Weltweit erkrankten im letzten Jahr 10 Millionen Menschen an Tuberkulose. Mit 1,6 Millionen Todesfällen ist sie die einzige Infektionserkrankung unter den zehn häufigsten Todesursachen. Im selben Jahr wurden in Deutschland 5.486 Neuerkrankungen an das Robert Koch-Institut gemeldet. In über 80 % der Fälle wurde die Diagnose nach Abklärung spezifischer Symptome gestellt, wobei häufig der Hausarzt die erste Anlaufstation war. Bei Risikofaktoren und passenden Symptomen sollte daher auch heute immer auch an eine Tuberkulose gedacht werden.

Kasuistik
In Ihrer Praxis stellt sich ein junger Mann aus Eritrea vor. Er hat seit einiger Zeit Husten, Abgeschlagenheit und 5 Kilo Gewicht verloren. Eine vorangegangene antibiotische Therapie habe keine Besserung gebracht. Er sei seit einem Jahr in Deutschland und bisher eigentlich immer gesund gewesen. Eine Tuberkulose sei nicht bekannt. Eine Röntgenaufnahme der Lunge bei Aufnahme in die Asylunterkunft vor einem Jahr war unauffällig. Die Auskultation der Lunge ergibt ein vesikuläres Atemgeräusch mit dezentem Giemen rechtsseitig betont. Die sonstige körperliche Untersuchung ist unauffällig.

Wie gehen Sie weiter vor? Sie denken bei länger persistierenden Beschwerden und Herkunft aus einem Hochinzidenzland differenzialdiagnostisch an eine Tuberkulose und veranlassen sofort eine Röntgenuntersuchung des Thorax. Im rechten Oberlappen wird eine kavernöse Veränderung beschrieben (Abb. 1). Im Sputum lassen sich säurefeste Stäbchen nachweisen. Die molekularbiologische Untersuchung ist positiv auf M. tuberculosis ohne Nachweis einer Rifampicinresistenz. Sie melden den Patienten an das Gesundheitsamt und veranlassen in Absprache eine stationäre Therapieeinleitung. Nach einem Monat wird durch die Kultur und die phänotypische Resistenztestung eine sensible Lungentuberkulose bestätigt.

Verlauf : In der Klinik wurde eine Therapie mit Rifampicin, Isoniazid, Pyrazinamid und Ethambutol eingeleitet. Darunter kam es rasch zur Sputumkonversion und der Patient wurde in Ihre ambulante Weiterbetreuung entlassen. Sie kontrollieren regelmäßig die notwendigen Laborparameter, setzen die antituberkulöse Therapie fort und überprüfen den Heilungsverlauf nach zwei bis drei Monaten Therapie durch eine weitere Mykobakterienkultur. Nach Abschluss der Therapie haben sich die klinischen und radiologischen Veränderungen zurückgebildet, Ihr Patient gilt als geheilt. Es sollte aber nach sechs und zwölf Monaten eine Röntgenthoraxaufnahme angefertigt werden, um ein Rezidiv auszuschließen.

Nach einem kontinuierlichen Rückgang der Tuberkulosefälle in Deutschland kam es seit 2014 zu migrationsbedingten Schwankungen der Fallzahlen. Etwa drei Viertel der neu diagnostizierten Tuberkulosepatienten in Deutschland sind mittlerweile im Ausland geboren [1]. In der in Deutschland geborenen Bevölkerung hingegen nimmt die Tuberkuloseinzidenz langsam ab. Allerdings erkrankten 2017 weltweit allein 10 Millionen Menschen neu und 1,6 Millionen verstarben an einer Tuberkulose. Zusätzlich treten vermehrt Erkrankungen mit resistenten Tuberkuloseerregern auf, die einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen [2].

