Novi Sad liegt an der Donau und ist Serbiens zweitgrößte Stadt. Einst zugehörig zur Habsburger Monarchie wird sie noch heute von mehr als 25 nationalen Minderheiten bewohnt. Novi Sad wird oft auch als Stadt der Festivals und Veranstaltungen bezeichnet. Und weil die Stadt und ihr Umland so viel zu bieten hat, ist sie für das Jahr 2022 zu einer der drei europäischen Kulturhauptstädte ernannt worden. Da konnte unser Reiseautor natürlich nicht widerstehen.

Was aber hat nun Novi Sad zu bieten im Jahr der großen Ereignisse? Immerhin 1.500 unterschiedliche Programme und Ausstellungen mit 5.000 Kunstschaffenden aus vielen europäischen Ländern. Rund um die Uhr geht es dann zum Beispiel vom 7. bis 10. Juli so richtig los, wenn auf der altehrwürdigen Festung Petrovaradin hoch über der Donau beim alljährlichen Musikfestival, dem bedeutendsten Südosteuropas, die Nacht zum Tage gemacht wird. Bis zu 200.000 Jugendliche und Junggebliebene aus nah und fern wurden in "guten Zeiten" bei den Veranstaltungen auf 40 Bühnen gezählt.

Wenn die Nacht zum Tage wird

Aber auch in der Altstadt selbst zwischen Freiheitsplatz (Trg Slobode) und Donaustraße (Dunavska ulica) wuselt von früh bis spät das Leben. Da wird bis in die Abendstunden flaniert und geshoppt. Die Straßencafés, Bars und Restaurants sind dicht an dicht besetzt, vor allem mit jungen Leuten. Sie treffen sich zu einem Plausch in geselliger Runde oder auch, um den beliebten Tamburitzaklängen zu lauschen oder das nächste Uni-Seminar vorzubereiten. Immerhin leben hier weit über 30.000 Studierende.

Mit seinen rund 300.000 Einwohnern hat Novi Sad das Erbe der Donaumonarchie mit der kulturellen Buntheit und den prachtvollen Gebäuden aus über zwei Jahrhunderten in vielfältiger Weise bewahrt. Um den Freiheitsplatz strahlen beispielsweise Rathaus, katholische Pfarrkirche, das Haus "Zum Eisernen Ritter", aber auch ganze Straßenzüge in neuem Glanz. In verwinkelten Gassen und frisch renovierten Ladenpassagen laden Boutiquen, Antiquitätenläden und Galerien zum Verweilen ein. Kirchen verschiedener Konfessionen zeugen von der Weltoffenheit der Bewohner. Und die ehemals griechischen, jüdischen, ungarischen und armenischen Viertel erinnern an die multiethnische Vergangenheit der Stadt. Noch heute gibt es in der Vojvodina mehr als 25 nationale Minderheiten – so u. a. Ungarn, Rumänen, Slowaken, Roma, Ukrainer, Kroaten, Bulgaren und Tschechen.

Einst lebten in Novi Sad und der Provinz auch rund 350.000 Serbiendeutsche (1931). Die ersten kamen 1702 als Handwerker zum Bau der mächtigen Habsburg-Festung Petrovaradin oberhalb des Donauufers. Später folgten aus deutschen und österreichischen Landen Bauern, Kaufleute und Verwaltungsbeamte, die sich in Novi Sad – deutsch Neusatz genannt – und der Region niederließen. Steuererleichterungen und die Befreiung vom Militärdienst lockten. Das Ergebnis: Zahlreiche deutsche Dörfer entstanden. Und das ehemals versumpfte Umland der Donau wurde auch durch sie zur Kornkammer der Vojvodina. Noch heute zählt die deutsche Minderheit in der serbischen Provinz etwa 3.300 Personen.

Einsteins Heimat

Abseits des Stadtzentrums dann eine deutsch-serbische Entdeckung der besonderen Art: In der unscheinbaren Kisaschkastraße wohnten im elterlichen Haus Nummer 20 Anfang des 20. Jahrhunderts die serbische Physikerin Mileva Maric-Einstein und ihr Ehemann Albert Einstein, Schöpfer der Relativitätstheorie (vermutlich unter Mithilfe von Mileva). Hier getauft wurden im September 1913 nach orthodoxem Ritus auch ihre Söhne Eduard und Hans Albert. Veranstaltungen im Jahreslauf erinnern an die Einstein-Familie.

Wer Novi Sad und die Festung Petrovaradin besucht, übrigens legten vor Corona-Zeiten jährlich über 250 Kreuzfahrtschiffe am Donaukai an, der sollte die Gelegenheit nutzen, für einige Stunden auch die Umgebung zu erforschen. Das nahe Fruschka-Gora-Gebirge mit dem größten Lindenbaumbestand Europas, zwischen Donau und Save gelegen, ist serbische Geschichte pur und ein Nationalpark. Hier, im malerischen Barockstädtchen Sremski Karlovci (deutsch Karlowitz) am Rande der Berge, ist 1699 der 16 Jahre dauernde "Große Türkenkrieg" mit dem Friedensvertrag von Karlowitz – unterzeichnet einerseits von Österreich, Russland und Polen und andererseits vom Osmanischen Reich – beendet worden. Europas Landkarte entstand damals neu. Die Grenzen zwischen christlicher und islamischer Welt wurden gen Süden verschoben. Im Revolutionsjahr 1848 machte Sremski Karlovci nochmals von sich reden. In der Stadt tagte eine illegale Nationalversammlung aller Serben aus dem Habsburger Reich, die das "Serbische Herzogtum", bestehend aus den Gebieten Srem, Banat, Batschka und Baranja, proklamierte.

Klösterreiches Bergland

Versteckt in den lauschigen Tälern und dichten Wäldern des Berglandes, zwischen Obstgärten und Weinbergen, sind auch 16 sehenswerte Klöster aus dem 15. bis 18. Jahrhundert erhalten geblieben. In einigen von ihnen, so auch in Kruschedol, pflegen Nonnen und Mönche noch heute ihren orthodoxen Glauben und tragen so dazu bei, dass das Fruschka-Gora-Gebirge zu Recht als "Serbischer Athos" (Athos = autonome Mönchsrepublik in Griechenland) bezeichnet wird.

Reise-Informationen
Reiseliteratur: Edition Maritim "Kreuzfahrt-Guide Donau – Von Passau bis zum Schwarzen Meer", Verlag Delius Klasing, 19,90 €; Reise-Taschenbuch "City Trip Belgrad und Novi Sad", Reise Know-How Verlag, 11,95 €. Vor Ort ist in Buchhandlungen der deutschsprachige Reiseführer "Serbien", Verlag Komshe Beograd, zum Preis von etwa 20 € erhältlich. Touristisches Informationszentrum Novi Sad, tons@novisad.travel; www.novisad.travel, www.novisad2022.rs. Infozentrum der Nationalen Tourismusorganisation Serbiens, info@serbia.travel; www.srbija.travel.



Autor
Ulrich Uhlmann

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (4) Seite 70-72