Die griechische Insel Kos, die in der Ägäis nah an der türkischen Küste liegt, ist vor allem für ihre langen Sandstrände und hübschen Bergdörfer bekannt. Die Insel hat aber auch eine interessante Geschichte. So können Besucher:innen bei einer Wanderung im Dikaios-Gebirge auf eines der berühmtesten Heiligtümer der Antike, das Asklepieion stoßen. Diese archäologische Stätte wurde 1902 entdeckt und freigelegt. Und hier soll der Vater der Medizin gelebt und gewirkt haben.

Der wolkenlose Himmel verspricht einen schönen sonnigen Tag. 23 Grad zeigt das Thermometer am Morgen, und es weht eine leichte Brise. Es riecht nach Salz und frisch gegrilltem Fisch. Auf den Terrassen der kleinen Restaurants in Kos-Stadt sitzen die ersten Besucher:innen und trinken Tee und Kaffee und warten auf den frischen zubereiteten Fang. Am Horizont zeigen sich die Berge der Türkei im morgendlichen Dunst. Fischerboote liegen dicht aneinandergereiht im Hafen.

Hinter der Uferpromenade liegt die Altstadt. Um den Freiheitsplatz, den Platiá Elefetheriás, gruppieren sich die 1725 erbaute Defterdar-Moschee und die elegante Markthalle, in der heute kleine Geschäfte und ein Café untergebracht sind, sowie das Archäologische Museum der Insel. Die wuchtige Johanniterburg Neratzia mit Türmen, Bastionen und Zinnen, die um 1450 errichtet wurde, wacht über das Geschehen auf dem Marktplatz.

Hippokrates setzte auf die Selbstheilungskräfte

Direkt am Eingang steht die Platane des Hippokrates. Laut Sage soll diese mehr als 2.000 Jahre alt sein. Unter dem alten Baum soll der "Vater der Medizin", der um 460 v. Chr. auf Kos geboren wurde, seine Schüler unterrichtet haben. Er gab Ernährungstipps und lehrte, wie die Selbstheilungskräfte gestärkt werden könnten. Nach seinem Tod wurde ihm zu Ehren das Asklepieion errichtet: ein Kurort und Krankenhaus. Kilometerlange Fußmärsche nahmen Kranke aus dem Mittelmeerraum in Kauf, um sich von Ärzten mithilfe der Götter beraten und heilen zu lassen. Wer geheilt wurde, hinterließ oft wertvolle Spenden, stiftete Brunnen und Statuen.

Der deutsche Archäologe Rudolf Herzog entdeckte die Anlage im Jahr 1902, nachdem er Hinweisen des einheimischen Historikers Iakovos Zaraftis nachgegangen war. Die archäologischen Ausgrabungen dauerten zwei Jahre. Tempel, Trophäen und Inschriften kamen an die Oberfläche. Das Heiligtum, das sich über drei Terrassen erstreckt, ist durch breite Freitreppen miteinander verbunden. Man sollte allerdings mit einer kundigen Führer:in über die Anlage laufen.

Das Asklepieion als Ursprung der modernen Heilkunst

Es gab ein riesiges Sanatorium, Bäder und Untersuchungsräume. Die unterste Terrasse diente dem eigentlichen Kurbetrieb. Sie war auf drei Seiten von Wandelhallen umgeben. Auf der vierten Seite entsprangen die Mineralquellen, die für Trink- und Badekuren genutzt wurden. Die mittlere und obere Terrasse bildeten dann mit ihren Altären und Tempeln den Kultbezirk des Heiligtums. Hier setzte die psychosomatische Behandlung an.

Die Kurgäste brachten den Göttern ihre Opfer und den Priestern ihre Weihegaben. Doch bereits damals wurde von der religiösen oder magischen Krankheitsauffassung abgerückt. Die Ärzte wandten sich immer mehr einer moderneren Heilkunst zu. Genaue Beobachtungen am Krankenbett und das Eingehen auf die Psyche rückten in den Vordergrund. "Hier wurde nach Hippokrates’ Erkenntnissen Heilkunst betrieben", erklärt der Fremdenführer am Fuße der Terrassen. Sogar Sport wurde bereits damals als ganzheitliche Therapie verschrieben. Hinter dem großen Tempel fand man bei den Ausgrabungen eine Treppe, die zum Zy-
pressen- und Pinienwald führt. Fährt man über die Insel, kommt man an kleinen Dörfern vorbei. Auf alle Fälle lohnt sich ein kurzer Stopp im Bergdorf Pyli. Die meisten Bewohner:innen haben den Ort schon vor vielen Jahren verlassen, aber die ehemalige Festung, die heute nur noch eine Ruine ist, ragt aus dem felsigen Untergrund und gibt einen Einblick in das unterirdische Tunnelsystem.

