Von einer pAVK betroffen sind etwa 3 – 10 % der deutschen Bevölkerung. Besonders gefährdet sind Raucher und Diabetiker. Bei Diabetikern müssen zudem einige Besonderheiten im Hinblick auf Anatomie und Therapie der pAVK beachtet werden.

Schon lange ist bekannt, dass Diabetes mellitus (DM) einer der Hauptrisikofaktoren für die Ausbildung atherosklerotischer Gefäßerkrankungen wie der koronaren Herzerkrankung (KHK) und der pAVK ist. In einer neueren amerikanischen Erhebung [1] mit über 116.000 Patient:innen, die erstmals eine Koronarangiographie erhielten und von denen 21 % an DM erkrankt waren, zeigte sich eine direkte Korrelation der Inzidenz einer pAVK zum einen zur Ausprägung einer KHK, zum anderen zum Vorliegen eines DM. So hatten bei Patient:innen ohne KHK 8,8 % der Diabetiker eine pAVK und nur 4,9 % der Nicht-Diabetiker. Bei Patient:innen mit ausgeprägter KHK lag bei 13 % der Diabetiker und 8 % der Nicht-Diabetiker eine pAVK vor. Die Daten zeigen, dass das Vorliegen eines DM mit einem erhöhten Risiko für eine pAVK assoziiert ist. Bei Diabetikern sollte daher auf das Vorliegen einer pAVK gescreent werden – vor allem, wenn eine fortgeschrittene KHK bekannt ist.

Kasuistik: Der lange Weg zur richtigen Diagnose
Der 67 Jahre alte Hubert K. ist seit vielen Jahren Diabetiker, mit den Tabletten nimmt er es nicht so genau, und zum Arzt geht er nicht so gerne. Außerdem raucht er schon von Jugend an etwa eine Schachtel Zigaretten pro Tag. Seit einigen Monaten bemerkt er Schmerzen beim Laufen vor allem links in Oberschenkel und Wade. Deshalb kann er sein Bein nicht richtig belasten und bleibt beim Gang zum Zigarettenautomaten mit dem Fuß an der Bordsteinkante hängen. Die kleine Schürfwunde, die er sich davon zuzieht, will und will nicht zuheilen. Er vermutet, dass die Schmerzen von der Wirbelsäule kommen, und stellt sich beim Orthopäden vor. Der macht eine Spritzentherapie, die aber kaum zu einer Verbesserung der Beschwerden führt. Außerdem wird die Wunde am Fuß größer. So geht Herr K. dann doch zu seiner Hausärztin, um mit ihr die Problematik zu diskutieren.

Die Hausärztin vermutet – bei entsprechendem Risikofaktorenprofil – eine periphere arterielle Verschlusserkrankung (pAVK) als Ursache der Beschwerden. Sie erhebt folgende Befunde: Poplitealpuls rechts abgeschwächt, links nicht tastbar, Fußpulse bds. nicht tastbar, beginnend nekrotisches Ulkus im Bereich der Großzehe links. Labor: HbA1c 9,4 %, CRP 25 mg/dl, GFR 35, LDL–C 167 mg/dl., Knöchel/Arm-Index (ABI) rechts 1,5, links 1,6. Bei Verdacht auf pAVK Überweisung zur Angiologin.

Die Angiologin erhebt folgende Befunde: Duplexsonographie: diffuse pAVK; V. a. hochgradige Stenose der A. femoralis superficialis (AFS) links, V. a. Stenosen aller drei Unterschenkelarterien bei Mediasklerose; Planung einer Katheteruntersuchung (Digitale Subtraktionsangiographie, DSA) in Ballondilatations-(PTA)-Bereitschaft. Im Rahmen der DSA Ballondilatation und Stentimplantation der AFS links.

Empfohlene Medikation: Duale Thrombozytenaggregationshemmung (ASS/Clopidogrel) für 4 Wochen, im Anschluss singuläre Thrombozytenaggregationshemmung lebenslang; antidiabetische Therapie mit Metformin/SGLT2-Inhibitor, Anpassung nach HbA1c, cholesterinsenkende Therapie mit Statin (Ziel-LDL 55 mg/dl).

Weitere Maßnahmen: Blutdruckkontrollen, gegebenenfalls Screening auf koronare Herzerkrankung. Gehtraining, Nikotinkarenz. Wundversorgung, gegebenenfalls antibiotische Therapie/orthopädischer Schuh.

