ebenfalls vorhandene Eosinophilie wurde im Rahmen der Ibuprofen-Einnahme interpretiert. Ein Diabetes mellitus ist bei einem HbA1c-Wert von 4,7 % auszuschließen. Eine Hypercholesterinämie (Hypertriglyzeridämie, Hyperurikämie) zeigte sich nicht. Die Elektrolyte waren normwertig. Der Knochenstoffwechsel wies bis auf einen Vitamin-D-Mangel keine Pathologien auf. Es zeigt sich eine chronisch funktionelle Nierenerkrankung mit signifikanter Proteinurie unklarer Genese bei persistierender Hypokaliämie und schwerster metabolischer Azidose unklarer Genese. Bei begleitend positiver Familienanamnese (dialysepflichtige Großmutter) wurde die Patientin zur weiteren Abklärung in die Universitätsklinik überwiesen. Eine zusätzliche Differenzialdiagnose könnte eine Analgetikanephropathie sein.

Laborwerte:

vgl. Tabelle 3

BGA kapillär:

pH: 7,21 PaO2: 71,3
PaCO2: 40 mmHg HCO3: 15,6 mmol/l
Kalium: 2,6 Be: -14,9
Befund: Metabolische Azidose mit Hypokaliämie

Aktuelle Medikation:

Kalinor®-retard P 600 mg Hartkapseln 1 - 0 - 0 - 0
Dekristol® 20.000 I.E. Weichkapseln 0 - 0 - 0 - 0
alle 14 Tage
Ferro sanol® duodenal 1 - 0 - 0 - 0 Hartkapseln m.msr.überz.
Folsäure, 5 mg, Tabletten 1 - 0 - 0 - 0
Bicanorm® magensaftresistente Tabletten 2 - 2 - 2 - 0

Kommentar: Aufgrund der perimedullären Nephrokalzinose zur Reduktion der Hyperkalzurie wurde die Therapie von Bicanorm®, das die Kalziumausscheidung im Urin erhöht, auf Zitronensäure, Kaliumhydrogencarbonat und Natriumcitrat umgestellt.

Universitätsklinikum

In der klinischen Untersuchung in der Universitätsklinik fiel erstmalig ein intermittierendes schmetterlingsähnlich verteiltes Wangenerythem auf. Dieses besteht laut Aussage der Patientin seit circa 4 Jahren, tritt rezidivierend auf und juckt leicht. Begleitend hatte sie für 2 Jahre an beiden Arminnenseiten eine intermittierende plaqueartige Effloreszenz, die leicht erhaben war.

Laborwerte:

vgl. Tabelle 4

Spezielle Laborparameter auf der nephrologischen Station:

vgl. Tabelle 5

BGA kapillär:

pH: 7,28 PaO2: 80
PaCO2: 28 mmHg HCO3: 13 mmol/l
Kalium: 2,6 Be: -12,5
Diagnose: Schwere metabolische Azidose respiratorisch teilkompensiert

Röntgenbefund

  • Keine Voraufnahmen zum Vergleich
  • Schlanke mediastinale und kardiale Silhouette
  • Keine Pleuraergüsse, kein Pneumothorax, keine flächigen umschriebenen Infiltrate
  • Keine Zeichen einer akuten kardialen Dekompensation
  • Keine höhergradigen degenerativen Skelettveränderungen

Nephrosonografie

Niere rechts: 10,9 x 5,2 x 4,8 cm, Normalkontur glatt, Parenchym: 20 mm, normal breite perimedulläres bandförmiges verdicktes Echomuster, einzelne Verkalkung, Nierenbeckenkelche normal weit, keine sicheren Nachweise von Konkremente, auch im Pyelon einzelne grobe Verkalkung, keine sichereren Nachweise einer Raumforderung.

Niere links: 11,8 x 5,2 x 5 cm; Normalkontur glatt, Parenchym: 18 mm, wie rechts Nieren-beckenkelchsystem mehrere grobe Verkalkung, DD-Konkremente, z.B. 10 x 10 x 5 mm im mittleren Drittel an der Parenchym/Pyelongrenzemit angedeutetem Schallschatten, Trinkmenge Artefakt und Strömungssignal.

Diagnose

  • Niere bds. mit perimedullären verdicktemParenchym
  • Niere bds. mit deutlichen Parenchymverkalkungen
  • Niere bds. mit kleinen Konkrementen
  • Sonomorphologisch V.a. beginnende perimedulläre Nephrokalzinose,deutliche Verkalkungen im Parenchympyelonbereich, möglicherweise auch kleine Konkremente
  • Bei positiven Anti-SmD-Antikörpern und einer signifikanten Proteinurie wurde eine Nierenbiopsie durchgeführt.

