Die Lücke zwischen den Geschlechtern schließt sich langsam, zu langsam: Zu diesem Schluss kommt der Global Gender Gap Report 2022.

Dabei können wir uns das eigentlich gar nicht mehr "leisten": In den Arztpraxen fehlt es an Nachfolger:innen, in den Kliniken an Pflegekräften.

Bewertet werden die vier gesellschaftlichen Teilbereiche Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Politik. 2020 hatte der Report bis zur vollständigen Geschlechter-Gleichstellung einen Zeitraum von 99,5 Jahren vorausgesagt. Dieses Jahr prognostizieren die Autor:innen dies sogar noch später: in 132 Jahren. Dazu trägt auch die Pandemie ihren Teil bei, denn ein Großteil der Care-Arbeit hat sich zurück auf die Frauen verlagert. Diese Schlechterstellung ist längst eine Bedrohung für die Leistungsfähigkeit ganzer Branchen: insbesondere für das Gesundheitswesen. Bis 2035 werden hierzulande altersbedingt fast 30.000 Hausärzt:innen ausscheiden, ohne entsprechenden Ersatz. Wer möchte sich da vorstellen, dass zahlreiche der angehenden Medizinerinnen, die knapp zwei Drittel der Studierenden in Humanmedizin ausmachen, wegen der Familienplanung gar nicht erst in den Beruf einsteigen könnten oder bei Kinderwunsch zeitnah wieder aussteigen? Bei den nicht ärztlichen Mitarbeiter:innen, in der Mehrheit weiterhin Frauen, sieht es ähnlich aus: Bereits jetzt ist es unmöglich, zeitnah Ersatz zu finden. Die Situation ist umso problematischer, je weniger vom eigenen Verdienst für einen privatfinanzierten Krippeplatz eingesetzt werden kann. Auch stellen jüngere Generationen andere Ansprüche (u. a. Life-Work-Balance, Arbeitszeiten) − mit noch weniger Personal noch schwieriger zu erreichen.

Gleichzeitig haben Faktoren wie der Bildungsgrad und die Verfügbarkeit wirtschaftlicher Ressourcen entscheidenden Einfluss auf die individuelle Gesundheit. Weniger gebildeten Menschen mangelt es oft an Wissen über einen gesunden Lebensstil und an den notwendigen Finanzmitteln. Gleichzeitig reden wir darüber, unser Gesundheitssystem durch digitale Angebote zu optimieren. Das setzt aber bei Patient:innen genauso wie bei den Ärzt:innen und MFA digitale Kompetenzen voraus, die wiederum von Bildungsgrad und Finanzen bzw. technischer Ausstattung abhängig sind. Auch aus dieser Sicht wäre mehr echte Gleichstellung — nicht erst in 132 Jahren — für alle vorteilhaft.

Global Gender Gap Index
Für den Global Gender Gap Index (GGGI) werden die Entwicklungslevel von 146 Ländern betrachtet sowie die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. In diesem Jahr beträgt der Index 68,1 %. Das bedeutet: Frauen haben global betrachtet rund 68 % der Stellung von Männern erreicht. In Island liegt der GGGI z. B. bei 90,8 %. Deutschland hat es mit 80,1 % knapp auf den letzten Platz der Top 10 geschafft. Hier gehts zur kompletten Studie.



Autorin
Sabine Mack

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (9) Seite 65