Traumstrände, einsame Buchten und unberührte Natur, Kraterseen, Wasserfälle und alte Forts, Gewürzplantagen und Regenwald, überragt von einem erloschenen Vulkan. Das ist Grenada, eine der ursprünglicheren karibischen Inseln. Hier wächst praktisch alles – von Nelken und Lorbeer über Vanille und Zimt bis hin zu Safran und Kakao. Unser Reiseautor Ulrich Uhlmann hat sich die Insel genauer angesehen und auch einen Blick in ihre dunkle Geschichte geworfen.

Nach stürmischer, wochenlanger Überfahrt ist endlich bergiges, tropisch-grünes Land in Sicht – die karibische Insel Grenada. Der Segler aus Westafrika bringt "Nachschub" für die Zuckerrohrplantagen der französischen und britischen Siedler, die sich vor Jahrzehnten den vulkanisch-fruchtbaren Boden zu Eigen gemacht haben. Halb verdurstet und ausgehungert torkeln die Schwarzen auf die Pier. Abgetretene Stufen führen von der Anlegestelle empor. Oben wartet bereits der Sklavenmarkt mit Aufsehern und Käufern.

So etwa mag es um 1800 auf Grenada ausgeschaut haben, wie ein Völkerkundebuch aus damaliger Zeit berichtet. Neben den 7.000 "freien" Bewohnern der Insel schufteten 30.000 Sklaven auf den Feldern und in den Zuckerrohrmühlen der wohlhabenden Plantagenbesitzer – bis 1834 auch in der einstigen britischen Kronkolonie die Sklaverei endlich der Vergangenheit angehörte.

Insel der Gewürze

Heute erklimmen nun Kreuzfahrttouristen aus aller Welt die Uferpromenade von Saint George´s, dem Regierungssitz von Grenada mit seinen rund 7.000 Einwohnern, und mischen sich unter die überwiegend schwarzen Einheimischen. Überall wuselt der Verkehr, als ob alle rund 110.000 Inselbewohner zur gleichen Zeit die überschaubar kleine Hauptstadt bevölkern. Die engen Straßen führen bergauf und bergab wie auf einer Achterbahn, gesäumt von alten, hübsch renovierten Kolonialhäusern. In den Läden links und rechts des Weges gibt es zu kaufen, was das Herz begehrt.

Reiseinformationen
Grenada Tourism Authority, Schenkendorfstr. 1, 65187 Wiesbaden, Tel. 0611/2676720; grenada@discover-fra.com ; www.puregrenada.com. Direktflüge ab Frankfurt mit Condor.

Nach wenigen Schritten ist der Gewürzmarkt erreicht – eine der Hauptattraktionen von Saint George`s. Schließlich ist Grenada ja die "Insel der Gewürze" und zum Beispiel zweitgrößter Muskatnusslieferant der Welt. Das ist sogar an der Landesflagge erkennbar, auf der die würzige Nuss auffällig prangt. An den Ständen liegen bunt aufgetürmt neben exotischen Früchten wie Mangos und Papayas, Passionsfrüchten und Guaven auch preiswerte Tütchen mit Zimtstangen, Nelken, Ingwer, Pfeffer, Kakao und anderem mehr. Und natürlich Flaschen und Fläschchen mit Rum in allen Variationen – eingehüllt in den Düften aus Tausendundeiner Nacht. Und ehe der Besucher sich zum Kauf entschließt, ist selbstverständlich ausgiebiges Probieren bei den freundlichen grenadischen Marktfrauen angesagt.