Kommentar: Autoantikörper gegen SmD weisen auf eine Erkrankung mit einem systemischen Lupus erythematodes hin. Quelle Kuhlmann

V.a. SLE (Minor Variante)bei Anti-SmD-Antikörper und dermatologischer Beteiligung

Nierenbiopsie

Diffuser akuter potenziell reversibler Tubulusepithelschaden mit kleinherdigem Mikrokalk assoziiert;minimale herdförmige Tubulusatrophie und interstitielle Fibrose, geringe Hyalinose

Immunhistochemie

IgA, IgG, IgM, C3c, C1q, Kappa Lambda. IgM und C1q jeweils mesangial positiv; Nachweis von IgG, IgA und C3c jeweils negativ; Kappa- und Lambda-Leichtketten ohne voneinander abweichenden Färbungsmuster

Pathologisch-anatomische Begutachtung

Diffuser, akuter, potenziell reversibler Tubulusepithelschaden, kleinherdiger Mikrokalk assoziiert;minimale herdförmige Tubulusatrophie und interstitielle Fibrose kleiner 5%; geringe hyaline Arteriosklerose

Kommentar: Kein Anhalt für eine aktive tubulointerstitielle Nephritis. Lichtoptisch und ultrastrukturell ebenfalls kein Anhalt für eine Immunkomplexnephritis.

Genetische Untersuchung

Die genetische Untersuchung bezüglich einer hereditären Tubulusstörung war gänzlich unauffällig. Somit rückt eine autoimmunologische Genese in den Vordergrund. Gänzlich lässt sich die Genese aber nicht klären. Es wurden hierbei die Gene ATP6V0A4, ATP6V1B1, CA2, FOXI1, SURF1 und TMEM 70 untersucht. Diese waren alle unauffällig.

Autosomal rezessive Mutation

A4 (ATP6V0A4), B1 (ATP6B1) sind Gene, die für die vaskuläre H-ATPase codieren. Im Weiteren gibt es ebenfalls Mutationen im AE1-Gen, das für basolaterale Cl/HCO-Austauscherproteine alpha interkalierender Zellen codieren. Diese sind assoziiert mit einer autosomal dominanten primären distalen renal-tubulären Azidose. Mutationen im SLC4A1-Gen können zur autosomal rezessiven Erkrankung im Rahmen einer proximalen renal-tubuläre Azidose führen (1).

Diagnose

  1. Chronische Nierenerkrankung KDIGO G1A1 mit global erhaltener infiltrativer Nierenfunktion
  2. Renal-tubuläre Azidose vom distalen Typ (die RCA)

Der klinische Befund mit Hauteffloreszenz und SMD-Antikörper würde zum systemischen Lupus erythematodes mit sekundärer dRTA passen. Für eine langwährende Erkrankung spricht die perimedulläre Nephrokalzinose, die sonografisch erkennbar ist. Eine Glomerulonephritis wurde in der Nierenbiopsie ausgeschlossen. Neben einer autoimmunologischen Genese ist weiter eine hereditäre Form der distal renal-tubulären Azidose möglich, weshalb eine humangenetische Untersuchung initiiert wurde. Diese war bezüglich einer hereditären Tubulusstörung gänzlich unauffällig. Somit rückt eine autoimmunologische Genese in den Fokus. Gänzlich lässt sich diese Genese aber nicht klären. Es zeigt sich weiter ein hoher transtubulärer Kalium-Gradient bei normwertigem Natrium, Kalium und Kalzium im 24-Stundensammelurin. Zudem persistiert eine leichte Erythrozyturie.

Fall 2

Ein Patient mit bekannter renal-tubulärer Azidose stellt sich in der nephrologischen Ambulanz vor. Er wurde vor Kurzem aufgrund einer Pneumonie bds. stationär antibiotisch behandelt. Die Symptomatik besserte sich im Verlauf leicht. Aktuell liegen keine Ruhe- oder Belastungsdyspnoe, keine peripheren Ödeme, keine urämischen Symptome und keine Angina-pectoris-Symptomatik vor. Der Stuhlgang und die Miktion sind unauffällig. Die körperliche Untersuchung brachte keine pathologischen Befunde, bis auf eine leichte Klopfschalldämpfung peripher bds. Das Atemgeräusch war basal bds.abgeschwächt.

