Mäuse haben in der Medizin Konjunktur – bis heute. Am Anfang war Gregor Mendel, der Klosterpater und Vater der modernen Vererbungslehre. Vor etwas mehr als zweihundert Jahren geboren, führte er seine Kreuzungsexperimente zuerst mit Mäusen durch.

Doch sein Bischof Anton Ernst von Schaffgotsch empfand es als verwerflichen Voyeurismus, dass ausgerechnet hinter den Mauern einer Abtei die Sexspiele von Nagetieren beobachtet und die Früchte ihrer Lust wissenschaftlich analysiert wurden. Bei so viel Bigotterie quieken zwar die Mäuse, doch der kluge Mendel stieg in der Folge auf Erbsen um, jene Hülsenfrüchte also, die ihn unsterblich machen sollten. Die medizinische Karriere der Mäuse konnte das allerdings nicht bremsen. Seit mehr als 100 Jahren werden sie als Versuchstiere mit unterschiedlichsten genetischen Merkmalen gezüchtet und können so als "Mus laboratorius" mit einem wissenschaftlichen Verwertungsplus aufwarten.

Auch Ärzt:innen sprechen gerne von Mäusen. Man denke nur an jene besonders stoßempfindliche Stelle des Ellenbogens, die umgangssprachlich als "Mäuschen" bezeichnet wird. Ihre elektronische Verwandte, die Computermaus, hat sogar ein eigenes Krankheitsbild generiert: den überlastungsbedingten "Mausarm", der schon so manche PC-Nerds in die Nahtoderfahrung einer drohenden Rechnerabstinenz geführt hat.

Doch jetzt fiepen die echten Mäuse erneut, weil sie möglicherweise zu einer bahnbrechenden Erkenntnis über die menschliche Bewegungsträgheit (Inertia humana Z 72.8G) beitragen können. Lenka Dohnalova und ihre 33 Mitstreiter:innen fanden nämlich (Nature Dec 2022; 612: 739-747) heraus, dass eine humoral vermittelte Darm-Hirn-Verbindung die Bewegungslust der Nager stimulieren kann. Demnach geben Eubacterium rectale und Coprococcus eutactus Botenstoffe im Mäusedarm ab, die zentral wirksam das Glücksgefühl beim Sport fördern, Mentaldoping quasi. Waren diese Bakterien in der Darmflora von Zuchtmäusen per se schon reichlich vertreten oder wurden ihnen zuvor transplantiert, joggten die Tiere wie entfesselt im Laufrad. Im gegenteiligen Fall waren die Mäuschen signifikante Bewegungsmuffel.

Na also, da wird es doch hell am Ende des Darmes. Vorausgesetzt, die fäkale Mikrobiom-Transplantation löst bei bewegungsträgen Menschen einen ähnlichen Energiewumms wie bei den Nagern aus.


Das meint Ihr Fritz Meyer, Allgemeinarzt


Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (8) Seite 53