Die COVID-19-Infektionen explodieren. Bei den meisten Menschen, die einen vollständigen Impfschutz haben, liegt die letzte Impfung inzwischen einige Monate zurück. "Bin ich noch ausreichend geschützt oder sollte ich mich zeitnah um eine Booster-Impfung bemühen?", lautet derzeit die zentrale Frage. Kein Wunder, dass Antikörpertests hoch im Kurs stehen. Doch können sie diese Fragen sicher beantworten und welche verschiedenen Testarten stehen überhaupt zur Verfügung? Wir haben uns informiert und außerdem ein neueres Point-of-Care-Verfahren im Verlag getestet.

Seit September ist die Nachfrage nach Antikörpertests auf SARS-CoV-2 rasant gestiegen. Im bayerischen MVZ Labor Passau GbR werden derzeit pro Tag über 1.000 Tests durchgeführt. Laborarzt Dr. med. Ebbo Schnaith erklärte die Unterschiede der einzelnen Verfahren:

  1. N-Protein-spezifische Antikörpertests: Sie weisen Antikörper gegen das virale Nukleokapsid-Protein nach. Diese Antikörper werden nur nach einer Infektion gebildet und nicht nach einer Impfung.
  2. S-Protein-spezifische Antikörpertests: Sie weisen Antikörper gegen das virale Spike-Protein nach und werden sowohl nach einer Infektion als auch nach einer Impfung gebildet.
  3. RBD-spezifische Antikörpertests: Sie weisen Antikörper gegen die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) des S-Proteins nach.
  4. Surrogat-Neutralisationstests: Sie weisen Antikörper nach, die die Bindung des Virus an den ACE2-Rezeptor blockieren und damit dessen Eintritt in die Zelle, sogenannte neutralisierende Antikörper.

Was man bei den Labortests beachten muss: Jeder hat seinen eigenen Cut-off, deshalb kann man die Titerhöhen verschiedener Tests nicht miteinander vergleichen. Vor ein paar Monaten hat man als Standard-Einheit BAU/ml eingeführt, d. h. Binding Antibody Units. Das Passauer Labor verwendet u. a. den Test der Firma Roche gegen das Spike-Protein (Nr. 2), der auf der Basis des Elektrochemilumineszenz-Verfahrens (ECLIA) arbeitet. Der Vorteil: Die Ergebnisse lassen sich 1:1 in BAU/ml umrechnen.

Ablauf und Kosten

In der Regel führt die Ärzt:in die Blutabnahme durch und sendet die Probe ins Labor. Für die Testung gegen das Spike-Protein (Nr. 2) beispielsweise kann das Labor als 1-fache GOÄ-Leistung bzw. IGeL-Leistung 17,50 Euro berechnen. Hinzu kommen die Kosten für die Blutentnahme in der Arztpraxis. Die Antikörperbestimmung nach einer Impfung bei einem Gesunden, d. h. ohne Bezug zu einer klinischen COVID-19-Symptomatik, ist keine Kassenleistung. Das Ergebnis liegt oft noch am selben Tag vor. Sensitivität und Spezifität der Tests sind hoch und betragen über 98 %, so Dr. Schnaith.

Auch Surrogat-Neutralisationstests werden in Passau durchgeführt (Nr. 4), sie sind aber teurer und kosten ca. 50 Euro.

Neben den Tests, die mit Hilfe großer Geräte in Labors durchgeführt werden, gibt es noch Point-of-Care-Tests (Schnelltests), die recht einfach zu bedienen sind und in Arztpraxen oder Apotheken durchgeführt werden können. Der Vorteil: Das Ergebnis liegt dann bereits nach 15 Minuten vor. Ein derartiges Verfahren haben wir im Verlag getestet (s. u.).

Was verrät das Ergebnis?

Viele Menschen, die bereits zweimal geimpft sind, möchten spätestens jetzt, wo bereits die 3. Impfung ansteht, wissen, wie gut sie geschützt sind. Diese Frage können Antikörpertests allerdings nur eingeschränkt beantworten, so Dr. Schnaith. Denn zurzeit weiß man nicht genau, wo die Grenzen liegen, d. h. bei welchen Antikörpertitern ein ausreichender Schutz anfängt und bei welchem Titer vielleicht sogar auf eine Booster-Impfung verzichtet werden könnte. "Die meisten Antikörpertiter des o. g. Roche-Tests liegen je nach zeitlichem Abstand nach einer Impfung bei uns in einem Bereich zwischen 50 und 2.500 BAU/ml", berichtete Dr. Schnaith. Das ist eine sehr breite Range, wobei sich von einem solchen Wert keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Immunität ziehen lassen. Was man aber sagen kann: Die Wahrscheinlichkeit, gut geschützt zu sein, ist umso höher, je höher der Titer ist. Unterhalb eines Titers von 100 BAU/ml würde Dr. Schnaith zu einer Booster-Impfung raten und bei Titern von über 1.000 ist seiner Meinung nach wohl von einem sehr guten Schutz auszugehen. Dann könnte man sich mit der Boosterung noch etwas Zeit lassen, muss man aber nicht unbedingt. Denn auch bei hohen Antikörpertitern kann geboostert werden, eine höhere Rate von Impfreaktionen ist dann jedenfalls nicht zu erwarten. Eindeutige Studienergebnisse zur Immunitätslage liegen bislang noch nicht vor!

