Als Inhaber:in einer Hausarztpraxis wissen Sie, wie schwierig es ist, kompetentes Personal zu finden. Umso schlimmer, wenn gute Mitarbeiter:innen die eigene Praxis verlassen. Es kostet nicht nur viel Zeit, neue Kolleg:innen zu finden und einzuarbeiten, eine hohe Fluktuation bringt zusätzlich hohe Folgekosten mit sich.

Dabei gibt es verschiedenste Strategien, mit denen Sie Ihre Mitarbeiter:innen langfristig binden können. Mit den folgenden sechs Schritten sind Sie auf dem besten Weg.

1. Bringen Sie das Team zusammen

Der Hauptgrund, wieso Arzthelfer:innen eine Praxis verlassen, ist das Team. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn Ärzt:innen kompetente Mitarbeiter:innen halten wollen, müssen sie dafür sorgen, dass das ganze Team sich wohlfühlt und harmoniert. Das beginnt schon beim Einstellungsprozess: Achten Sie darauf, dass "die Neuen" gut in das Team passen. Auch bei einem bestehenden Team können Sie dafür sorgen, dass alle (weiter) gerne zusammenarbeiten. Ein wichtiger Baustein ist dabei das regelmäßige Team-Meeting. Idealerweise sollte es in Ihrer Praxis jede Woche ein Team-Meeting geben, dafür reicht in der Regel eine halbe Stunde. So haben Ihre Mitarbeiter:innen regelmäßig die Möglichkeit, mit Ihnen zu sprechen, und Probleme können gemeinsam und frühzeitig aus der Welt geschafft werden.

Beispiel aus der Arztpraxis: Generationenmanagement
In einer Praxis arbeitet eine Praxismanagerin, die Ende 60 ist, mit einem sehr jungen Team. Sowohl die Praxismanagerin als auch das Team machen einzeln betrachtet einen guten Job, doch untereinander funktioniert es nicht. Die Praxismanagerin kann sich nicht so gut in die jüngere Generation hineinversetzen und fühlt sich mit dieser Situation überfordert. Die Arzthelfer:innen fühlen sich bei der Zusammenarbeit unwohl. Das führt zu einer hohen Fluktuation, weil die Generationen nicht zusammenfinden.

Tipp: Team-Meetings mit Effekt

Treffen Sie sich regelmäßig und besprechen Sie die anstehenden Themen anhand einer standardisierten Struktur. Diese beinhaltet z. B. das Nachfassen der Vereinbarungen aus der letzten Woche sowie aktuelle Themen aus dem Tagesgeschäft. Halten Sie alles in einem Ergebnisprotokoll fest. So gibt es auch im Nachhinein keine Differenzen darüber, was besprochen wurde und was nicht.

Team-Meetings können Sie auch nutzen, um Ihre Mitarbeiter:innen mit kleinen Aufmerksamkeiten zu überraschen. Das können Brezeln zum Frühstück, Eis im Sommer oder ein Blumenstrauß für den Empfang sein. Solche Kleinigkeiten tragen dazu bei, dass Meetings als Auflockerung im Praxisalltag empfunden werden. Regelmäßige Veranstaltungen für das ganze Team sorgen zudem für ein gutes Betriebsklima. Empfehlenswert sind mindestens vier Team-Veranstaltungen im Jahr, wie z.B . Sommerfest, Weihnachtsfeier, Familientag und ein praktisches Event (z. B. Fahrtraining), von dem alle Mitarbeiter:innen profitieren.

2. Verbessern Sie die Kommunikation

Neben den Team-Meetings sollten Ärzt:innen sich auch Zeit für Einzelgespräche mit den Mitarbeiter:innen nehmen. Nichts ist schlimmer als wenn Mitarbeiter:innen das Gefühl haben, dass ihre individuellen Sorgen nicht gehört werden. Da es im Praxisalltag oftmals schwer ist, die Zeit für unangekündigte Gespräche zu finden, bieten sich dafür regelmäßige Mitarbeitergespräche an. Sie sollten mindestens viermal im Jahr stattfinden: Ideal wäre ein jeweils einstündiges Gespräch am Ende und in der Mitte des Jahres sowie zwei kürzere Vierteljahresgespräche (ca. 30 Minuten).

3. Eröffnen Sie Perspektiven

Oft liegt es auch an fehlenden Karriere- und Fortbildungsmöglichkeiten, wenn kompetente Mitarbeiter:innen gehen. In vielen Arztpraxen sind hier die Möglichkeiten aber begrenzt. Mitarbeiter:innen, die etwas Neues lernen wollen, sehen sich dann nach einer neuen Stelle um. Dem können Sie mit internen Karriereplänen und externen Weiterbildungen entgegenwirken. Oder wollen Sie ausgerechnet motivierte Mitarbeiter:innen verlieren, die sich weiterentwickeln möchten? Sicher nicht!

