Hausärzt:innen sehen sich immer neuen digitalen Herausforderungen gegenüber, die viel Arbeit mit sich bringen, aber oft nur unzureichend vergütet werden. Gleichzeitig gibt es erste Fortschritte im Rahmen der virtuellen Infrastruktur, es besteht aber weiter großer Nachholbedarf bei fundierten Informationen für Ärzteschaft und Patient:innen.

Die Online-Transformation vieler Praxisbereiche ist kaum noch aufzuhalten. Selbst der verstolperte Start der ePA, der sich bereits über einen längeren Zeitraum hinzieht, wird diese Entwicklung nicht gänzlich stoppen können. Ein positives Beispiel für die Nutzung digitaler Werkzeuge sind Zusatzangebote wie Videosprechstunde oder Online-Terminvereinbarung. So hat sich die Zahl der digitalen Sprechstunden in deutschen Arztpraxen im Jahr 2021 auf fast 2,7 Millionen erhöht - von weniger als 3.000 digitalen Arzt-Patient-Gesprächen vor COVID-19 im Jahr zuvor.

Wie aber sieht es in der Praxisrealität mit Akzeptanz und Nutzung wichtiger TI-Bestandteile wie ePA oder KIM aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich u. a. der "TI-atlas" der gematik. Befragt wurden 57.729 Heilberufler:innen, verteilt auf mehrere Befragungsrunden. Von 8.491 adressierten Arztpraxen nahmen 774 teil. Hinzu kommen 2.075 Versicherte.Positives Feedback gibt es bei der Anbindung der beteiligten Berufsgruppen: Aktuell verfügen z. B. 93 % der Arztpraxen über einen TI-Anschluss. Das ist im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres eine Steigerung von 13 %. Die bekannteste TI-Anwendung ist die ePA: 90 % der Ärzt:innen kennen sie und 30 % haben das Modul. Allerdings sehen sich nur 12 % "bereit für die Nutzung" und nur magere 3 % verwenden die ePA bereits. Unverändert groß bleiben gleichzeitig die grundlegenden Bedenken der Ärzt:innen beim Thema Datensicherheit. 43 % bejahen ein Vertrauen in die Sicherheit von Daten. Das bedeutet aber auch, dass die Mehrheit der befragten Ärzt:innen das nicht so einschätzt. Bezogen auf die Nutzung der ePA sind es sogar nur 30 %, die Vertrauen in die Datensicherheit zeigen.

Dazu passt, dass sich laut eHealth Monitor 2021 nahezu die Hälfte der ambulanten Ärzt:innen besorgt zeigt, dass sich durch die Digitalisierung die Arzt-Patienten-Beziehung verschlechtern könnte (46 %, vs. 43 % im Vorjahr)

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Wie sieht es auf Versichertenseite aus?

84 % bestätigen ihr Vertrauen bei einen Zugriff auf die eGK, 77 % halten ihre dort gespeicherten Gesundheitsdaten für sicher. Grundsätzlich stehen die Versicherten neuen digitalen Anwendungen positiv gegenüber: 83 % bejahen digitale Innovationen, 71 % nutzen Anwendungen sowie Apps und 64 % informieren sich regelmäßig mittels digitaler Kanäle über Gesundheitsthemen. Insgesamt gibt es bei den Versicherten eine hohe Bereitschaft, eigene Gesundheitsdaten aktiv zu teilen (66 %). Gleichzeitig geben aber 46 % der Versicherten an, sie "wissen noch zu wenig über die ePA". Im Alltag sind sie es längst gewohnt, eine Unmenge an persönlichen Daten zu teilen: bei Facebook, Google Maps oder digitalen Bezahldiensten. Einrichtungen und Unternehmen hingegen sind schon aus aus rechtlicher Sicht gezwungen, sich intensivere Gedanken über die Datensicherheit zu machen. Es gab zwar bereits Fälle, in denen bei Erpressungsversuchen im Zusammenhang mit Datendiebstahl auch Patient:innen angegangen wurden, im Regelfall wurden aber die Einrichtungen attackiert.

