Häufig stellen sich Patienten mit einem Schlaganfall primär beim Hausarzt vor, gerade bei schwierig einzuordnenden Symptomen. Die Ursache muss schnell erkannt und sofort eine zielgerichtete Therapie in einer stationären neurologischen Abteilung eingeleitet werden – nach dem Grundsatz: "Time is Brain". Nach der Behandlung des akuten Geschehens wird der Schlaganfall meist zur chronischen Erkrankung und fordert im ambulanten Bereich die interdisziplinär vernetzte Zusammenarbeit von Hausärzten, Neurologen, Fachtherapeuten und weiteren Akteuren.

In einer Gesundheitsumfrage des Robert Koch-Instituts gaben 1,6 % der für Deutschland repräsentativen Befragten an, in den vergangenen 12 Monaten einen Schlaganfall erlitten oder mit chronischen Beschwerden nach Apoplex gekämpft zu haben [1].
In den letzten Jahren konnten moderne Verfahren zur Wiedereröffnung verschlossener Hirngefäße in Kombination mit einer hierzulande fast flächendeckenden Etablierung von Behandlungseinheiten, die auf Schlaganfälle spezialisiert sind ("Stroke Units"), die Versorgung entscheidend verbessern [2]. Dennoch: Der Apoplex gehört weltweit zu den drei häufigsten Todesursachen und zieht bei einem Überleben oft bleibende Beeinträchtigungen nach sich (Einschränkungen in der Alltagskompetenz, verminderte gesellschaftliche Teilhabe) [3].

Definition und Symptomatik

Unter dem Überbegriff "Schlaganfall" werden sowohl Hirninfarkte (ischämische Schlaganfälle) als auch intrazerebrale Blutungen (hämorrhagische Schlaganfälle) zusammengefasst [2]. Gemeinsam sind beiden Entitäten die Minderversorgung von Hirnarealen mit Sauerstoff und Glukose und der konsekutive Zelluntergang als pathophysiologische Endstrecke. Abzugrenzen davon bleibt die transitorisch-ischämische Attacke (TIA), die durch eine passagere Ischämie, eine zeitlich begrenzte neurologische Symptomatik und eine in der zerebralen Bildgebung fehlende Läsion charakterisiert ist [4]. Mit einem Anteil von 80 % ist die ischämische Variante des Schlaganfalls gegenüber der in circa 20 % der Fälle vorliegenden intrazerebralen Blutung die deutlich häufigere Erkrankung.

Je nach Lokalisation und Ausmaß der Schädigung ist das klinische Bild des Hirninfarkts höchst variabel. Am häufigsten handelt es sich um einen Gefäßverschluss im Versorgungsgebiet der A. cerebri media, der mit einer kon-tralateralen Halbseitenschwäche (Hemiparese) – mit oder ohne Einbeziehung der fazialen Motorik (faziale Parese) –, einer halbseitigen Sensibilitätsstörung (meist Hypästhesie beziehungsweise Hypalgesie), einer Sprach- oder Sprechstörung (Aphasie, Dysarthrie) einhergeht. Diagnostisch herausfordernder präsentieren sich Gefäßverschlüsse im Bereich der A. cerebri anterior, bei denen es zum Teil isoliert zu einer motorischen Beeinträchtigung der kontralateralen unteren Extremität kommt. Besondere Anforderungen an den Behandler stellen Gefäßverschlüsse im vertebrobasilären Versorgungsgebiet (A. vertebralis, A. cerebri posterior, A. basilaris und deren pontine beziehungsweise zerebellären Äste). Die Bandbreite der Symp-tome reicht hier von der hochgradigen Hemiparese oder Koordinationsstörung (Ataxie) und einer Minderung des Bewusstseins bis zu lediglich diskreten Einschränkungen der Okulo- und Pupillomotorik beziehungsweise anderer Hirnnervenfunktionen. Auch wenig spezifische Beschwerden wie Schwindel und Schluckstörungen treten auf. Entgegen der intuitiven Annahme, eine stark ausgeprägte neurologische Symptomatik müsse durch ein großes Infarktareal hervorgerufen werden, kann diese auch durch eine kleine, aber strategisch gelegene Läsion (z. B. im Bereich des Hirnstamms oder der Capsula interna) vermittelt sein [5]. Auch daraus leitet sich die Dringlichkeit der raschen bildgebenden Diagnostik ab.