BGA 1:

pH: 7,22
PaCO2: 28 mmHg
PaO2: 90
HCO3: 13 mmol/l
Be: -12,5

BGA 2:

pH: 7,11
PaCO2: 54 mmHg
PaO2: 70
HCO3: 13 mmol/l
Be: -12,5

Fragestellungen
1. Was sind die Ursachen der pH-Verschiebung (in den sauren Bereich) in der zweiten BGA?
2. Welche Therapie könnte hier helfen?

Erklärung

  1. Die Ursache des deutlich verminderten pH-Werts liegt in der verminderten Kompensationsfähigkeit der Lunge. Durch die beidseitige Pneumonie war der Patient nicht mehr in der Lage, sich zu hyperventilieren, den pH durch eine vermehrte Atemarbeit konstant zu halten und somit die Abatmung des CO2 (veränderte PaCO2-Werte: von Initial PaCO2 28 mmHg auf PaCO2 54 mmHg).
  2. Akut könnte eine inhalative Therapie helfen, die respiratorische Kompensationsfähigkeit des Patienten wieder zu steigern.

Eine BGA erfolgt im Anschluss an eine inhalative Therapie. Der zweite Fall macht deutlich, wie ein gesunder Körper mit vermehrter Atemarbeit die persistente schwere metabolische Azidose auszugleichen versucht.

BGA nach der Inhalation:

pH: 7,21
HCO3: 13 mmol/l
PaCO2: 32 mmHg
Be: -12,5
PaO2: 80

Vier Typen der renal-tubulären Azidose

Die Diagnose einer renal-tubulären Azidose unterteilt sich in verschiedene Formen. Allen gemein ist eine Beeinträchtigung der Fähigkeit, den Urin zu konzentrieren. Man unterscheidet hier 4 verschiedene Typen.

Renal-tubuläre Azidose Typ1 (distal renal-tubuläre Azidose)

Die renal-tubuläre Azidose vom Typ I ist durch eine Unfähigkeit der Ansäuerung des Urins im distalen Tubulussystem und Sammelrohr gekennzeichnet. Dem zugrunde liegt ein Mangel an Sekretionfähigkeit von H+-Ionen. Patient:innen mit diesem Krankheitsbild entwickeln häufig eine hyperchlorämische, hypokaliämische metabolische Azidose mit einer normalen Anionenlücke. Durch die persistente metabolische Azidose wird die im proximalen Tubulus stattfindende Reabsorption von Flüssigkeit vermindert, was zu einem Flüssigkeitsverlust führt und somit das Renin Angiotensin Aldosteronsystem aktiviert.

Im Weiteren, wie im vorliegenden Fall, entwickelt sich eine symptomatische Hypokaliämie, die darauf zurückzuführen ist, dass durch den proximalen Volumenverlust eine erhöhte distale Natriumsrückresorption über den ENaC stattfindet. Dieser ist ein Ionenkanal, der hauptsächlich für Natriumionen durchlässig ist und durch Aldosteron stimuliert wird. Im Austausch für Natriumionen werden Kaliumionen abgegeben.

Der Pathomechanismus ist im Rahmen eines sekundären Hyperaldosteronismus, der durch einen Volumenverlust induziert wird, zu interpretieren. Normalerweise führen ein niedriger Urin-pH und niedriges Kalium zu einer erhöhten NH3-Synthese, bei jedoch beeinträchtigter Ansäuerung im distalen Tubulussystem der Niere bedingt dieses eine verminderte NH3-Sekretion im proximalen Tubulus und somit eine verminderte Bicarbonatrückresorption.Der Urin-pH der Patient:innen mit distal renaler Azidose bleibt über den gesamten Tag stets im alkalischen Bereich und kann auch durch medikamentöse Stimulation nicht in den sauren Bereich gelangen. Es persistiert eine metabolische Azidose. Im Weiteren sind nicht genug H+-Ionen verfügbar, um eine adäquate Bicarbonat-Rückresorption zu ermöglichen. Aufgrund der erhöhten H+-Retention wird das Kalzium vermindert renal reabsorbiert.Zur Kompensation der metabolischen Azidose bei verminderter Bicarbonat-Reabsorption werden ebenfalls die Bicarbonatspeicher des Körpers in Form der Knochen mobilisiert. Durch das hier frei werdende Kalzium sowie die beschriebene verminderte renale Reabsorption des Kalziums gelangt eine erhöhte Menge davon in den Urin. Die Folge sind Nephrolithiasis und Nephrokalzinose. Zusätzlich wird im proximalen Tubulus durch eine gesteigerte Aktivität des natriumabhängigen Transports die Citratreabsorption gesteigert. Dies bewirkt eine Hypocitraturie. Die Hyperkalzurie, Hypocitraturie und die persistente Alkalisierung des Urins begünstigen eine Kalziumphosphatssteinbildung.