Noch nicht bei allen angekommen

Bei aller Begeisterung auf Seiten der Versicherten sollte aber eines nicht übersehen werde: Digitale Innovationen sind längst noch nicht bei allen angekommen. Mehr als jeder zweite Deutsche (55 %) zeigt sich digitalen Gesundheitsangeboten gegenüber aufgeschlossen, doch "es fehle an Information und Aufklärung". Das wirkt sich messbar auf das tatsächliche Nutzungsverhalten aus: Ein halbes Jahr nach der Einführung der ePA im Januar 2021 hatten bei den 20 größten gesetzlichen Krankenversicherungen weniger als 240.000 Versicherte das ePA-Modul heruntergeladen – das sind nur 0,4 % der Versicherten. Wie die KBV berichtet, halten auch die meisten Gesellschafter der gematik mittlerweile umfangreichere Testphasen für notwendig. So hätten für eine erfolgreiche Testung bei der ePA für einen bundesweiten Roll-out mindestens 1.000 eRezepte ausgestellt und erfolgreich abgerechnet werden sollen – Ende November 2021 waren es ganze 42! Auch der Nutzung eines elektronischen Medikamentenplanes (eMed) steht die Mehrheit der Versicherten positiv gegenüber. 61 % geben an, ihn nutzen zu wollen. Eine "Nutzungsbereitschaft bei Bedarf" bejahen 20 % der Befragten. Auf Ärzteseite bestätigen 89 %, dass sie den eMed kennen. "Bereit zur Nutzung" sind jedoch nur 21 %. Noch deutlicher sind die Ergebnisse beim E-Mail Dienst KIM: 84 % der Ärzt:innen kennen ihn, aber nur 8 % nutzen KIM aktuell. Zwischen der grundlegenden Möglichkeit, das digitale Werkzeug zu verwenden, und einem tatsächlichen Einsatz in der Praxisrealität liegen also weiterhin Welten!

Ist die Einführung der Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) wenigstens eine Erfolgsgeschichte? Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Bis November 2021 wurden 24 DiGA in das zentrale Verzeichnis aufgenommen, die Skalierung stockt jedoch: So kamen neun DiGA, die als App-Anwendung zur Verfügung stehen, seit ihrer Zulassung bis zum 31. Juli 2021 auf unter 200.000 Downloads. Zum Vergleich: 2020 wurden laut Wissenschaftlichem Institut der AOK insgesamt 685 Millionen Fertigarzneimittel verordnet.

Schlanker und mobiler, aber auch besser?

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung sind klare Ziele für eine bessere Nutzung gesundheitsbezogener Daten anvisiert. Für die Verwendung der Gesundheitsdaten bei der ePA ist z. B. eine opt-out-Lösung angedacht. Die Datenteilung bliebe dann freiwillig, aber Patient:innen müssten ihr aktiv widersprechen, wenn sie das nicht möchten. Grundlage für eine versierte Entscheidung auf Patientenseite ist jedoch, dass die Versicherten zu ihren individuellen Nutzungsmöglichkeiten, aber auch zu den möglichen Risiken umfassend aufgeklärt werden. Hieraus ergibt sich die nächste Problematik: Wer soll das übernehmen und wie könnte diese Leistung finanziert werden? Denkbar wäre z. B. eine "Digitale Assistenz", bei der Praxismitarbeiter:innen diese Beratung übernehmen könnten − wenn sie entsprechend vergütet wird. Eine kostenlose Zusatzleistung würde die Praxen hingegen nur weiter belasten. Es gibt also noch viel zu tun, damit die großen Ziele der digitalen Transformation im Alltag der Hausarztpraxis auch erfolgreich umgesetzt werden können!


Literatur:
1. eHealth Monitor, McKinsey, November 2021
2. Atlas zur Telematikinfrastruktur: Daten. Zahlen. Fakten. gematik, Novermber 2021
3. Ausreichende Testphasen für TI-Anwendungen notwendig, KBV, Dezember 2021
4. Mehr Fortschritt wagen. Koalitionsvertrag 2021-2025, November 2021


Autorin
Sabine Mack



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (1) Seite 22-23