Nahezu jeder wird sich gelegentlich verschlucken, zum Beispiel beim hastigen Trinken. Sind die Reinigungsreflexe wie der Hustenreflex regelrecht, bleibt ein solches Verschlucken konsequenzlos. Mit höherem Alter steigt das Risiko für eine komplikationsbehaftete Schluckstörung. In diesem Artikel werden die Diagnostik und die therapeutischen Optionen von Schluckstörungen bei älteren Personen erläutert.

Ursachen für Schluckstörungen im Alter sind einerseits altersbedingte Veränderungen der Schluckorgane und -funktionen, wie zum Beispiel Einschränkungen der Kaufunktion, verzögerte Auslösung des Schluckreflexes, verzögerte Passage im Pharynx sowie verzögerte Passage im Ösophagus. Andererseits nehmen im Alter auch Erkrankungen zu, die häufig mit Schluckstörungen einhergehen. Solche Erkrankungen sind zum Beispiel der Schlaganfall, die Demenz und neurodegenerative Erkrankungen. Gerade bei Schlaganfallpatienten tritt bei jedem zweiten Betroffenen eine vorübergehende, bei jedem vierten eine bleibende Schluckstörung auf, bei Morbus Parkinson muss in 50 % der Fälle mit einer Dysphagie gerechnet werden.

Ist trotz der altersbedingten Veränderungen ein regelrechtes Schlucken noch gut möglich, gegebenenfalls langsamer und bedachtsamer und somit die altersbedingten Veränderungen kompensierend, spricht man von einer Presbyphagie. Sind diese Veränderungen allerdings mit einem mangelhaften Bolustransport, einer laryngealen Penetration oder gar Aspiration verbunden, spricht man von einer Presbydysphagie.

Schätzungsweise 50 bis 60 % aller Pflegeheimbewohner leiden an einer relevanten Schluckstörung. Auswirkungen einer Schluckstörung sind nicht selten Mangelernährung und Flüssigkeitsmangel. Bei Aspirationen besteht ein hohes Risiko für eine eventuell lebensbedrohliche Pneumonie. Die Aspirationspneumonie ist die vierthäufigste Todesursache bei Patienten über 65 Jahre. Eine gestörte Nahrungsaufnahme (hier denke man zum Beispiel an während des Essens auftretende Hustenstöße) kann darüber hinaus eine erhebliche Beeinträchtigung des sozialen Miteinanders und der Lebensqualität bedeuten und zu Angst und Schamgefühlen führen.

Welche altersbedingten Veränderungen des Schluckaktes gibt es?

Der physiologische Schluckvorgang wird grob in fünf Phasen unterteilt, die als ineinander übergehend und miteinander gekoppelt verstanden werden müssen:
  • die präorale beziehungsweise antizipatorische Phase
  • die orale Vorbereitungsphase
  • die orale Transportphase
  • die pharyngeale Phase
  • die ösophageale Phase.

Störungen können einzeln oder in Kombination in allen diesen Phasen auftreten. Zu den Störungen der präoralen bezie- hungsweise antizipatorischen Phase gehören zum Beispiel mangelndes Hunger- oder Durstgefühl, unzureichende visuelle Erfassung der Nahrung und manuelle Unzulänglichkeiten bei der mundgerechten Zerkleinerung der Nahrung. Diese Störungen müssen selbstverständlich auch gut erfasst werden, werden im Folgenden aber nicht berücksichtigt.

Veränderungen in der oralen Vorbereitungs- und Transportphase

Mangelnde Sensorik und orale Sensibilität: Mit zunehmendem Alter lassen die Geschmacks- und die Geruchswahrnehmung sowie die orale Sensibilität nach. Zusätzlich kann der Geruchs- und Geschmackssinn durch Medikamente (u. a. Antibiotika, Antihypertensiva, Antidepressiva) beeinträchtigt sein. Für den eingeschränkten Geschmackssinn ist möglicherweise die zurückgehende Zahl von Geschmackspapillen, für das Nachlassen des Riechvermögens unter anderem vermutlich eine verminderte Aktivität in den primären olfaktorischen Hirnarealen verantwortlich. Wohl jeder vierte Mensch über 55 Jahre und zwei Drittel aller Menschen über 80 Jahre haben eine Riechstörung. Eine Riechstörung kann auch traumatisch, durch Virusinfektionen oder neurodegenerativ auftreten.

Die orale Sensibilität kann insbesondere auch durch einen Zahnersatz (Oberkiefervollprothese!) eingeschränkt sein.