Niedriger Antikörpertiter: Kein Schutz?

Sind nun Menschen mit einem Antikörpertiter unterhalb von 100 BAU/ml überhaupt nicht geschützt vor einer Infektion mit SARS-CoV-2? Das kann man so nicht sagen, erklärte Dr. Schnaith. Denn die zelluläre Immunantwort wird mit diesen Tests gar nicht erfasst. Bei einer robusten T-Zell-Aktivität wäre ein guter Schutz vorhanden, auch wenn sich aktuell im Blut wenig Antikörper nachweisen lassen. Auch die T-Zell-Aktivität kann erfasst werden mit einem T-Zell-Test. Diese Tests sind aber relativ aufwendig und kosten um die 150 Euro, sie sind als Standardtest für alle Geimpften also eher nicht geeignet. Man könnte sie aber Patient:innen empfehlen, die nach einer Infektion oder nach einer Impfung gar keine Antikörper entwickeln, um zu sehen, ob zumindest eine T-Zell-Immunität vorhanden ist.

Ist der AK-Test eine gute Idee?

Mit der Nachfrage nach Antikörpertests dürften auch Hausärzt:innen nun häufiger konfrontiert werden. Für wen macht ein solcher Test Sinn? Für eine gute Idee hält Dr. Schnaith die Testung älterer Patient:innen und Bewohner:innen von Alters- oder Pflegeheimen, aber auch von medizinischem Personal oder Personen mit einer Immunschwäche, z. B. bei einer HIV-Infektion oder bei Einnahme immunsupprimierender Medikamente (etwa nach Organtransplantation oder bei schwerer rheumatischer Erkrankung).

Generell werden Antikörpertests zwar vom RKI nicht empfohlen, sie können dem Einzelnen aber eine Auskunft darüber geben, wie er auf die Impfungen reagiert hat oder ob er nach einer Infektion noch hohe Antikörpertiter hat oder nicht. Ohne konkrete Schlüsse aus einem Wert ziehen zu können, kann man doch sagen, dass sich mit der Höhe der Antibody Units (BAU/ml) der Schutz vor einem Durchbruch nach Impfung erhöht. Und allein diese Aussage dürfte für viele Menschen Grund genug sein, die relativ überschaubaren Kosten zu investieren.

Die Ausprägung der Impfreaktionen wie Fieber und Schüttelfrost stehen in keinem Zusammenhang mit der Höhe der Antikörpertiter. Im Großen und Ganzen scheint es aber so zu sein, dass jüngere Menschen höhere Antikörpertiter entwickeln als ältere, so die Erfahrung von Dr. Schnaith.

Kirchheim testet

Wie schon erwähnt, gibt es außer den Labortests auch Point-of-Care-Verfahren, mit denen sich die Höhe der Antikörpertiter innerhalb von 15 Minuten mit Hilfe von Testkassetten und einem einfach zu bedienenden kleinen Gerät bestimmen lässt. Wir wollten genau wissen, wie diese Alternative funktioniert, und führten einen Produkttest durch mit dem InfectCheck® COVID-19 NAb, der von der Firma Concile vertrieben wird.

Gemessen wird der Titer zirkulierender neutralisierender Antikörper (NAb) gegen SARS-CoV-2. Das Wirkprinzip beruht auf der sogenannten "Sandwich-Immunochromatographie". Dazu werden Antikörper aus der Maus auf der Trägerfolie als Testlinie immobilisiert, die humane Antikörper erkennen. Eine Blutprobe aus der Fingerbeere wird dann mit einer Pufferlösung gemischt, die mit kolloidalem Gold markierte RBD-Proteinfragmente (RBD = Rezeptorbindungsdomäne) enthält. Diese Fragmente binden alle Antikörper in der Blutprobe, die gegen die RBD gerichtet sind. Im Bereich der Testlinie wird dieser Komplex durch die dort befindlichen anti-humanen IgG-Antikörper gebunden. Dadurch bildet sich eine farbige Linie. Je höher die Konzentration der neutralisierenden Antikörper, desto intensiver die Färbung.

