In der Praxis zählt jede Minute − insbesondere die Minuten, die mit der Praxissoftware verschwendet werden, weil z. B. die Terminvergabe nicht optimal funktioniert. Bei 50 Patient:innen am Morgen werden aus einer Minute mehr pro Termin schnell 50. Man kann sich täglich aufs Neue quälen − oder handeln. Es muss nicht immer eine neue Software sein, auch Ablaufoptimierung oder Zusatzmodule bieten bereits Unterstützung.

Durch Corona hat das Gesundheitswesen einen Digitalisierungsschub erfahren. Was lange diskutiert wurde wie die Videosprechstunde, findet nun vermehrt Einzug in die Hausarztpraxen. Auch die für das dritte Quartal 2021 angekündigte Verpflichtung zur elektronischen Patientenakte (ePA) ist ein Treiber für den digitalen Wandel. Gleichzeitig hadern täglich viele Ärzt:innen und MFAs mit dem vielleicht wichtigsten digitalen Tool in ihrer Hausarztpraxis: der Praxissoftware.

Zeitfresser identifizieren

Das ist kein Wunder: Die Situationen, in denen man mit der alltäglichen Technik hadert − weil sie nicht optimal funktioniert − bleiben eher in Erinnerung als die Fälle, in denen alles glattgeht. Ärger ist hoch emotional und brennt sich tiefer in das Gedächtnis ein als "Zufriedenheit". Wir erwarten schließlich, dass die Technik so funktioniert, wie es gedacht ist. Gleichzeitig sind die Momente, in denen sich Ärzt:innen und MFAs im Praxisbetrieb mit Softwareproblemen herumschlagen, besonders problematisch. IT-Experte Marc Diehl erklärt: "Die verlorene Zeit, die man mit einer nicht optimalen Nutzung der Praxissoftware verschwendet, summiert sich schnell. Wenn z. B. der technische Prozess zur Terminplanung zu aufwendig oder fehlerhaft ist, investiert eine MFA schnell eine Minute mehr pro Patient:in. Neben Stress und ungeduldigen Patient:innen kann das auch eine Warteschlange im Eingangsbereich bedeuten, die in Pandemiezeiten besonders problematisch ist. Das Praxisteam sollte sich daher gemeinsam überlegen, welche Software-Abläufe häufig Probleme bereiten, weil sie aufwendig sind oder lückenhaft erscheinen. Sind die Zeitfresser identifiziert, kann bereits eine (Nach-)Schulung für mehr Sicherheit sorgen: Alltägliche Abläufe werden effizienter und schneller. Additive Softwaremodule z. B. zur Online-Terminvergabe oder zur Impfabwicklung können das Team dann zusätzlich entlasten.

Dass eine funktionierende Terminvergabe für den Praxisalltag essenziell ist, bestätigt Daniel Schmidt, General Manager bei CGM ALBIS: "Neben unterminierten Arztbesuchen findet eine Vielzahl der Patientenbehandlungen auf Grundlage eines leistungsfähigen Terminkalenders statt. Er ist neben der Patientenakte das Herzstück einer modernen Praxis und deswegen ein wichtiger Bestandteil eines guten Arztinformationssystems."

Datenschutz gezielt verbessern

Auch bei der Datensicherheit liegen die Probleme näher, als man denkt. So wird beispielsweise in vielen Arztpraxen ein zentraler Log-in genutzt – und das von allen Teammitgliedern. Wenn aber im System nicht differenziert wird, wer welche Daten hinterlässt, kann bei unvollständigen oder falschen Angaben auch nicht nachvollzogen werden, wie sie entstanden sind. "Problematisch wird das spätestens dann, wenn es zu Rechtsstreitigkeiten mit Mitarbeiter:innen oder Patient:innen kommt", so Diehl. Ein schneller und sicherer individualisierter Log-in könne über eine Tastenkombination geregelt werden, die mittels persönlichem Code oder Gesichtserkennung bestätigt wird. Wichtig sei auch, dass sich das System beim Log-out nicht komplett herunterfährt, was bei jedem Log-in zusätzlichen Aufwand bedeutet.

Das bestätigt auch Andreas Seiller, Vertriebsleiter bei INDAMED: "Das Praxispersonal sollte unbedingt für die Datensicherheit sensibilisiert werden. In diesem Zuge ist es entscheidend, personen- und aufgabenbezogene Zugriffsberechtigungen zu vergeben." Auch die Etablierung eines Notfallserverkonzeptes im Falle eines Systemausfalls biete mehr Sicherheit.
Hilfreich kann ebenfalls ein in die Praxissoftware integrierter Security-Check sein, mit dem der Status quo der Praxis jederzeit ermittelt werden kann.

Die Uhr tickt

Spätestens mit der Verpflichtung zur ePA rückt eine zukunftstaugliche Praxissoftware in den Fokus. Denn gut gepflegte digitale Daten sind für die ePA eine wichtige Datengrundlage. Was aber tun, wenn man feststellt, dass die aktuelle Praxissoftware für diese Herausforderungen nicht geeignet ist? Dann gilt es, zeitnah zu reagieren: Von der ersten Auswahl der Praxissoftware über die Installation bis zur optimalen Schulung aller Mitarbeiter:innen können ein paar Tage bis Wochen ins Land gehen.

Marktübersicht Praxis-Software
Hier finden Sie die am häufigsten genutzten Softwareprodukte in den allgemeinmedizinischen Praxen in Deutschland nach Angaben der KBV (Quelle: Top 20 Systeme - Allgemeinmediziner, Stand Sept. 20) als komplette Übersicht (Pdf).

Haben sich die Patient:innen z.B. in der Facharztpraxis erst einmal daran gewöhnt, was alles möglich ist, werden sie das auch in ihrer Hausarztpraxis einfordern. Hausärzt:innen, die eine zentrale Funktion in der Gesundheitsversorgung übernehmen, drohen dann digital abgehängt zu werden.

Kommt es in diesem Kontext zu einem Softwarewechsel, ist es zielführend, das Praxisteam aktiv in die Entscheidungen mit einzubeziehen, so Alexandra John, Leitung Marketing bei medatixx: "Voraussetzung ist die Akzeptanz des gesamten Teams – also all jener, die in ihrer täglichen Arbeit von der Praxissoftware unterstützt werden. Darauf zahlen nicht nur die intuitive Bedienung der Software und eine Benutzerschulung ein, sondern auch eine Ist- und Soll-Analyse im Vorfeld. Diese stellt den Bedarf in der Praxis fest und zeigt auf, wie die Praxissoftware die Anforderungen abbildet."

Die Zeiten stehen auf Innovation

Damit sich das Team dem widmen kann, was ihm wichtig ist, – seinen Patient:innen und der Versorgungsqualität – spielt die Optimierung der Praxissoftware eine nicht zu unterschätzende Rolle! Kleine, aber wichtige erste Schritte erzielt man mit einer Optimierung einzelner Abläufe und/oder der Integration additiver Module. Entscheidet man sich für eine neue Software, gilt es ,das Team aktiv mitzunehmen. Das sorgt für mehr Akzeptanz im Umgang mit der neuen Technik. Damit wird auch eine wichtige Grundlage gelegt für ein gemeinsames "Ja" zur weiteren digitalen Transformation.



Autorin
Sabine Mack

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (5) Seite 29-33