Aufgrund guter Ergebnisse und schneller Rekonvaleszenz werden hochgradige, symptomatische Aortenklappenstenosen (AS) zunehmend interventionell und bevorzugt perkutan mittels Transkatheter-Aortenklappenimplantation (transcatheter aortic valve implantation, TAVI) versorgt. Die Entscheidung, ob die Therapie mittels TAVI oder chirurgischen Eingriffs (surgical aortic valve replacement, SAVR) durchgeführt werden soll, ist komplex und hochindividuell.
Das Leitsymptom Dyspnoe ist aufgrund seiner Häufigkeit und der multifaktoriellen Genese eine besondere Herausforderung in der ambulanten Versorgung. Gerade bei älteren Patient:innen sollte in der Umfelddiagnostik auch an Herzklappenerkrankungen gedacht werden. Die AS ist dabei in Europa und Nordamerika das am häufigsten behandlungsbedürftige Vitium. Die Therapie erfolgt in der Regel als Klappenersatz, da er der Aortenklappenrekonstruktion überlegen ist.
Nachdem im Jahr 2002 erstmalig eine TAVI durchgeführt wurde, hat eine Vielzahl an Studien und Analysen gezeigt, dass damit gleichwertige (und in Aspekten zum Teil bessere) Ergebnisse als mit SAVR erreicht werden können. Insbesondere die schnellere postinterventionelle Mobilisierung bietet Vorteile für die Patient:innen. Im Gegensatz zu SAVR wird bei einer TAVI mittels Herzkatheter über einen arteriellen Zugang (zumeist über die Femoralarterie) eine stentgetragene biologische Aortenklappenprothese in den nativen Klappenanulus eingepresst. Die Stents der Prothesen können mittels Ballon expandiert werden oder selbstexpandierend gefertigt sein. Die Nativklappe verbleibt dabei in situ; die Segel werden zur Seite gedrängt und dienen als Widerlager für die TAVI-Prothese. Neben Stenosen können mittlerweile auch Aortenklappeninsuffizienzen mit einer TAVI-Prothese versorgt werden.
Seit der letzten Leitlinienaktualisierung der europäischen Gesellschaften für Kardiologie und Herzchirurgie (European Society of Cardiology (ESC), European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS)) im Jahr 2021 besteht eine Klasse-IA-Empfehlung für die interventionelle Therapie der AS mittels TAVI bei Patient:innen älter als 75 Jahre, mit hohem Risiko bei SAVR (Mortalitätsrisiko > 8 % intra- oder postoperativ nach STS-PROM oder EuroSCORE II) oder wenn eine SAVR nicht möglich ist. [2] Doch nicht alle Patient:innen sind für eine TAVI geeignet. Daher wird jeder Fall zunächst in einem interdisziplinären Gremium aus interventionellen Kardiolog:innen, Herzchirurg:innen und Anästhesist:innen – dem Heart-Team – vorgestellt, wo nach ausführlicher Abwägung von Nutzen, Risiken und technischen Unwägbarkeiten eine gemeinsame Therapieempfehlung ausgesprochen wird. In diesem Beitrag gehen wir auf einige Faktoren in diesem Entscheidungsprozess sowie auf mögliche Gründe dafür, dass eine AS besser entweder mit TAVI oder SAVR versorgt werden sollte, ein.
Video 1: Minimalinvasive operative Versorgung einer Aortenklappenstenose
Das Video zeigt die Technik bei einer minimalinvasiven Versorgung einer Aortenklappenstenose (surgical aortic valve replacement, SAVR).
Video 2: Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI)
Hochgradige symptomatische Aortenklappenstenosen werden zunehmend mittels Transkatheter-Aortenklappenimplantation (transcatheter aortic valve implantation, TAVI) versorgt. Das Video zeigt die Technik.
Lifetime-Management
Im Rahmen der Heart-Team-Diskussion steht zuerst das Lebenszeitkonzept im Vordergrund. Eine AS kann bereits bei jungen Patient:innen auftreten, bei denen in der Therapie zwischen einer biologischen und mechanischen Herzklappenprothese abgewogen werden muss. Biologische Klappen aus bovinem oder porzinem Perikard benötigen keine dauerhafte Antikoagulation, erfahren aber im Verlauf eine Degeneration, sodass nach etwa 15 Jahren ein Folgeeingriff notwendig werden kann. Die Abnutzung ist gerade bei jungen Menschen deutlich stärker, sodass für sie eine mechanische Herzklappe in Betracht gezogen werden muss. Dem Vorteil der dauerhaften Haltbarkeit steht jedoch die Notwendigkeit einer kontinuierlichen oralen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon und konsekutiver Notwendigkeit zur INR-Kontrolle gegenüber. Mechanische Klappen können, da sie nicht zusammengefaltet und durch einen Herzkatheter erneut ausgedehnt werden können, derzeit ausschließlich mittels SAVR implantiert werden. Wird eine biologische Prothese ausgewählt, sind unabhängig von der Implantationsmodalität zwei weitere wesentliche Faktoren zu berücksichtigen. Es gilt den Zugang zu den Koronararterien zu erhalten, falls im späteren Verlauf und zunehmenden Alter eine koronare Herzerkrankung behandlungsbedürftig wird. Kommt es zur Degeneration der biologischen Aortenklappenprothese, sollte in jedem Fall eine sichere Nachbehandlung mittels TAVI als "Klappe-in-Klappe"-Prozedur garantiert sein.