Renal-tubuläre Azidose Typ 2

Die renal-tubuläre Azidose Typ 2 ist durch einen Defekt der Reabsorption von filtriertem Bicarbonat im proximalen Tubulussystem gekennzeichnet. Die distale Ansäuerung des Urins bleibt hiervon unbeeinträchtigt. Somit steht der Verlust von Bicarbonat über den Urin bei dieser Form im Vordergrund. Die Patient:innen weisen eine Hypokaliämie bei normaler Anionenlücke, eine metabolische Azidose, aber die Fähigkeit den Urin anzusäuern mit einem pH kleiner 5,5 auf. Im Weiteren kann eine proximale tubuläre Dysfunktion in Form einer Hypophosphatämie, eine Hyperurikämie und Proteinurie u.a. zusätzlich im Rahmen eines Fanconi-Syndroms auftreten.

Durch die verminderte proximale Rückresorption des Bicarbonats wird konsekutiv Natrium mit ausgeschieden, das wieder zu einer Volumendepletion und konsekutiv zur Stimulierung des Raas-Systemsführt. Dieses schiebt wiederum eine erhöhte Aktivität des ENaC im distalen Tubulus und den Austausch von Natriumionen gegen Kaliumionen an und somit eine Hypokaliämie bei begleitender metabolischer Azidose. Das Krankheitsbild der proximal renal-tubulären Azidose ist nicht mit einer erhöhten Nephrolithiasisrate oder Nephrokalzinoserate assoziiert.

Kommentar: Die Behandlung dieser Form der renal-tubulären Azidose liegt in einer Kaliumsupplementierung, in der Gabe von Natriumhydrogencarbonat und Citrat. Patient:innen, die an einer distalen renal-tubulären Azidose leiden, weisen häufig symptomatische Hypokaliämie, Polydipsie, Polyurie und Muskelschwäche auf. Im Weiteren entwickeln sie Nierensteine und eine Nephrokalzinose. Eine erworbene distal renal-tubuläre Azidose kann durch Medikamente induziert werden wie Amphotericin B, Lithium und hochdosiertes Ibuprofen. Ebenfalls tritt eine renal-tubuläre Azidose in Begleitung von systemischen Erkrankungen wie Sjögren-Syndrom, systemischem Lupus erythematodes, primärer sklerosierender Cholangitis und hereditären Erkrankungen wie z.B. einer Sichelzellanämie auf (1).

Renal-tubuläre Azidose Typ 3 und 4

Die renal-tubuläre Azidose Typ 3 ist ein Mischtyp aus proximaler und distaler renal-tubulärer Azidose.

Die renal-tubuläre Azidose Typ 4 ist im Gegensatz zu den 3 anderen Formen mit einer Reduktion der H+-Ionen und Kaliumionenexkretion assoziiert, führt zu einer hyperkaliämischenmetabolischen Azidose mit normaler Anionenlücke. Die Patient:innen sind häufig asymptomatisch und werden bei Routineuntersuchungen diagnostiziert. Die Ursache für den Typ 4 liegt meist in einem selektiven Aldosterondefizit oder einer Aldosteronresistenz. Dieses verursacht eine verminderte Natriumaufnahme, begleitend eine verminderte Kaliumausscheidung. Die distale Ansäuerung des Urins bleibt hiervon unberührt. Als Ursache der renal-tubulären Azidose Typ 4 sind also ein Hypoaldosteronismus oder eine Aldosteronresistenz anzunehmen (1).


Literatur
1. B.F. Palmer, E. Kelepouris and D.J. Clegg. Renal Tubular Acidosis and Management Strategies: A Narrative. s.l. : Advanced in Therapy, 2021; 38 (2): 949-968.Metabolische Azidose: Symptome, Ursachen, Therapie


Autor

Dr. Niclas Detels

MVZ DaVita
Salzgitter-Seesen

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Erschienen in: Der Nierenarzt, 2021; 8 (4) Seite 8-15