Mangelnde Kaufunktion: Bei gutem Zahnstatus und guten kognitiven Fähigkeiten bleibt die Kaufunktion prinzipiell relativ lange unbeeinträchtigt. Da aber Senioren häufiger als junge Menschen einen Zahnverlust, einen sanierungsbedürftigen Zahnstatus, einen nicht mehr optimal angepassten Zahnersatz oder chronische Zahnschmerzen haben, kann die Kaufunktion oft eingeschränkt sein. Ist die Muskelkraft reduziert, brauchen ältere Menschen auch mehr Kauvorgänge zur Zerkleinerung und Vorbereitung des Speisebolus. Dies führt zu einem erhöhten Zeitbedarf für die Nahrungsaufnahme. Sinnvoll ist in der Regel die Hinzuziehung eines zahnärztlichen Kollegen.

Mangelnde Speichelproduktion: Speichel, hauptsächlich von den vier großen Kopfspeicheldrüsen produziert, ist unter anderem zur Vorbereitung und Einspeichelung des Speisebolus, zur Reinigung der Mundhöhle, zur (Re-)Mineralisierung der Zähne und zur Andauung der Nahrung notwendig.

Viele Senioren klagen über eine Xerostomie. Ursachen hierfür sind nicht nur die altersbedingten Veränderungen der Speichelproduktion, sondern auch die mit dem Alter steigende Einnahme von Medikamenten, Strahlentherapien oder auch Autoimmunerkrankungen, wie zum Beispiel das Sjögren-Syndrom. Schon alleine der im zunehmenden Alter häufiger zu beobachtende Räusperzwang ist ein Hinweis auf eine geänderte Speichelproduktion.

Sicherlich kann sich jeder das Bild eines alten, hinfälligen Menschen vorstellen, dem beim Essen die Speise halb aus dem Mund läuft. Hier handelt es sich um eine Störung der oralen Phase mit mangelnder Boluskontrolle und sogenanntem "Drooling" (mangelnde Boluskontrolle über die Lippen hinaus). Eine solch massive Störung ist zum Beispiel bei einer Gesichtsnervenlähmung nach Apoplex möglich. Die rein altersbedingten Veränderungen der Rarefizierung der Kollagen-, Muskel- und Fettstrukturen führen in der Regel nicht zum "Drooling", können aber bei anderen Schädigungen zu einer mangelnden Kompensationsfähigkeit führen.

Weiterhin ist es möglich, dass der Bolus nicht in Richtung Pharynx kontrolliert werden kann und somit zu früh bezie- hungsweise unbeabsichtigt in Richtung Larynx abgleitet. Dieses Phänomen wird als "Leaking" bezeichnet. Ein vermehrtes "Leaking" ist möglicherweise dadurch begründet, dass im Alter die tonische Kontraktionskraft der Zunge abnimmt, weniger aber der maximale Zungendruck. Dies würde auch erklären, dass sich ältere Menschen eher an Flüssigkeiten als an festen Speisen verschlucken.

Veränderungen in der pharyngealen Phase

Die pharyngeale Phase beginnt mit der Auslösung des Schluckreflexes und endet, wenn der Bolus durch die obere Speiseröhrenöffnung durchgetreten ist. Diese Phase ist besonders kritisch, da gleichzeitig der Kehlkopf eleviert und verschlossen und der obere Ösophagussphinkter geöffnet werden muss. Dadurch werden die Atemwege unterhalb des Kehlkopfes vor dem Eindringen von Nahrungsbestandteilen geschützt und eine Aspiration vermieden. Funktioniert diese Trennung der Atem- und Schluckwege nicht, kann es zu einer lebensbedrohlichen Aspirationspneumonie kommen.

Im Alter verändern sich Struktur und Funktion des Pharynx. Typischerweise vergrößert sich der Abstand zwischen Hyoid und Larynx, zwischen Atlas und Hyoid und zwischen der Spina nasalis posterior und dem Oberrand der Epiglottis. Gleichzeitig sinkt der Tonus im Pharynxschlauch, sodass insgesamt der Bolustransport verlängert und erschwert sein kann. Eventuell führt dies zu einer inkompletten Ösophagusklärung.

Bei über 30 % der älteren Patienten zeigen radiologische Untersuchungen eine Einengung des Übergangs Pharynx/Ösophagus, die als "cricopharyngeal bar" (CPB) bezeichnet wird. Dies führt auch zu einer Reduzierung der Öffnung des oberen Ösophagussphinkters. Möglicherweise berichten Patienten dann, dass ihnen Tabletten im Halse stecken bleiben. Ein CPB wird bei einer endoskopischen Untersuchung typischerweise übersehen. Eine Röntgenbreischluckuntersuchung ist daher erforderlich. Diese ist auch sinnvoll, um eventuell ein Zenker-Divertikel (Aussackung im Laimerschen Dreieck) zu entdecken. Beide Veränderungen können eine Dysphagie hervorrufen.