Eine gute Möglichkeit sind klare Verantwortungsbereiche für einzelne Mitarbeiter:innen: Ein Teammitglied verantwortet dann z.B. auch den Einkauf oder ist Ausbildungspat:in für die Auszubildenden. Alternativ kann man Social-Media- oder Fortbildungsbeauftragte ernennen. Diese kümmern sich um die externe Kommunikation oder stellen sicher, dass intern alle über das Fortbildungsangebot informiert sind und sich regelmäßig weiterbilden können.

Merke: Geben Sie Ihren Mitarbeiter:innen konkrete Ziele, auf die sie hinarbeiten können, und fordern Sie sie mit neuen Aufgaben und Verantwortungsbereichen heraus.Selbstgeschaffene Karrierepläne können Sie mit medizinischen und nichtmedizinischen Fortbildungen untermauern. Auch könnte es Teil des wöchentlichen Team-Meetings werden, über das aktuelle Fortbildungsangebot zu sprechen.

Beispiel aus der Arztpraxis: Gemeinsamen Fokus finden
Eine orthopädische Praxis (der Arzt und das gesamte Team) hat sich der Vorbeugung und Heilung von Rückenschmerzen verschrieben und damit das Thema aktive Bewegung in den Fokus gerückt. Dieses Ziel und die damit verbundenen Werte sind in der ganzen Praxis zu spüren. Das beginnt beim Slogan "Wir sorgen für Bewegung" und geht bis zu den sehr aktiven Team-Events. Denn sowohl der Arzt als auch die Mitarbeiter:innen sind selbst sportlich aktiv und brennen dafür, Menschen in Bewegung zu bringen.

Tipp: Potenzial identifizieren

Wenn Sie sich nicht sicher sind, welches ungenutzte Potenzial Ihre Mitarbeiter:innen haben, fragen Sie diese doch einfach einmal! Finden Sie heraus, was Ihren Mitarbeiter:innen Spaß macht und was ihnen eher schwerfällt. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, zu sagen, wohin sie sich gerne entwickeln würden und was sie bereit sind, selbst dafür zu tun.

4. Sorgen Sie für Identifikation

Ohne eine klare Positionierung werden Arbeitgeber:innen schnell austauschbar. Beim aktuellen Personalmangel im medizinischen Bereich können kompetente MFA schließlich frei wählen. Wieso sollten sie sich für eine Praxis entscheiden, wenn sie sich nicht mit ihr identifizieren können?

Identifikation und Kommunikation spielen auch bei der Zukunftsplanung Ihrer Hausarztpraxis eine wichtige Rolle. Wenn Sie ein Ziel für Ihre Praxis haben, dann binden Sie Ihre Mitarbeiter:innen frühzeitig in diese Vision ein. Tun Sie das nicht, können Sie wertvolle Teammitglieder leicht auf dem Weg verlieren, da sie sich mit dem neuen Bild der Praxis nicht identifizieren. Nehmen Sie die Mitarbeiter:innen aktiv mit, können diese Teil der Veränderung werden und Sie dabei unterstützen, diese Ziele zu erreichen.

5. Bieten Sie eine faire Vergütung

Wirklich entscheidend für eine starke Personalbindung sind emotionale Themen wie Teamzusammenhalt, Kommunikation, Entwicklung und Identifikation. Aber auch das Einkommen spielt eine entscheidende Rolle bei der Mitarbeiterbindung.

Merke: Gute Mitarbeiter:innen bleiben für ein hohes Gehalt nicht langfristig in einer Praxis, in der sie sich nicht wirklich wohlfühlen. Aber gute Mitarbeiter:innen bleiben auch nicht auf Dauer in einer Praxis, wenn sie sich wohlfühlen, aber nicht angemessen bezahlt werden.

Für ein Gehalt, das von den jeweiligen Mitarbeiter:innen als fair empfunden wird, ist sowohl der externe als auch der interne Vergleich entscheidend: Einerseits muss das Gehalt zum Markt passen. Es sollte den Gehältern anderer MFA in einer vergleichbaren Praxis in der Region ähneln. Andererseits muss es für den internen Vergleich an die individuelle Leistung der Mitarbeiter:innen angepasst sein.

