Eine erhöhte alkalische Phosphatase (AP) findet als Hinweis auf Leber- und Gallenwegserkrankungen, Vitamin-D-Mangel oder Knochentumoren regelmäßig Beachtung. Einer erniedrigten AP wird oft keine besondere Bedeutung zugemessen – zu Unrecht! Eine Erniedrigung der AP findet sich bei Hypothyreose, Anämie, chronisch myeloischer Leukämie, Zinkmangel, hormonellen Verhütungsmitteln, aber auch bei einigen seltenen Erkrankungen wie der Hypophosphatasie (HPP).
Die AP ist das katalysierende Enzym bei der Knochenmineralisierung: Sie dephosphoryliert anorganisches Pyrophosphat (PPi) zu anorganischem Phosphat (Pi). Dieses bildet dann zusammen mit Kalzium-Hydroxylapatit-Kristalle, die die Bausteine von Knochen und Zähnen darstellen.
Eine geringe AP-Aktivität führt demnach zu einer verminderten Knochenmineralisierung. Zudem akkumuliert anorganisches Pyrophosphat (PPi), welches ein starker Inhibitor der Knochenmineralisierung ist [2, 3].
Im Nervengewebe dephosphoryliert die AP das phosphorylierte Vitamin B6 (Pyridoxalphosphat) zu Vitamin B6, so dass es die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Somit sind bei erniedrigter AP Vitamin-B6-abhängige Krampfanfälle möglich, es kann zu einer Störung der Hirnreifung kommen [1].
Wichtig: Die AP ist alters- und geschlechtsabhängig. Normwerte sind im Kindes- und Jugendalter deutlich höher als im Erwachsenenalter. Die meisten Labore geben nur die Normwerte für Erwachsene an – diese müssen alterskorrigiert werden.
Hypophosphatasie (HPP)
Die HPP ist eine seltene, erblich bedingte Mineralisierungsstörung des Knochens. Es werden unterschiedliche Schweregrade beschrieben, deren Übergang jedoch fließend ist (Tabelle 1):
Bei der infantilen Form der HPP sind die betroffenen Säuglinge schwer krank. Die Kinder zeigen Skelettdeformitäten, eine Lungenhypoplasie, Ateminsuffizienzen sowie eine Gedeihstörung im Alter von < 6 Monaten.
Hauptsymptome der juvenilen und adulten Form der HPP: Zahnverlust, Skelettdeformitäten, Frakturen ohne adäquates Trauma, verzögerte Frakturheilung sowie Muskel- und Gelenkschmerzen.
Bei Erwachsenen mit einer juvenilen oder adulten Form wird die Diagnose mit einer durchschnittlichen Verzögerung von etwa 10 Jahren nach Auftreten erster Symptome gestellt [6] – Symptome siehe Tabelle 2.
Vererbung und Prävalenz
Aufgrund eines Gendefektes auf dem ALPL-Gen wird unzureichend AP gebildet. Es sind etwa 400 Mutationen bislang beschrieben. Die Vererbung kann autosomal rezessiv oder dominant erfolgen, die Prävalenz liegt bei 1:100.000 – 1:300.000 [5].
Diagnostik
Der erste Hinweis auf das Vorliegen einer HPP ist – neben den klinischen Symptomen – die erniedrigte alterskorrigierte AP, welche im Routinelabor bestimmt werden kann. Hinzu kommen – meist nur in Speziallaboren angeboten – ein erhöhtes aktiviertes Vitamin B6 (Pyridoxalphosphat) und eine erhöhte Ausscheidung des Metaboliten Phosphoethanolamin im Urin. Die Diagnose wird dann genetisch bestätigt [4].
Therapie
Da es sich bei der HPP um eine Multisystemerkrankung handelt, sind verschiedene Fachdisziplinen notwendig. Optimal ist eine Betreuung durch ein Spezialzentrum. Es sind regelmäßige Verlaufskontrollen sowie symptomatische Therapien notwendig. Hierzu gehören Physiotherapie, Sport, Orthetik, Analgetika, ggf. chirurgische Korrekturen/Endoprothetik, regelmäßige zahnmedizinische Kontrollen und Maßnahmen, osteologische Medikation (mit Ausnahme von Bisphosphonaten!).
Bei der infantilen und juvenilen Form der HPP ist eine Enzymersatztherapie mit Asfotase alfa subkutan mit 6 mg/kg KG/Woche in Einzeldosen zur Behandlung der Knochenbeteiligung erhältlich [4].
Zurück zum Fallbeispiel
Die Patientin zeigte ein erhöhtes Pyridoxalphosphat im Blut sowie eine erhöhte Ausscheidung von Phosphoethanolamin im Urin. Die genetische Untersuchung zeigte eine heterozygote Mutation des ALPL-Gens.
Bei der Stammbaumanalyse ergibt sich, dass ihre 67-jährige Mutter an einer schweren therapierefraktären Osteoporose mit massiven Schmerzen, mehreren Wirbelkörperdeckplatteneinbrüchen und einer schlecht heilenden Rippenfraktur (durch Hinüberlehnen über die Mittelkonsole ihres Fahrzeugs) leide. Sie habe ebenfalls eine Handgelenksfraktur ohne adäquates Trauma erlitten. Auch bei ihr wurde laborchemisch eine erniedrigte AP sowie die Erhöhung des Pyridoxalphosphats und der Phosphoethanolamin-Ausscheidung im Urin gefunden. Die genetische Untersuchung zeigte die gleiche Genveränderung wie bei ihrer Tochter.
Auch bei dem 12-jährigen Sohn konnte die Diagnose genetisch gesichert werden. Der Bruder der Patientin war nicht betroffen.
Wichtig: Die HPP kann autosomal dominant vererbt werden, so dass eine Stammbaumanalyse unerlässlich ist.
Bei allen drei betroffenen Familienmitgliedern wurde mit Asfotase alfa begonnen. Bei allen zeigten sich deutliche Verbesserungen der Symptomatik mit Abnahme der Schmerzmedikation, eine gesteigerte Ausdauer und eine deutliche Zunahme der Lebensqualität. Die Patient:innen werden regelmäßig alle sechs Monate in einem Spezialzentrum vorstellig, um die Organmanifestationen zu kontrollieren.
Fazit:
- Die HPP ist eine seltene, angeborene und genetisch bedingte Knochenmineralisierungsstörung, die aber auch andere Organsysteme involviert.
- Typische Symptome sind Muskel- und Gelenkschmerzen, Frakturen ohne adäquates Trauma oder schlecht heilende Frakturen.
- Die diagnostischen Hinweise sind vor allem eine erniedrigte AlkalischePhosphatase im Blut, die alterskorrigiert werden muss. Die Bestätigung der Diagnose erfolgt über eine Genanalyse des ALPL-Gens.
- Therapeutisch steht neben der symptomatischen Therapie für Patienten mit der infantilen und juvenilen Form (Erkrankungsbeginn vor dem 18. Lebensjahr) eine Enzymersatztherapie mit Asfotase alfa zur Verfügung, um die Knochenbeteiligung zu behandeln.
- Eine erniedrigte AP kann mit einer verminderten Knochenmineralisierung einhergehen.
- Symptome einer Hypophosphatasie sind v.a. Muskel-/Gelenkschmerzen und Frakturen ohne ad. Trauma.
- Bei Erkrankungsbeginn vor dem 18. LJ steht eine Enzymersatztherapie (Asfotase alfa) zur Verfügung.

Dr. med. Christina Lampe
Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (3) Seite 37-39