Übertragung und Infektion

Der häufigste Übertragungsweg ist der enge Kontakt mit einem Patienten mit einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose. Andere Übertragungswege wie beispielsweise bei der Rindertuberkulose stellen in Deutschland eine Rarität dar. In über 90 % der Fälle wird aber eine Erkrankung durch das Immunsystem verhindert, diese sogenannten latent Infizierten sind gesund und nicht ansteckend für andere. Die latente Tuberkuloseinfektion (LTBI) wird mit immunologischen Testverfahren wie dem Tuberkulin-Hauttest oder Interferon-Gamma-Release-Tests (Quantiferon-Test®, T-Spot-Test®) nachgewiesen. Allerdings können diese nicht zwischen einer Ansteckung und einer Erkrankung unterscheiden. Säuglinge und Kinder, Kontaktpersonen mit einer frischen Infektion, HIV-Patienten und Patienten unter Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren haben beispielsweise ein deutlich höheres Risiko zu erkranken. Auch die Herkunft aus einem Hochinzidenzland ist mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden [3]. Durch eine Chemoprävention mit Isoniazid für neun Monate, Rifampicin für vier Monate oder Isoniazid mit Rifampicin für drei bis vier Monate lässt sich das Progressionsrisiko zur Erkrankung vermindern [4].

Diagnosestellung

Symptome

Häufig treten unspezifische Symptome wie Nachtschweiß, Gewichtsverlust, subfebrile Temperaturen, Schwäche und Abgeschlagenheit auf. Bei circa 75 % manifestiert sich Tuberkulose als Lungentuberkulose. Leitsymptom ist der chronische Husten, aber auch Hämoptysen oder Thoraxschmerzen können auftreten. Da auch jedes andere Organ infiziert werden kann, sollte bei chronischen Beschwerden und Risikofaktoren wie Herkunft aus einem Hochinzidenzland oder einer geschwächten Immunabwehr immer auch an eine Tuberkulose gedacht werden.

Bildgebung

Bei Verdacht auf eine Lungentuberkulose sollte eine Röntgen-Thorax-Aufnahme angefertigt werden, bei unklaren Befunden ist eine Thorax-CT sinnvoll. Besteht der Verdacht auf eine extrapulmonale Tuberkulose, ist eine für das Organ entsprechende Bildgebung (Sonographie, CT, MRT) notwendig.

Mikrobiologie

Beweisend für eine Tuberkulose ist der direkte Erregernachweis aus geeignetem Material. Bei der Lungentuberkulose sollten drei Morgensputa untersucht werden. Kann kein Sputum abgegeben bzw. induziert werden oder besteht der Verdacht auf eine extrapulmonale Tuberkulose, sollte eine invasivere Probenentnahme erfolgen. Dabei wird ein Teil der Gewebeproben nativ für die mikrobiologische Untersuchung auf Mykobakterien verwendet (vgl. auch Tabelle 1). Die Proben werden dann mikroskopisch auf säurefeste Stäbchen untersucht. Ein negativer mikroskopischer Befund schließt eine Tuberkulose aber nicht aus. Deswegen sollte immer auch eine Kultur als Goldstandard der Tuberkulosediagnostik angelegt werden. Aufgrund der langsamen Teilungsrate von Mykobakterien beträgt die Kulturdauer insgesamt acht Wochen.

Molekularbiologische Methoden

In den letzten Jahren hat sich die molekularbiologische Diagnostik rasch weiterentwickelt. Diese PCR-basierten Methoden erlauben eine zeitnahe und sensitive Diagnostik. Auch können Resistenzgene nachgewiesen werden, so dass eine passende Therapie rasch eingeleitet werden kann. Mittels Gesamtgenomsequenzierung soll in Zukunft auch die Bestimmung eines vollständigen Resistenzprofils möglich sein [5].

Standardtherapie der Tuberkulose

Die pansensible Tuberkulose wird für mindestens sechs Monate mit mehreren Antibiotika behandelt. Die zweimonatige Initialphase besteht aus einer Vierfachtherapie mit Rifampicin, Isoniazid, Pyrazinamid und Ethambutol. Daran schließt sich eine viermonatige Erhaltungstherapie mit Rifampicin und Isoniazid an. Die gewichtsadaptierten Dosierungen sowie mögliche Nebenwirkungen können Sie Tabelle 2 entnehmen. Auf der Internetseite des DZK stehen Ihnen ein Dosierungsrechner sowie weitere Hinweise für die Therapie zur Verfügung. Wenn möglich sollten die Medikamente morgens nüchtern 30 Minuten vor dem Frühstück eingenommen werden.