Sinnvoll ist eine leistungsgerechte Bezahlung mit fixen und variablen Anteilen. Alle Mitarbeiter:innen erhalten ein fixes Grundgehalt, das sich durch den Tarif, die Arbeitserfahrung und Qualifikation ergibt − ergänzt durch drei variable Boni:

  • Ein Bonus basiert auf dem persönlichen Jahresziel jeder Mitarbeiter:in.
  • Ein Bonus basiert auf einem Praxisjahresziel, an dem alle gemeinsam arbeiten.
  • Ein Bonus basiert auf einer jährlichen Mitarbeiterbeurteilung im Endjahresgespräch.

Durch variable Boni haben es die Mitarbeiter:innen in der Hand, wie hoch ihr Gehalt tatsächlich ausfällt. Gleichzeitig werden Unstimmigkeiten untereinander vermieden, denn das System ist für alle transparent und jeder weiß, was er selbst tun kann.

Praxisbeispiel: Überstundenabbau
In einer Praxis stellte sich in einem Mitarbeitergespräch heraus, dass eine MFA Überstunden angehäuft hat und bei der aktuellen Arbeitsbelastung keine Möglichkeit sieht, diese abzubauen. Im Gespräch mit der Praxisleitung fand sich eine Lösung. Man investierte in einen Werkstudenten, welcher der MFA Verwaltungsarbeiten abnimmt. So konnte sich die MFA wieder auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren und ihre Überstunden abbauen.

6. Holen Sie die Mitunternehmer:innen ins Boot

Diese letzte Maßnahme beschreibt die höchste Stufe der Mitarbeiterbindung, die nicht in jeder Praxis möglich ist, aber v. a. dann Sinn macht, wenn Sie bereits alle Optimierungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben. Bei dieser ideellen Mitunternehmerschaft behandeln Sie Ihre Mitarbeiter:innen ,als wären sie Mitunternehmer:innen. Im ersten Schritt erstellen Sie, basierend auf Ihrer BWA, ein Exzerpt, das die zentralen Positionen beinhaltet und bei dem die Personalkosten um Ihr eigenes "Gehalt" erhöht sind und somit der Gewinn um diesen Betrag reduziert ist. Diese Kennzahlen besprechen Sie mit Ihren Mitarbeiter:innen. Dank dieser Transparenz kennen Ihre Teammitglieder die finanzielle Lage der Praxis und Sie können sie auch in finanzielle Entscheidungen einbinden. Das wird auch den Blick einzelner Mitarbeiter:innen beeinflussen, wenn es z.B. um Anschaffungen geht, für die Sie gerade nicht die finanziellen Mittel haben. Besprechen Sie dann gemeinsam, ob die Anschaffung tatsächlich nötig ist und ob es wirklich jetzt sein muss. Was versprechen Sie und Ihr Team sich von der Anschaffung und was können Sie als Team tun, um die zusätzlichen Ausgaben zu erwirtschaften?

Surftipp: Podcast "Unternehmen Arztpraxis"
In seinem Podcast gibt Wolfgang Apel praxisnahe Tipps für ein besseres persönl. Zeit- und Zielmanagement und weniger Stress in der Praxis: http://medikom.org/podcast

Und wenn es einmal nicht klappt?

Sie als Inhaber:in tun alles, damit Ihre Mitarbeiter:innen sich mit der Praxis identifizieren, sich wohlfühlen und weiterentwickeln können. Dennoch gibt es eine Person, die sich nicht integrieren lässt und dadurch die Stimmung im gesamten Team negativ beeinflusst? Während alle anderen motiviert an ihren Aufgaben und dem gemeinsamen Erfolg arbeiten, macht diese Person "Dienst nach Vorschrift" und zeigt keinerlei Interesse zu Veränderungen? Versuchen Sie, in einem persönlichen Gespräch herauszufinden, woran das liegt.

Wenn aber all Ihre Bemühungen umsonst sind und sich nichts an der Situation ändert, ist es der einzige Weg, sich von diesen Mitarbeiter:innen zu trennen. Ansonsten riskieren Sie, dass die Stimmung im gesamten Praxisteam kippt.

FAZIT: Mitarbeiter:innen als Wert erkennen
Motivierte Mitarbeiter:innen sind entscheidend für den langfristigen Erfolg Ihrer Arztpraxis. Sie wollen wissen, was Ihr Team denkt? Fragen Sie doch mal nach individuellen Karrierewünschen. Nehmen Sie Ihre Mitarbeiter:innen mit in die Verantwortung, das macht das Team als Ganzes stärker.



Autor

Wolfgang Apel

Praxisberater sowie Gründer und MdGL der MediKom Consulting GmbH



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (2) Seite 54-56