Reiseinformationen
Anreise: Am schnellsten kommt man von Deutschland mit dem Flugzeug nach Kos Hippocrates. Gerade in den Sommermonaten ab Anfang Juni fliegen unterschiedliche Airlines regelmäßig auf die Insel. Die Flugzeit nach Kos dauert etwa drei Stunden. Bei einer Pauschalreise wird man mit einer Chartermaschine nach Kos gebracht, mit anschließendem Transfer zum Hotel. Zum Beispiel gibt es das Komplettpaket bei TUI. Wer nicht so gern fliegt, kann auch mit dem Auto und der Fähre anreisen und dann vor Ort mit dem eigenen Wagen herumfahren. Es gibt allerdings überall auch Leihfahrräder. Die Touren sind gut zu bewältigen.

Beste Reisezeit: Ganze Saison (Mai bis Oktober). Im Juli und August steigen die Temperaturen auf über 30° C an, aber der Wind sorgt für Abkühlung.

Das antike Krankenhaus: Anfahrt mit dem Auto: Von Kos-Stadt kommend in Richtung Platani links abbiegen und geradeaus durch Platani fahren. Von anderen Orten aus in Richtung Kos-Stadt fahren, kurz vor Kos-Stadt rechts nach Platani und in Platani erneut rechts abbiegen. Knapp einen Kilometer hinter dem Ort ist ein großer Parkplatz für Besucher des Asklepieion. Mit der Bahn: Stündlich ab Kos-Hafen (gegenüber der Polizeistation). Oder mit dem Fahrrad. Ab Platani eine Steigung für ca. 1,5 km, aber machbar. Öffnungszeiten: Di.–So. 8:00 bis 20 Uhr, Montag Ruhetag. Eintritt: 8 €. Führungen gibt es nur in Verbindung mit der Inselrundfahrt.

Kos exklusiv entdecken. Tipp: Gute griechische Küche mit gutem Preis-Leistungsverhältnis: Taverne Oromedon, 85300 Kos – Zia, info@oromedon.com

Den Sonnenuntergang zelebrieren

Die Straßen werden enger und kurviger. Es geht vorbei an Margeritenfeldern, an Zypressen, Oliven- und Mandelbäumen. Dahinter erhebt sich der Berg Dikaios. Plötzlich ist man im Bergdorf Zia. In dem höchstgelegenen Ort auf Kos leben nur 150 Menschen. Die kleinen weißen Häuser mit blauen Türen und Fenstern leuchten in der Sonne und werden von den Gipfeln des Dikaios-Gebirges eingerahmt. Es könnte richtig idyllisch sein, wären da nicht die vielen Verkaufsstände, die um den Marktplatz drängen. Doch einen richtigen griechischen Abend mit Musik und Tanz kann man in einer der vielen Tavernen erleben.

Direkt am Dorfeingang von Zia ist die von Weinreben umrankte Taverne "Oromedon". Hier oben soll der schönste Fleck der Insel sein. So sagt es der Reiseführer und die Einheimischen bestätigen: Tagsüber sei es der Anblick des Berges und abends der Sonnenuntergang. "Deswegen schickt man die Leute zu uns", ist sich Nicos, der Besitzer der Taverne, sicher. Denn das Oromedon hat auf mehreren Ebenen Dachterrassen, von denen man einen großartigen Ausblick auf die Insel und über das Meer hat.

Jeden Abend füllt sich der Restaurantgarten in kurzer Zeit mit einheimischen Familien und Tourist:innen, die sich faszinieren lassen von dem Naturspektakel. In der Nähe der Dorfkirche beginnt ein Wanderweg zum Berg Dikaios. Ohne Wanderschuhe sollte man sich nicht auf den Weg machen. Denn es geht auf Ziegenwegen über Gestein und Disteln. Es ist eben das wilde Griechenland.



Autorin:
Heidrun Lange

Erschienen in: doctors|today, 2020; 1 (1) Seite 78-80