Wir hatten 25 Testkassetten zur Verfügung. Freiwillige Testkandidat:innen zu finden war kein Problem, im Gegenteil, die Mitarbeiter:innen nahmen diese Gelegenheit sehr gerne wahr. Durchgeführt wurde der Test von zwei ärztlichen Mitarbeiterinnen des Verlags.

In der Testbeschreibung waren alle Schritte übersichtlich und klar erklärt (vgl. Abb. 1 bis 6). Zu empfehlen ist die Durchführung zu zweit, wobei sich eine Person dem technischen Part (Blutentnahme, Mischung mit der Pufferlösung, Befüllen der Testkassette) und eine andere Person der Messung, dem Stoppen der Zeit und der Dokumentation der Werte widmen kann. Wir nahmen pro Termin 6—7 Messungen vor, wobei jeweils mehrere Messungen parallel stattfanden. Jede Testkassette wurde beschriftet und einem Kurzzeitwecker zugeordnet, um den exakten Messzeitpunkt einzuhalten. Auf diese Weise benötigten wir pro Termin ca. 30 bis 40 Minuten. Die Titerhöhe lässt sich auf dem Display des sogenannten concile®α1-Readers ablesen, die Anzeige erlischt allerdings im Batteriebetrieb nach ca. 50 Sekunden. Die Messwerte werden aber gespeichert und lassen sich auf den PC übertragen. Was die Dokumentation angeht, hat Concile kurzfristige Verbesserungen des Software-Downloads angekündigt.

Testauswertung

Unter den 25 Testkandidat:innen waren 20 zweimal mit Comirnaty® (Biontech), zwei zweimal mit Moderna, zwei einmalig mit Janssen® (Johnson & Johnson) und eine mit der Kombination Astra Zeneca/Comirnaty® geimpft (Abb. 7). Die Messwerte bewegten sich innerhalb einer recht großen Range zwischen 21 BAU/ml und 1.620 BAU/ml. Allerdings lagen die meisten Werte, nämlich 15, in einem Bereich zwischen 300 und 900 BAU/ml, sechs unter 300 BAU/ml und vier über 1.000 BAU/ml. Dabei fand sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Abstand zur letzten Impfung und der Höhe des Antikörpertiters. Auch vom kalendarischen Alter ließ sich nicht unbedingt auf die Höhe der Titer schließen. Es fiel lediglich auf, dass die drei ältesten Mitarbeiter:innen (über 60) relativ niedrige Werte (um die 300 BAU/ml) hatten. Die beiden Testpersonen mit einer einmaligen Janssen-Impfung hatten beide sehr niedrige Werte von 20 bzw. 75 BAU/ml, eine Testperson mit Astra Zeneca/Comirnaty® mit 271 BAU/ml eher einen niedrigen Wert und die beiden Testpersonen mit Moderna Werte im hohen Bereich (700 bzw. 826 BAU/ml).

Fazit

Das Interesse der Mitarbeiter:innen, ihre aktuellen Antikörpertiter zu erfahren, war sehr groß. Bei den beiden Personen, die nur einmal mit Janssen geimpft worden sind, führte der Test zu einer 3. Impfung, was auch der STIKO-Empfehlung entspricht. Die Höhe des Titers lässt sich schon vor der Messung anhand der Färbung der Testlinie ungefähr abschätzen (Abb. 8). Die Testdurchführung ist einfach und erfordert kein umfangreiches Training, ist also auch in der Hausarztpraxis leicht durchführbar. Der Anbieter gibt die Testgenauigkeit mit 99,17 % (Sensitivität) und 98,67 % (Spezifität) an und empfiehlt die Abrechnung beispielsweise entsprechend GOÄ 4400 (Faktor 1,15 = 20,11 Euro) oder GOÄ 4405 (Faktor 1,15 = 53,63 Euro) als IGeL-Leistung.

ESSENTIALS - Wichtig für die Sprechstunde
  • Antikörpertests auf SARS-CoV-2 werden vom RKI nicht empfohlen und sind eine IGeL-Leistung.
  • Die Tests unterscheiden sich u. a. je nach Fragestellung (durchgemachte Infektion, Impferfolg).
  • Bei der Entscheidung für den Zeitpunkt einer Booster-Impfung können AK-Tests u. U. hilfreich sein.
  • Point-of-Care-Tests liefern das Ergebnis nach 15 min.



Autorin
Dr. Vera Seifert



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (12) Seite 18-22