Praktisches Vorgehen

Ergibt sich aus der gezielten Anamnese und der klinischen Untersuchung der Verdacht auf einen Schlaganfall, sollte der Arzt unverzüglich – auch unter Nutzung des Rettungsdiensts – die Einweisung in ein Krankenhaus mit vorhandener Stroke Unit forcieren. Parallel sollte er die respiratorische Situation und die Kreislaufverhältnisse überprüfen. Entgegen der weit verbreiteten Meinung ergibt sich in der Akutsituation – mit Ausnahme schwerer hypertensiver Entgleisungen – kein Grund für eine Senkung des meist erhöhten Blutdrucks [6]. Nur bei eingeschränkter peripherer Sauerstoffsättigung als Hinweis auf eine Hypoxämie empfiehlt sich die Sauerstoff-Applikation über eine Nasenbrille [12]. In der Akutsituation gilt es vor allem Ruhe zu bewahren. Damit lässt sich dem Betroffenen auch gut vermitteln, dass die beabsichtigte rasche Krankenhauseinweisung der vermutlich wichtigste Schritt in der frühen Behandlungskette des Schlaganfalls ist.

Akutdiagnostik und -therapie

Der zerebralen Bildgebung kommt bei der Behandlung des Schlaganfalls eine entscheidende Bedeutung zu. In der Regel handelt es sich um eine native Computertomographie (CT), die durch eine CT-Angiographie der hirnversorgenden Gefäße ergänzt wird. Hierdurch lässt sich einerseits der ischämische vom hämorrhagischen Schlaganfall abgrenzen, andererseits kann die genaue Lokalisation des Gefäßverschlusses als Grundlage der weiteren Therapie erfolgen. Die bei einem Hirninfarkt auf die Wiedereröffnung verschlossener Gefäße
abzielende Akuttherapie beinhaltet in der Regel eine systemische (intravenöse) Thrombolyse mittels rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator. Zu beachten sind dabei zahlreiche Kontraindikationen, die mit einer erhöhten Blutungsgefahr einhergehen (z. B. aktive Tumorerkrankung, Einnahme gerinnungsmodifizierender Medikamente), sowie das vergleichsweise enge Zeitfenster von maximal 4,5 Stunden zwischen dem Symptombeginn und dem Start der systemischen Thrombolyse [8].

Auch wenn diese zeitliche Begrenzung oft Gegenstand aktueller Diskussionen ist [9], handelt es sich bei der systemischen Thrombolyse doch immer um eine individuelle Entscheidung, die von der Anamnese, dem klinischen Zustand und der bildgebenden Diagnostik abhängt und unter Einbeziehung von erfahrenen Neurologen, die auch mit Komplikationen der Thrombolyse vertraut sind, durchgeführt werden sollte. Bei proximalen Gefäßverschlüssen werden in entsprechend ausgestatteten Behandlungszentren zudem endovaskuläre Behandlungsverfahren (die sogenannte mechanische Thrombektomie) eingesetzt [10]. Neuere Studien konnten zeigen, dass in ausgewählten Fällen eine endovaskuläre Behandlung bis zu 24 Stunden nach dem Symptombeginn mit positiven Effekten verbunden ist [11], sodass im Umkehrschluss für alle Patienten mit einer Schlaganfallsymptomatik auch in diesem Zeitfenster die Möglichkeit der Akuttherapie unter neurologischer Mitbeurteilung geprüft werden sollte.

Stationäre Behandlung

Während des Aufenthalts des Patienten auf der Stroke Unit werden engmaschig die Vitalparameter und der Herzrhythmus überwacht und regelmäßig klinische und laborgestützte Untersuchungen vorgenommen, um Veränderungen im neurologischen Befund sowie Komplikationen wie Harnwegsinfektionen und Pneumonien frühzeitig identifizieren und gezielt behandeln zu können [12].
Auch baldige physio- und ergotherapeutische Interventionen sowie eine logopädische Diagnostik und Behandlung sollten erfolgen [7].
Ursachenklärung und Analyse des individuellen Risikoprofils stehen zudem im Fokus der Stroke-Unit-Behandlung. Hierzu gehört meist die Überprüfung des Lipid- und Kohlenhydratstoffwechsels, die Duplexsonografie der hirnversorgenden Gefäße sowie die entsprechende kardiale Diagnostik, die neben der Detektion struktureller Herzerkrankungen (Echokardiografie) eine gezielte Rhythmusdiagnostik (12-Kanal- und Langzeit-EKG) zur Feststellung von Vorhofflimmern beinhaltet. In Einzelfällen wird die Diagnostik auch hinsichtlich seltener Ursachen des Schlaganfalls, wie Vaskulitiden, entzündliche Erkrankungen oder Dissektionen der hirnversorgenden Gefäße, ausgeweitet.

Schlaganfallnachsorge

An die Akutbehandlung schließt sich in der Regel eine intensive ambulante oder stationäre Rehabilitation an, bei der neben einer fortgesetzten Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie auch eine neuropsychologische Behandlung vielfach einen festen Stellenwert einnimmt.