Bei älteren Menschen ist die pharyngeale Passagezeit im Vergleich zu jüngeren verlängert, auch die sonst zu beobachtende Bolusbeschleunigung im Hypopharynx fehlt. Grundsätzlich könnte durch verlängerte Passagezeiten das Aspirationsrisiko erhöht werden, da der Speisebolus länger im Pharynxbereich bleibt. Möglicherweise ist dies aber auch als Adaptation zur besseren Boluskontrolle an die im Alter veränderte Funktion zu interpretieren.

Gleichzeitig kann die diffizile Koordination zwischen Larynxelevation, Kehlkopfverschluss und Öffnung des oberen Öso- phagussphinkters beeinträchtigt sein. Nachgewiesen werden konnten Veränderungen sowohl der sensorischen als auch der motorischen Innervation des Pharynx. Vermutlich bewirken solche Defizite einerseits eine mangelnde sensorische Rückkopplung zur Boluskontrolle und andererseits eine gestörte Koordination der Boluspropulsion.

Veränderungen in der ösophagealen Phase

Der sogenannte Presbyösophagus ist gekennzeichnet durch tertiäre Kontraktionen der Ösophagusmuskulatur, Aperistaltik, verlängerte Ösophagusklärungszeiten und Dilatationen des Ösophagus. Motilitätsstörungen des Ösophagus sollten jedoch nicht einfach als altersbedingt abgetan werden, sondern auch andere solche Störungen verursachende Erkrankungen, wie die Achalasien, in die differenzialdiagnostischen Überlegungen eingeschlossen werden.

Diagnostik

Eine gründliche Anamneseerhebung ist häufig schon wegweisend, wenn es darum geht, Störungen im hochkomplexen Vorgang des Schluckens zu erkennen. In unserer täglichen Routine hat es sich bewährt, strukturierte Fragebögen zu ver-wenden. Es kann durchaus sinnvoll sein, auch die Angehörigen zu befragen. Ältere Menschen geben häufig an, zum Teil auch aus Scham, keine Probleme mit der Nahrungsaufnahme zu haben. Erst bei genauerem Nachfragen stellt sich dann vielleicht doch heraus, dass sie vorsichtiger schlucken, kleinere Boli aufnehmen, nachschlucken müssen, Flüssigkeiten zum Schlucken beziehungsweise zum Transport fester Nahrungsbestandteile hinzunehmen oder bestimmte Speisen ganz meiden. Auch ist die Frage zu stellen, ob Medikamente beziehungsweise Tabletten problemlos eingenommen werden können.

Eine daran anschließende Inspektion der am Schluckvorgang beteiligten Strukturen kann eine Beeinträchtigung in der oralen Phase erkennen lassen. Die Lippenkraft zu prüfen ist in der Regel entbehrlich, da die anamnestischen Angaben schon ausrei- chend sind. Die Auslösung des Schluckreflexes lässt sich bei einer Inspektion des Mundraums und Oropharynx problem- los überprüfen.

Die tieferen Abschnitte des Pharynx können in der Regel nur von einem Arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde bezie- hungsweise Phoniatrie beurteilt werden. Bei der Inspektion mit der starren Optik (Laryngoskopie/Stroboskopie) lässt sich neben dem Hypopharynx auch der Larynx in Struktur und Funktion beurteilen.

Im nächsten Schritt wird eine Schluckdiagnostik im engeren Sinne durchgeführt. Die videoendoskopisch kontrollierte Schluckdiagnostik und die Videofluoroskopie des Schluckaktes gelten als Goldstandard. Da beide Verfahren eine un- terschiedliche Aussagekraft haben, wird es sich häufig anbieten, beide Verfahren einzusetzen. Die sogenannten klinischen Schluckprüfungen können wertvolle Hinweise geben, die beiden erstgenannten Verfahren aber nicht ersetzen. Relativ neu ist die Hochauflösungsmanometrie des Pharynx und oberen Ösophagussphinkters. Mit dieser Methode konnten schon interessante Ergebnisse, insbesondere bei neurogenen Pharynxstörungen, gewonnen werden.

Therapie

Nicht jedem Patienten mit einer Presbydysphagie kann zufriedenstellend geholfen werden. Aber es gibt eine Reihe hilfreicher therapeutischer Ansätze. Diese sind nicht spezifisch für die Presbydysphagie, sondern sie werden auch bei anderen dysphagischen Patienten eingesetzt.

