Für medizinische Einrichtungen vom Krankenhaus bis zur Hausarztpraxis gelten umfangreiche und detaillierte Hygienevorschriften, die in einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen definiert werden. Ihre Einhaltung wird von den örtlichen Gesundheitsbehörden kontrolliert. Professionelle Dienstleister bieten Praxisinhabern Unterstützung in Form von Beratung, Planung und Schulungen an.

Um Praxismitarbeiter und Patienten vor Infektionskrankheiten zu schützen, sind Arztpraxen durch Gesetzgeber und Berufsgenossenschaften aufgefordert, strenge Anforderungen an Hygiene und Arbeitsschutz einzuhalten. Routinemäßig oder anlassbezogen überprüfen Gesundheitsämter die Einhaltung dieser Vorschriften durch eine mehrstündige Begehung.

Die Erfahrungen bei Hygieneberatung und Hygienemanagement in niedergelassenen Arztpraxen zeigen, dass einerseits die Anforderungen an die Hygiene durch die wachsende Bedeutung der ambulanten Versorgung mit speziellen Behandlungsmethoden und die Zunahme von immunsupprimierten Patienten (3-MRGN und 4-MRGN, MRSA) größer werden.

Auf der anderen Seite steht die gestiegene Erwartungshaltung von Patienten und deren Angehörigen im Hinblick auf hygienerelevante Aspekte. Dazu kommen die Forderungen, welche aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen erwachsen. All dies führt in weiten Teilen der niedergelassenen Ärzteschaft zu einer Resignation und dem Verweilen im Status quo. Das Ergebnis deutschlandweiter Praxisbegehungen zeigt oft ein Wissensdefizit in der Umsetzung der geforderten Hygienestandards und Unsicherheit des Praxispersonals über die Durchführung entsprechender Maßnahmen.

Hygiene: Viele sind zuständig

Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) nimmt bei der Überwachung der Hygienestandards eine übergeordnete Stellung ein und ist für die Abwehr von Gesundheitsgefahren durch die kontinuierliche Verbesserung der Sicherheit maßgeblich beteiligt. Zuständigkeiten für die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen liegen unter anderem bei BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, RKI (Robert Koch-Institut), KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention), Gesundheitsämtern, Regierungspräsidien und den Ämtern für Arbeitsschutz. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich in IfSG (Infektionsschutzgesetz), Medizinproduktegesetz, Arzneimittelgesetz, SGB V (Sozialgesetzbuch), Richtlinien und Empfehlungen des RKI, Biostoffverordnung, Gefahrstoffverordnung, berufsgenossenschaftlichen Vorschriften, Hygieneverordnungen der Länder und den DIN/EN-Normen.

Bei den gesetzlichen Anforderungen hat sich sehr viel verändert. Mit der Novellierung des IfSG im Juli 2011 und den Regelungen in dessen § 23 (Nosokomiale Infektionen, Resistenzen) ergibt sich ein Handlungsbedarf für medizinische Einrichtungen. Besonders sind die daraus resultierenden Hygieneländerverordnungen zu berücksichtigen. Durch sie werden ambulant operierende Einrichtungen, Dialyseeinrichtungen und invasiv arbeitende Einrichtungen im Bereich der niedergelassenen Arztpraxen aufgefordert, durch geeignete Strukturen den neuen Anforderungen gerecht zu werden. So müssen unter anderem hygienebeauftragte Ärzte beschäftigt werden, zum Teil muss sogar eine Hygienekommission implementiert und eine externe Hygieneberatung durch sogenannte Krankenhaushygieniker gewährleistet werden. Jährliche Hygieneschulungen und Unterweisungen sind ebenfalls durchzuführen.

So wird überwacht

Eine Überwachung durch die Gesundheitsämter erfolgt anlassbezogen oder routinemäßig. Die gesetzlichen Regelungen lassen eine unangekündigte Überprüfung der Arztpraxen zu, in der Regel ist aber eine Ankündigung üblich. Bei den sogenannten Schwerpunkt-Überprüfungen wird ein Selbstauskunftsbogen der Arztpraxis angefordert. Dieser beinhaltet, die Risikobewertung der Medizinprodukte, den gültigen Hygieneplan, den Reinigungs- und Desinfektionsplan sowie die Aufzeichnungen für die Wundinfektionen/nosokomialen Infektionen zur Verfügung zu stellen. Anlassbezogenen Begehungen liegen meist Anzeigen von Mängeln durch Patienten oder Angehörige zugrunde.

Am Begehungstag selbst werden die Strukturqualität, die Prozessqualität und die Ergebnisqualität umfangreich abgefragt und überprüft (siehe Kasten). Je nach Praxisprofil dauert eine Begehung drei bis vier Stunden. Am Ende der Begehung wird ein Abschlussgespräch durchgeführt. Bei der Begehung entdeckte Mängel können zu erheblichen Konsequenzen führen. Sollten sogar patientengefährdende Zustände herrschen, können Teilbetriebsuntersagungen oder – im extremsten Fall – Betriebsuntersagungen ausgesprochen werden.

Damit es nicht so weit kommt, bieten spezialisierte Medizindienstleister neutrale Beratung und Unterstützung an. Dazu gehören die Hygienestatus-erhebung in den Praxisräumen mit abschließendem Bericht, die Erstellung von Hygieneplänen, Desinfektionsplänen, Handschuh- und Hautschutzplänen, bundesweite produktneutrale Hygieneschulungen (auf Wunsch auch vor Ort), komplettes Hygienemanagement oder einzelne Module, die Vorbereitung und Nachbereitung einer behördlichen Begehung und die Beseitigung von eventuellen Beanstandungen und Mängeln. ▪

Fragen und Prüfkriterien bei einer Praxisbegehung (Beispiele)
  • Wie viele Mitarbeiter hat die Praxis?
  • Welche Zusatz-Qualifikationen gibt es beim Praxispersonal?
  • Werden Hygienefortbildungen durchgeführt?
  • Struktur der Einrichtung und Risikobewertung werden anhand des Leistungsspektrums (Art der Eingriffe) beurteilt.
  • Die Räumlichkeiten werden hinsichtlich der hygienischen Ausstattung überprüft.
  • Passt das baulich-funktionelle Raumprogramm zum Risikoprofil der Arztpraxis?
  • Werden die Anforderungen an die technisch-apparative Ausstattung eingehalten?
  • Sind die Handwaschplätze mit sogenannten Direktspendern ausgestattet?
  • Werden Hände- u. Hautdesinfektionsmittel noch umgefüllt?
  • Werden die Anbruchdaten vermerkt?
  • Gibt es bei der manuellen Instrumentenaufbereitung Schutzkleidung, steht eine Instrumentenwanne mit Siebeinsatz und Deckel zur Verfügung?
  • Bei der Prozessqualität werden die betrieblich-organisatorischen Hygienemaßnahmen und die Arbeitsanweisungen beurteilt. Hier achtet man vor allem auf die Plausibilität und Durchführungsevidenz zum Beispiel bei der Instrumentenaufbereitung oder der Händedesinfektion.
  • Wie wird die Praxiswäsche aufbereitet?
  • Umgang mit den Medikamenten.Gibt es Temperatur-Monitoring?
  • Werden Lagerfristen überschritten?
  • Wie ist die Abfallentsorgung organisiert?
  • Stehen durchstichsichere Behältnisse zur Verfügung?


Kontakt:
Martin Cramer
Schug Medical Service GmbH
92676 Eschenbach

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; (12) Seite 26-29