Bei der weiteren nachsorgenden Behandlung ist die Koordination im Rahmen der hausärztlichen Versorgung entscheidend (vgl. Abb.). In Deutschland gibt es bisher keine strukturierte Nachsorge, etwa im Sinne eines Disease-Management-Programms (DMP). Im Mittelpunkt der individuellen Nachsorge sollte neben der Weiterverordnung der medikamentösen Sekundärprophylaxe die weitere Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren stehen. Hierzu gehören die Behandlung der arteriellen Hypertonie und des gestörten Lipid-/Glukosestoffwechsels, Empfehlungen zur Reduktion eines etwaigen Alkohol- und/oder Nikotinkonsums sowie ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung. Entscheidend ist auch das frühzeitige Erkennen von Schlaganfall-Folgeerkrankungen wie der Post-Stroke-Depression, struktureller Epilepsien und vor allem erneuter zerebrovaskulärer Ereignisse. Auch sollten der fachtherapeutische Behandlungsbedarf und die Notwendigkeit von Heil- und Hilfsmitteln abgeschätzt und diese ggf. verordnet werden. Um diese vielschichtigen Herausforderungen per-
spektivisch zu unterstützen, beschäftigen sich einzelne Pilotprojekte, z. B. im Raum Ostwestfalen-Lippe (www.stroke-owl.de), Ludwigshafen (www.sano-studie.de), Dresden (SOS-Care) und Leipzig (www.post-stroke.net), mit Nachsorgekonzepten unter Nutzung sogenannter Schlaganfalllotsen und moderner Informationstechnologien.

Fazit für die Praxis

  • Als häufige Krankheitsbilder sind ischämische und hämorrhagische Schlaganfälle sowie die TIA für alle an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte relevant.
  • Die klinische Präsentation ist je nach Lokalisation der zerebralen Läsion hoch variabel, sodass mitunter eine gezielte neurologische Untersuchung zur Erhärtung des Verdachts notwendig ist.
  • Der Grundsatz "Time is Brain" verdeutlicht die Notwendigkeit des schnellen Handelns. Auch bei einem überschrittenen Zeitfenster von 4,5 Stunden nach Symptombeginn können gezielte Maßnahmen ergriffen werden, weswegen auch dann Eile geboten ist.
  • Der Bereich der Schlaganfallnachsorge stellt aktuell eine große Herausforderung dar, weil strukturierte Konzepte fehlen und die interdisziplinäre Schnittstellenbildung notwendig erscheint, um eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen.

Literatur:
1. Busch MA, Kuhnert R. 12-Monats-Prävalenz von Schlaganfall oder chronischen Beschwerden infolge eines Schlaganfalls in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2017; 2: 70-76.
2. Donnan GA, Fisher M, Macleod M, et al. Stroke. Lancet. 2008; 371: 1612-1623.
3. Lozano R, Naghavi M, Foreman K, et al. Global and regional mortality from 235 causes of death for 20 age groups in 1990 and 2010: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2010. Lancet. 2012; 380: 2095-2128.
4. Sacco RL, Kasner SE, Broderick JP, et al. An updated definition of stroke for the 21st century: a statement for healthcare professionals from the American Heart Association/American Stroke Association. Stroke 2013; 44: 2064-2089.
5. Regenhardt RW, Das AS, Lo EH, et al. Advances in Understanding the Pathophysiology of Lacunar Stroke: A Review. JAMA Neurol 2018; 75: 1273-1281.
6. Bösel J. Blood pressure control for acute severe ischemic and hemorrhagic stroke. Curr Opin Crit Care 2017; 23: 81-86.
7. Bernhardt J, Godecke E, Johnson L, et al. Early rehabilitation after stroke. Curr Opin Neurol 2017; 30: 48-54.
8. Ringleb, P, Veltkamp R. Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls – Ergänzung 2015 – Rekanalisierende Therapie – Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Herausgegeben von der Kommission "Leitlinien" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. lt. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, Aufl. 5, 2012
9. Tsivgoulis G, Katsanos AH, Malhotra K, et al. Thrombolysis for acute ischemic stroke in the unwitnessed or extended therapeutic time window. Neurology, im Druck (doi:10.1212/ WNL.0000000000008904)
10. Goyal M, Menon BK, van Zwam WH, et al. Endovascular thrombectomy after large-vessel ischaemic stroke: a meta-analysis of individual patient data from five randomised trials. Lancet 2016; 387: 1723-1731.
11. Nogueira RG, Jadhav AP, Haussen DC, et al. Thrombectomy 6 to 24 Hours after Stroke with a Mismatch between Deficit and Infarct. N Engl J Med 2018; 378: 11-21.
12. Diener HC, Weimar C (Hrsg.): Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, Herausgegeben von der Kommission "Leitlinien" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Thieme Verlag, Stuttgart, September 2012



Autoren:

Alexander Prost


Prof. Dr. med. Dominik Michalski

Universität Leipzig / Medizinische Fakultät
Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Neurologie
04103 Leipzig

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (10) Seite 22-24