Kasten 1: Zwölf Gebote bei Schluckstörungen im Alter
  1. Auf möglichst gute aufrechte Haltung achten.
  2. Nahrungskonsistenz optimal auswählen.
  3. Patient am Essen riechen lassen.
  4. Kleine Bissen, gegebenenfalls Häppchen servieren.
  5. Zeit lassen!
  6. Mund nach jedem Bissen leeren.
  7. Eventuell Hilfsmittel nutzen, wie geeignetes Besteck oder Geschirr.
  8. Auf passende Rahmenbedingungen beim Essen achten (kein gleichzeitiges Fernsehen ...).
  9. Regelmäßig Temperatur und Gewicht kontrollieren.
  10. Auf gute Zahnhygiene achten.
  11. Es ist wichtig, die Angehörigen zu beraten.
  12. Gegebenenfalls ist rechtzeitig das Legen einer PEG-Sonde in Erwägung zu ziehen.


Zu nennen sind hier insbesondere die Diätmodifikationen einschließlich Konsistenzmodifikationen, Übungen zur Haltungsänderung und zu speziellen Schluckmanövern, Reflexstimulation und andere. Seit mehreren Jahren wird untersucht, ob nicht auch eine gezielte Elektrostimulation als zusätzliche Therapiemaßnahme sinnvoll sein kann; kommerziell erhältliche Geräte für diese Art von Therapie sind bereits auf dem Markt.

Grundsätzlich kommt dem Arzt schon beim ersten Patientenkontakt eine sehr wichtige Aufgabe zu: Er muss nicht nur klären, an welcher Stelle eine Störung des hochkomplexen Schluckvorgangs vorliegt, sondern bereits ganz am Anfang den Betroffenen die Angst und Scheu nehmen, offen über die Probleme zu sprechen, und ihnen Mut machen, mit therapeutischen Maßnahmen gegen die Defizite anzugehen. In der Regel ist auch die Einbeziehung von Angehörigen nützlich bezie-hungsweise unerlässlich.

In Kasten 1 findet sich eine Liste von Ratschlägen, die die Nahrungsaufnahme vereinfachen können. Die klinische Routine zeigt, dass selbst die Umsetzung solch einfacher Ratschläge leider manchmal sehr schwierig sein kann.

Fazit für die Praxis

Presbydysphagien nehmen aufgrund des demografischen Wandels zu. Wegen der möglicherweise lebensbedrohlichen Konsequenzen muss der behandelnde Arzt zuverlässig zwischen präexistenten presbyphagischen Veränderungen und anderen Dysphagieursachen differenzieren. Wesentliche altersbedingte Veränderungen sind:
  • reduzierte Schleimhautsensibilität
  • eingeschränkte Speiseboluskontrolle
  • verzögerte Schluckreflextriggerung
  • inkomplette pharyngeale Reinigungsfähigkeit
  • eingeschränkte Öffnung des oberen Ösophagussphinkters.

Diese Veränderungen können zu einer eingeschränkten Sicherheit und Effektivität des Schluckaktes führen, sodass eine Penetrations- und Aspirationsgefahr einerseits und eine Mangelernährung andererseits drohen.

Ältere Patienten können diese Veränderungen zunächst recht gut kompensieren, bemerken sie eventuell auch nicht oder negieren sie sogar.

Nach der Befunderhebung und Diagnosestellung ist es sinnvoll, die Befunde an andere Behandler beziehungsweise Un- tersucher zu kommunizieren. Es ist unerlässlich, dass diejenigen, die die Diagnose stellen und Defizite beschreiben, eine fundierte Kenntnis über die therapeutischen Möglichkeiten haben.

Typischerweise umfasst die Therapie mehrere Säulen wie Kostanpassung, Haltungsänderungen, Schluckreflexstimulation, Ernährungsberatung, eventuell Umstellungen speichelreduzierender Medikamente sowie bei Bedarf eine Zahnsanierung und/oder die Neuanfertigung von Zahnprothesen.

Aufgrund der extrem hohen Relevanz der Presbydysphagie ist eine enge interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Hausarzt, HNO-Arzt, Phoniater, Gastroenterologen, Zahnarzt und Logopäden unter Einbeziehung von Angehörigen und/oder Pflegepersonal wünschenswert und häufig auch unerlässlich.


Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 4/2018



Autor:

Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Ptok

Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie
Medizinische Hochschule Hannover
30625 Hannover

Interessenkonflikte: Der Autor erhielt Drittmittel von DFG, AIF, BMBF, BMWI, EFRE/EU und Reisebeihilfen von Physiomed. Erhaltene Drittmittel haben keinen Einfluss auf Inhalte dieses Beitrags.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (19) Seite 16-20