Der Vulkan schläft

Wer Saint George´s in seiner ganzen Vielfalt betrachten möchte, sollte einen kurzen Trip zum Fort Frederick hoch über dem Städtchen starten. Die 1791 erbaute Festungsanlage mit ihren Bastionen bietet einen einmaligen Rundumblick. Tief unten die Straßen und Gassen mit den rotbedachten, pastellfarbenen Häusern, dahinter das hufeisenförmige Carenage-Hafenbecken, gesprenkelt mit Yachten, Frachtern und gelegentlich einem echten Segelschiff, und schließlich in wenigen Kilometern Entfernung der beliebteste Strand Grenadas, der palmengesäumte Grand Anse Beach. Schaut der Besucher in Richtung Landesinnere, grüßen Hügelland und Berge. Immerhin zählt der höchste Inselberg, der "schlafende" Vulkan Mount Saint Catherine, ganze 840 Meter Höhe.

Der 29-jährige Bernd Mantzsch aus Dresden – seit einiger Zeit Restaurantchef im hiesigen Luxusresort Calabash – gibt gerne noch weitere Empfehlungen, um die Insel zu entdecken: Unbedingt den feucht-warmen Regenwald erleben mit seinen Baumfarnen, seinen Bambushecken und seinen hohen, schlanken Bäumen mit riesigen Brettwurzeln. Und als Geheimtipp: ein Besuch in einer altehrwürdigen Rum-Destillerie.

Hier wird Rum destilliert

Inmitten ausgedehnter Zuckerrohrfelder ist sie dann zu finden – die River Antoine Rum Destillery in der Region St. Patrick, die, wie man sagt, wohl älteste Destille der Karibik. In Gebäuden von 1785 wird hier in Handarbeit produziert wie eh und je. Zuerst waren es Franzosen, später britische Siedler, die mit Sklavenarbeit zu Reichtum gelangten. Heute wird die Rumbrennerei als Kooperative mit 80 Mitarbeitern betrieben.

Eine steingefasste Wasserleitung bringt Flusswasser – soweit außerhalb der Regenzeit überhaupt vorhanden – herbei und treibt eine vorsintflutliche Zuckerrohrmühle an. Arbeiter, den Schraubenschlüssel in der Hand, halten das riesige Wasserrad mühselig in Gang. Der ausgepresste Zuckersaft landet schließlich nach längerer, althergebrachter Prozedur in großen Koch- und Gärbottichen. Zwei Sorten Rum sind im Angebot – mit 75 und 69 % Alkoholgehalt. Der Erstere für hartgesottene Einheimische, der Zweite für Touristen aus aller Welt. Höchst explosiv ist das 75-prozentige "Feuerwasser". Eine Mitnahme im Flugzeug verbieten die Sicherheitsbestimmungen.

Mit dem Katamaran um die Insel

Nicht verboten ist die Rumbuddel aber an Bord eines Katamarans, mit dem sich auf einer 60-Kilometer-Tour rund um Grenada – das Land ist vergleichsweise etwa so groß wie der deutsche Teil der Ostseeinsel Usedom – Inseln und Inselchen, Schnorchel- und Tauchreviere, stille Buchten und idyllische Fischerdörfer entdecken lassen.

Badehosen-"Landgang" dann auf Sandy Island, einem unbewohnten Palmenparadies im Karibischen Meer. Der 46-jährige Skipper Meikel steuert das Dingi an den schönsten weißen Sandstrand weit und breit. Palmen und Mangroven zaubern Grün am türkisblauen Wasser; im Hintergrund Hügel mit tropischer Vegetation. Bevor es zum nahe gelegenen Riff mit seinen farbenbunten Fischschwärmen geht, ist Picknick angesagt. Frische Kokosmilch, gegrillter Fisch und Rumpunsch stehen auf der "Speise- und Getränkekarte". Dann wird eine verfallene Plantagenvilla begutachtet – Renovierung möglich. Die Insel – acht Hektar groß – steht zum "Spottpreis" zum Verkauf. Hinter vorgehaltener Hand heißt es – mickrige acht Millionen Euro wären auf den Tisch zu legen. Wer da wohl zuschlägt?



Autor:
Ulrich Uhlmann

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (12) Seite 74-78