Anatomische Besonderheiten

Mediasklerose als Sonderform der Makroangiopathie

Unter Mediasklerose versteht man eine Kalzifizierung der Gefäßmittelschicht (Media), meist im Bereich der Unterschenkelarterien. Betroffen sind vor allem Diabetiker. Die Mediasklerose führt dazu, dass sich die Gefäße mit einer Blutdruckmanschette nicht komprimieren lassen und dadurch eine Bestimmung des Knöchel/Arm-Index (ABI) nicht möglich ist oder falsch hohe Werte bestimmt werden. Als diagnostische Alternative kann in solchen Fällen die semiquantitative Methode der Oszillographie eingesetzt werden, mit der im Seitenvergleich Blutdruckamplituden erfasst und als Hinweis für eine pAVK gewertet werden können.

In einer Untersuchung von Janka [2] wiesen beispielsweise 56 (9 %) von 623 ambulanten Diabetikern eine ausgeprägte Mediasklerose der Unterschenkelarterien auf. Neben dem Befund nicht-supprimierbarer Dopplersignale wurde das Vorliegen einer Mediasklerose durch Röntgenweichteilaufnahmen verifiziert. Alle Patient:innen mit Mediasklerose erhielten zur weiteren Abklärung eine oszillographische Untersuchung, mit der bei 51 % der Verdacht auf eine pAVK erhärtet werden konnte. In dieser Studie war das Vorliegen einer Mediasklerose assoziiert mit dem Lebensalter sowie einem lange bestehenden DM. Es zeigte sich außerdem eine genetische Prädisposition durch eine Häufung der für den juvenilen DM typischen HLA-Antigene B8, B15 und B18.

Diabetischer Fuß

Durch eine Kombination aus Makro- und Mikrozirkulationsstörungen durch pAVK und zusätzlich Vorliegen einer diabetischen Neuropathie kommt es beim diabetischen Fuß – häufig nach Bagatellverletzungen – zu den typischen Ulzerationen mit hoher Infektionsrate und schlechter Wundheilung. Dem diabetischen Fußsyndrom kommt eine prognostische Bedeutung zu: Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt nur etwa 50 %. In einer Analyse von Krankenkassendaten (21.197 hospitalisierte Patienten mit DM + pAVK) zeigte sich eine gegenüber Patient:innen ohne DM signifikant höhere Mortalität und eine höhere Amputationsrate, besonders bei begleitender KHK. Bei begleitender Neuropathie zeigten nur 25 % der Patient:innen mit Diabetes und pAVK klinische Symptome. Dies erklärt, warum die pAVK bei Diabetikern häufig erst im Stadium der kritischen Extremitätenischämie bzw. des diabetischen Fußsyndroms bemerkt wird.

Therapeutische Besonderheiten

Antidiabetika

Bisher liegt keine Evidenz für eine Verbesserung der pAVK durch strenge Blutzuckerkontrolle vor. In der großen UKPDS-Studie wurde beispielsweise keine signifikante Reduktion der Amputationshäufigkeit durch eine intensive Diabetestherapie erzielt. Allerdings verringerte eine gute Glykämiekontrolle mikrovaskuläre Komplikationen, die z. B. beim diabetischen Fußsyndrom häufig eine Rolle spielen.

In der aktuellen ESC-Leitlinie zur Therapie der pAVK [3] wird daher eine strikte Glykämiekontrolle bei Diabetikern mit einem Empfehlungsgrad 1C (Expertenmeinung) gegeben.

In den großen klinischen Studien für die neuen oralen Antidiabetika wurden teilweise Endpunkte wie Amputationsrate oder auch mikrovaskuläre Ereignisse untersucht. Für den SGLT2-Inhibitor Canagliflozin zeigte sich eine erhöhte Amputationsrate [4], während dieser Effekt sich mit Dapa-
gliflozin nicht nachweisen ließ. Für Empagliflozin wurde im Rahmen der EMPA REG OUTCOME-Studie eine Subgruppenanalyse von Patient:innen mit Diabetes mellitus und pAVK (623/7022) durchgeführt. Hierbei zeigte sich neben einer signifikanten Verringerung der kardiovaskulären Ereignisrate und der Gesamtmortalität kein erhöhtes Risiko für Amputationen. Letztendlich ist unklar, ob es sich bei der gesteigerten Amputationsrate durch Canagliflozin um einen substanzspezifischen Effekt, die Limitationen einer Subgruppenanalyse, das Studiendesign oder Zufall handelt. Canagliflozin sollte demnach nicht eingesetzt werden bei Patient:innen mit Amputationsrisiko. Canagliflozin ist aber in Europa derzeit sowieso nicht auf dem Markt. GLP-1-Rezeptorantagonisten hatten in den Zulassungsstudien sämtlich keinen Einfluss auf die Amputationsrate.