Therapiehinweise

In Abbildung 2 ist ein zeitlicher Vorschlag für die notwendigen Untersuchungen vor und während einer Tuberkulosetherapie dargestellt. Diese müssen bei Komplikationen, Nicht-Standardtherapien oder Begleiterkrankungen angepasst werden. Nach dem Infektionsschutzgesetz muss jeder Patient nach Diagnose innerhalb von 24 Stunden an das Gesundheitsamt gemeldet werden. Hat Ihr Patient einen mikroskopischen Erregernachweis aus respiratorischem Material, ist er als ansteckend anzusehen und es sind geeignete Isolationsmaßnahmen einzuleiten [8].

Ist die regelmäßige Medikamenteneinnahme nicht gewährleistet, ist eine kontrollierte Therapie (engl.: DOT = directly observed treatment) möglich. Eine ambulante Therapieführung erfordert eine enge Vernetzung zwischen dem Facharzt, dem Hausarzt, dem Gesundheitsamt und anderen Beteiligten (Pflegedienst, Ausländerbehörde etc.).

Änderung der Standardtherapie/Medikamentenresistenz

Bei extrapulmonalen Tuberkulosen des Perikards, der Knochen, des ZNS und bei Miliartuberkulose ändert sich die Dauer und Zusammensetzung der Therapie.

Auch bei Medikamentenresistenzen muss die Therapie angepasst werden. Die häufigste Monoresistenz ist eine Resistenz gegen INH. In der sechs- bis neunmonatigen Therapie wird dann Isoniazid durch ein Fluorchinolon ersetzt. Liegt eine Monoresistenz gegen Rifampicin vor, wird diese wie eine Multiresistenz (MDR) gewertet.

Als MDR-TB wird die Resistenz gegen die beiden wichtigsten Standardmedikamente Rifampicin und Isoniazid bezeichnet. Besteht zusätzlich eine Resistenz gegen ein Fluorchinolon und ein Aminoglykosid, liegt eine extensiv resistente Tuberkulose (XDR-TB) vor. Die Therapie dieser Patienten besteht aus mindestens fünf verschiedenen Antibiotika, die individuell nach dem jeweiligen Resistenzmuster zusammengestellt werden. Die Therapie ist sehr komplex und wird häufig durch Nebenwirkungen verkompliziert. Sie sollte daher wenn möglich in einem spezialisierten Zentrum erfolgen [9].

Fazit für die Praxis
Bei Risikofaktoren und Beschwerden sollte immer differenzialdiagnostisch an Tuberkulose gedacht werden. Zur Diagnostik sollte eine Röntgen-Thorax-Untersuchung und der mikrobiologische Erregernachweis angestrebt werden. Die Therapie der pansensiblen Tuberkulose besteht aus einer sechsmonatigen Behandlung mit Rifampicin, Isoniazid, Pyrazinamid und Ethambutol. Die ambulante Therapieführung erfordert eine enge Absprache zwischen allen Beteiligten, insbesondere dem Hausarzt, dem Pneumologen und dem zuständigen Gesundheitsamt. Bei Vorliegen von Medikamentenresistenzen sollte der Kontakt zu einem spezialisierten Zentrum gesucht werden.

Für Fragen zu allen Bereichen der Tuberkulose bieten das DZK und das Forschungszentrum Borstel ein Beratungstelefon an. Weitere Informationen sowie die neuen Leitlinien und Empfehlungen zu Tuberkulose sind auf der Webseite des DZK frei verfügbar.



Autorin:

Dr. med. Brit Häcker

Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
14165 Berlin

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (10) Seite 14-17