Pflegeeinrichtungen können eine gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase anbieten. Für Hausarztpraxen bedeutet dieses Beratungsangebot eine merkliche Zeitersparnis und kann bei Einwilligungsunfähigkeit die Behandlung erleichtern.
Laut § 1901 a BGB ist der in einer Patientenverfügung dokumentierte Wille auch dann zu beachten, wenn Patient:innen nicht ansprechbar sind – z. B. durch schwere Hirnerkrankungen oder bei akuter Einwilligungsunfähigkeit wegen Bewusstlosigkeit. Dabei ist eine Nichtbeachtung der Patienten- sowie Notfallverfügung durch medizinisches und pflegerisches Fachpersonal sowie Rettungspersonal strafbar. Damit das Dokument Gültigkeit erlangt, reicht rechtlich betrachtet die Unterschrift der einwilligungsfähigen Person. Ein Beratungsgespräch dazu suchen viele Betroffene bei den Hausärzt:innen, jedoch lassen Überbelastungen der Praxen umfängliche Beratungszeiten kaum zu. Seit Veröffentlichung des Hospiz- und Palliativgesetzes haben die Bewohner:in von zugelassenen Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen einen Anspruch auf eine Beratung durch weitergebildetes Fachpersonal (z. B. Pflegefachkräfte, Sozialarbeiter) zur gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase. Dies ist am ehesten mit dem internationalen Konzept des Advance Care Planning zu vergleichen und auch unter dem deutschen Namen "Behandlung im Voraus Planen (BVP)" bekannt. Es konzentriert sich darauf, zwischen Bewohnern, Bevollmächtigten oder gesetzlichen Betreuern, Angehörigen und Behandlern Gesprächsprozesse anzuregen und zu begleiten. Diese dienen der Ermittlung, Dokumentation und Umsetzung von Behandlungswünschen, wenn sich die Betroffenen nicht mehr verbal oder nonverbal adäquat äußern können. BVP ist mehr als eine herkömmliche Patientenverfügung. Dieser vorab durchgeführte Kommunikationsprozess hilft, Entscheidungen über Behandlungsmaßnahmen für einwilligungsunfähige Personen zu treffen. Hausärzt:innen sind dann in diesem Kommunikationsprozess vorgesehen, wenn im Vorfeld mindestens zwei Gespräche zur Vorausplanung nach BVP-Konzept stattgefunden haben. Sie besprechen noch offene Fragen und bestätigen mittels Unterschrift die Kongruenz sowie Einwilligungsfähigkeit der verfügenden Person. Dieses Vorgehen ermöglicht einen intensiven und professionell begleiteten Gesprächsprozess zur Entscheidungsfindung zukünftiger Behandlungsmaßnahmen und schont knappe Zeitressourcen in der Hausarztpraxis.
Abrechnung: Die Beantragung der Gelder für die BVP-Gesprächsbegleitung erfolgt über die Pflegeeinrichtung. Eine Beantragung in der häuslichen Pflege ist noch nicht möglich. Hausärzt:innen, die zu Beratungsgesprächen oder der Abstimmung einer schriftlichen Patientenverfügung hinzugezogen werden, können die "Zusatzpauschale für die Beteiligung an der Beratung eines Patienten in Zusammenarbeit mit dem Berater..." abrechnen. Die GOP 37400 wird mit 11,27 Euro vergütet (100 Punkte). Sie kann pro Behandlungsfall abgerechnet werden. Ärzt:innen können die Leistung in Abrechnung bringen, wenn sie sich mit einer qualifizierten BVP-Berater:in ausgetauscht haben (auch als Videosprechstunde).
Die Bedeutung einer professionell begleitende Gesprächsgestaltung ist auch deswegen so groß, weil in Patientenverfügungen oft laienhafte Pauschalaussagen dokumentiert werden wie "Ich möchte keine Lebensverlängerung durch Schläuche oder Maschinen". Ein allgemeiner Verzicht auf eine maschinelle Beatmung in der Patientenverfügung kann aber auch dazu führen, dass bei einer beatmungspflichtigen Pneumonie eine kurzfristige Beatmung als therapeutische Maßnahme abgelehnt wird. Diese und viele Aspekte mehr analysieren und reflektieren die speziell dafür nach § 132 g SGB V weitergebildeten Gesprächsbegleiter:innen nach dem BVP-Konzept und informieren im Rahmen der partizipativen Entscheidungsfindung über Möglichkeiten der Lebensverlängerungen in den jeweiligen medizinischen Krisensituationen. Für den Erfolg der Umsetzung des § 132 g SGB V und somit von BVP sollte eine regionale Implementierung stattfinden. Das Personal in den Pflegeeinrichtungen, Rettungspersonal und Beteiligte wie Hausarztpraxen sollten in die Bögen und Lesart eingeführt werden, sie brauchen rechtliche Hintergrundinformationen, um Handlungssicherheit in der Umsetzung des vorausverfügten Behandlungswillens zu erhalten. Bislang ist im § 132 g SGB V jedoch nur die Finanzierung der Gesprächsprozesse verankert, Gelder für die regionale Implementierung wurden nicht mitgedacht!

Prof. Dr. Henrikje Stanze
Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (5) Seite 58-59