Cholesterinsenkung

Patient:innen mit Diabetes und dokumentierter kardiovaskulärer Erkrankung zählen als Hochrisikopatient:innen für kardiovaskuläre Ereignisse und sollten nach aktuellen Empfehlungen (ESC-Lipidleitlinie) eine Senkung des LDL-Cholesterinspiegels von mindestens 50 % sowie zusätzlich einen Gesamt-LDL-Cholesterinspiegel von unter 55 mg/dl erreichen. Um die Ziele erreichen zu können, sollten die derzeit zur Verfügung stehenden cholesterinsenkenden Medikamente nach dem empfohlenen Stufenschema eingesetzt werden.

Antithrombotische Therapie

Eine lebenslange Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS oder Clopidogrel wird für alle Patient:innen mit symptomatischer pAVK zur Senkung der kardiovaskulären Ereignisrate empfohlen. Bei asymptomatischen Patient:innen mit pAVK wird dagegen keine Thrombozytenaggregationshemmung empfohlen. Dies gilt auch für Diabetiker: In der POPADAD-Studie [5] zeigte sich bei Patient:innen mit asymptomatischer pAVK + DM kein Vorteil einer Behandlung mit ASS versus Placebo im Hinblick auf die Kombination aus kardiovaskulären Endpunkten, Amputations- und Blutungsrate.

In der COMPASS-Studie [6] wurde bei Patient:innen mit ausgeprägter Atherosklerose eine Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem Rivaroxaban und ASS versus ASS alleine verglichen. In einer Subgruppenanalyse von Patient:innen mit versus ohne DM zeigten sich eine vergleichbare relative RR des primären Endpunkts (kardiovaskulärer Tod, MI, Schlaganfall) sowie ein vergleichbares Blutungsrisiko. Aufgrund der höheren absoluten Risikoreduktion (2,3 % vs 1,4 %) war die Anzahl der zu behandelnden Patient:innen mit DM, um einen Endpunkt zu vermeiden, über 3 Jahre niedriger (44 vs. 74). Die ESC/EASD-Leitlinie [7] empfiehlt daher eine Behandlung mit ASS + niedrigdosiertem Xarelto® für Patient:innen mit DM und pAVK ohne hohes Blutungsrisiko. Im Positionspapier der deutschen Fachgesellschaften wird eine duale antithrombotische Therapie für Patient:innen mit DM und hohem Risiko für ischämische Ereignisse empfohlen.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Die Kombination pAVK + Diabetes mellitus birgt ein besonders hohes Risiko.
  • Periphere atherosklerotische Veränderungen sind bei Diabetikern häufig diffuser und distaler und häufiger mit einer Neuropathie vergesellschaftet.
  • In der Regel gibt die Bestimmung des ABI hinreichende Anhaltspunkte für eine pAVK. Alternative bei Mediasklerose ist die Oszillographie.
  • Ein ABI-basiertes Screening wird einmalig bei der Diagnose DM empfohlen, danach alle 5–10 Jahre, wenn initial o.B.
  • Jährlich sollten Symptome abgefragt und der Pulsstatus überprüft werden.
  • Kardiovaskuläre Risikofaktoren sollen nach aktuellen Leitlinienempfehlungen behandelt werden.
  • Gehtraining ist vor allem im Rahmen überwachter Programme effektiv.
  • Gefäßerweiternde Medikamente bringen vergleichsweise wenig.
  • Amputationen können durch eine Kombination aus Antibiotika/Debridement/Revaskularisation/stufenweisem Wundverschluss häufig vermieden werden.


Literatur:
1. Kamil S, et al. Diabetes and risk of peripheral artery disease in patients undergoing first-time coronary angiography between 2000 and 2012 – a nationwide study BMC Cardiovasc Disord 19, 234 (2019). https://doi.org/10.1186/s12872-019-1213-1
2. Janka H, et al. Vasa Bd. 9 (1980) 281-285
3. ESC guidelines PAD; Eur Heart J 2017;doi 10.1093/eurheart/ehx095
4. Neal, B et al. Canagliflozin and Cardiovascular and Renal Events in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2017; 377:644-657 DOI: 10.1056/NEJMoa1611925.
5. Hess CN, et al. Circulation. 2017;135:2534–2555, https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.117.024469
6. Bhatt DL, et al. Role of combination antiplatelet and anticoagulation therapy in diabetes mellitus and cardiovascular disease: insights from the COMPASS trial. Circulation 2020; 141: 1841–54
7. Cosentino F, et al. ESC Scientific Document Group. 2019 ESC guidelines on diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases developed in collaboration with the EASD. Eur Heart J 2020; 41: 255–323 ;
8. ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice" (European Heart Journal; 2021 - doi: 10.1093/eurheartj/ehab484


Autorin

© privat
Prof. Dr. med. Christiane Tiefenbacher

Chefärztin Innere Med I Kardiologie/Angiologie/Pneumologie
Marienhospital Wesel
46483 Wesel
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert

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Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (5) Seite 38-40