Für Patient:innen mit engem Anulus gilt es zudem, ein Missverhältnis von Patient:in und Prothese zu vermeiden, da eine zu klein gewählte Prothese mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist. [3] Beim chirurgischen Aortenklappenersatz können mit komplexerer Operationstechnik – wie einer Aortenwurzel- und Anuluserweiterung – größere Prothesen implantiert werden, um ein solches Missverhältnis zu vermeiden. Bei TAVI bieten supraanuläre Prothesen den Vorteil niedrigerer transvalvulärer Gradienten als intraanuläre Prothesen und können dadurch ein Patient:in-Prothesen-Mismatch reduzieren oder vermeiden.
Zugangswege
TAVI-Prothesen werden aufgrund des besseren Handlings bevorzugt über einen transfemoralen Zugang implantiert. Sollte dies nicht möglich sein, kann die Implantation alternativ über die Arteria axillaris, A. carotis, die Aorta oder antegrad über den Apex des linken Ventrikels erfolgen. Welcher Zugang am sinnvollsten ist, wird anhand des präinterventionellen CT bemessen. Sollte zum Beispiel aufgrund hochgradiger vaskulärer Stenosen ein transfemoraler Zugangsweg nicht möglich sein, sollte erneut die Behandlung mittels SAVR in Erwägung gezogen werden. Eine vorbekannte periphere arterielle Verschlusskrankheit ist aber dennoch keine Kontraindikation zur TAVI.
Aortenklappenmorphologie und LVOT-Kalzifizierung
Während für die SAVR die Morphologie der nativen Klappe nicht entscheidend ist, hängt von ihr bei der TAVI die generelle Machbarkeit ab. Für eine zirkuläre Expansion der TAVI-Prothese sind trikuspide, symmetrisch kalzifizierte Herzklappen günstig. Bikuspide Segelformationen entstehen anlagebedingt oder werden durch diverse Faktoren erworben [1]. Die abweichende Konfiguration und die durch Segelverschmelzung entstehende Asymmetrie können die Positionierung der TAVI-Prothese erschweren und zum Misserfolg führen, weshalb bikuspide Klappen bisher auch aus den großen randomisierten Studien (landmark randomized trials) ausgeschlossen waren [4]. Weitere komplizierende Faktoren sind zum Beispiel starke Kalzifizierung im linksventrikulären Ausflusstrakt, ein Kalksporn auf Anulusebene oder aneurysmatische Veränderungen der Aorta. Sie können zu einer Undichtigkeit der TAVI-Prothese (paravalvuläre Leckage), einer Verletzung des nativen Anulus im Rahmen der Ballonexpansion (Anulusruptur) oder einer Aortendissektion führen und werden zuvor in der CT-Untersuchung ausgeschlossen. Andererseits können z. B. Verkalkungen der Aorta ascendens einen chirurgischen Eingriff erheblich erschweren und somit auch bei jüngeren Patient:innen zur Anwendung des TAVI-Verfahrens führen. Ist das CT auffällig, müssen Nutzen und Risiko von SAVR und TAVI erneut abgewogen werden. [5]
Komorbiditäten der Koronarien und weiteren Herzklappen
Leitliniengerecht sollte vor jeder Herzklappenoperation der Koronarstatus erhoben werden, um interventions- und operationspflichtige Stenosen auszuschließen. Die Notwendigkeit ergibt sich zum einen daraus, dass der koronarangiographische Zugang je nach Prothese nach TAVI erschwert sein kann. Zum anderen ist das Vorhandensein und die Komplexität einer koronaren Herzerkrankung im Entscheidungsprozess zu berücksichtigen, um abwägen zu können, ob eine kombinierte Operation mit Aortenklappenersatz und koronarer Bypassanlage oder eine perkutane Koronarintervention und zweizeitige TAVI-Prozedur die bestmögliche Behandlung darstellen. Gleiches gilt für zusätzliche und therapiebedürftige Vitien der Atrioventrikularklappen oder der Aorta thoracalis. Das herzchirurgische Dogma, zur Reduktion von Re-Eingriffen bei einer notwendigen Sternotomie möglichst alle Pathologien simultan zu versorgen, sollte auch im Rahmen der TAVI-Evaluation berücksichtigt werden, bzw. es sollten sinnvolle Therapiemöglichkeiten für zunächst unversorgte kardiale Begleiterkrankungen bestehen.
- Bei der TAVI wird mittels Herzkatheter und Stent eine biologische Klappe in den Klappenring positioniert.
- Vorteil bei biologischen Klappen ist der Verzicht auf Antikoagulation, Nachteil die kürzere Haltbarkeit.
- Günstig für eine TAVI sind trikuspidale Klappen.

Emanuel Heil
Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (9) Seite 32-35