Die Frage "Was kostet eine Praxis?" kann pauschal genauso wenig beantwortet werden wie die Frage "Was kostet ein Auto?". Beide Fragen hängen von den Gestaltungsdetails ab. Die Ausstattung und die Extras sind entscheidend. Nachdem wir in Ausgabe 1/2023 über die optimale Raumplanung einer Hausarztpraxis berichtet haben, erklärt die Fachberaterin Kathrin Geilert in diesem Beitrag, wie sie bei der finanziellen Planung eines Praxisausbaus vorgeht, was bei der Ausstattung "Pflicht und Kür" ist und mit welchen Summen Praxisinhaber:innen kalkulieren sollten.

Die Suche nach neuen, geeigneten Praxisräumen ist meist bereits Herausforderung genug. Fällt die Wahl aber auf eine Bestandsimmobilie, kommt es immer häufiger vor, dass vonseiten der Vermieter eine günstigere Miete in Aussicht gestellt wird, vorausgesetzt, die neuen Mieter übernehmen die Sanierung und nötige Grundrissänderungen. Das kann bedeuten: Wände versetzen, Bodenbeläge austauschen, Verlegung elektrischer Anschlüsse, Malerarbeiten und vieles mehr. Die Frage, die sich Ärzt:innen in dieser Situation stellen müssen, ist, ob es Sinn macht, diese Bauleistungen eigenständig zu finanzieren oder nicht. Die Antwort hängt vor allem von der Höhe des Investitionsrückstands der Räumlichkeiten ab. Was muss alles erneuert bzw. neu eingebaut werden?

Low- oder High-End-Budget?

Auf Basis der vorhandenen Grundrisse, Informationen, Fotos oder einer Vor-Ort-Begehung wird eine Komplettplanung erstellt. Wir bei Geilert kalkulieren immer zwei Budgets, einmal ein Low-Budget, in diesem ist alles enthalten, was notwendig ist, um eine funktionale und nachhaltige Praxis zu führen. Parallel erstellen wir die Planungen für ein High-End-Budget mit allem bis hin zu den Küchendetails im Personalraum. Nach einer internen Prüfung der Ideen auf Machbarkeit und Lieferbarkeit werden den Praxisinhaber:innen also meist zwei Entwürfe und die damit verbundenen Kosten vorgestellt. Das ist zwar zeitaufwendig, vermittelt derÄrzt:in aber bereits bei der ersten Material- und Formenauswahl Klarheit über mögliche Kosten, denn ein Umbau ist eine Finanzinvestition. So zeigt man beispielsweise von Beginn an alle Kosten auf und lässt die Praxisinhaber:innen wählen, was im ersten Bauabschnitt und was ggf. später gemacht werden soll. Typischerweise enthält solch ein Angebot den Ausbau, wie z.B. Trockenbau, Malerleistung, Fußbodenverlegung, Lichtkonzept sowie die Praxiseinrichtung. Elektriker und Installateure werden meist separat vor Ort angefragt, aber auf Empfehlung des Praxisspezialisten ausgewählt.

"Auf was können Sie verzichten?"

Häufig wird die Summe von 100.000 Euro als Gesamtbudget für einen Praxisausbau bei einer Praxisgröße von 100–130m2 genannt. In letzter Zeit wird diese Summe immer öfter im Laufe des Ausbauprojektes reduziert, z.B. auf 80.000 Euro. Wenn diese Entscheidung getroffen wird, lautet die erste Frage des Praxisplaners: "Auf was können Sie verzichten?" Denn der Entwurf steht. Zwar können bestimmte Elemente später, wenn die Praxis läuft und neues Geld vorhanden ist, eingefügt werden, aber das ist meist nur ein kleiner Teil. Bestimmte Stauraummöbel können später hinzugefügt werden, wenn die räumlichen Bedingungen in der Planung bereits dafür geschaffen wurden.

Aber ohne Verzicht geht eine Budgetreduzierung nicht. Der Hauptteil jedes Praxisbau-Budgets fällt erfahrungsgemäß auf den Empfangsbereich, die Behandlungsräume sowie Steri und Labor. Das liegt vor allem an den hohen hygienischen Anforderungen. Wer hier sparen will, ist sich der Folgen nur selten bewusst. Labormöbel aus der Küchenabteilung großer Möbeldiscounter zusammenzustellen, ist keine Lösung, um das Budget klein zu halten. Der Grund, warum im Labor oft Mineralwerkstoff für Oberflächen zum Einsatz kommt, ist ganz einfach: Er ist fugenlos, absolut hygienisch, pflegeleicht und erfüllt alle RKI-Richtlinien. Während Arbeitsplatten aus Schichtstoffen irgendwann aufquellen, Kanten und Silikonfugen vergilben und aufplatzen können. Ernste Probleme verursacht unhygienisches Mobiliar nach Begehungen des Gesundheitsamtes oder der Gewerbeaufsicht. Behandlungsräume, Steri & Labor und auch der Empfang eignen sich deshalb nur begrenzt, um das Budget zu minimieren. Natürlich kann der Einsatz von kostenintensivem Mineralwerkstoff beispielsweise auf die Arbeitsfläche, das Waschbecken und den Spritzschutz begrenzt werden. Tresen, Schränke, Oberflächen und Fronten können aus Spanplatten mit HPL-Schichtstoff gefertigt werden. Dieser ist besonders putzfreundlich und kann mit dem richtigen Zertifikat umweltschonend sein, da Spanplatten meist aus Rest- oder Schwachholz hergestellt werden.

Auch Details in Bezug auf die Innenausstattung der Ober- und Unterschränke können minimiert werden. Das reduziert zwar den Komfort im Praxisalltag, schränkt aber in keiner Weise die Funktionalität ein. Ähnliches gilt für den Empfangsbereich. Ein kubisch geformter Tresen aus Mineralwerkstoff mit eingefrästem Logo ist ein Highlight, aber eines, das sich nicht auf den Praxisablauf auswirkt. Ein geradliniger Tresen aus einem Dekorschichtstoff kann mit einem kreativen Design ebenso zum Highlight avancieren und putzfreundlich sein, aber zum kleineren Preis. Prinzipiell gilt, Mediziner:innen sollten eine hochwertige Praxiseinrichtung für eine möglichst lange Nutzungsdauer präferieren. Langlebige Möbel mit einer Nutzungsdauer von bis zu 20 Jahren sind und bleiben nachhaltig.

INFOKASTEN: Kostenschätzung - Das kommt auf Sie zu ...
Zur allgemeinen Orientierung können für jeden Teilbereich grobe Kostenschätzungen gemacht werden, so kann man beim Thema Boden von 80 bis 100 Euro pro qm ausgehen, egal ob Vinyl oder PVC. Bei der Lichtplanung inklusive Leuchten-Auswahl reicht der Schätzwert von 8.000 bis 15.000 Euro. Die Kosten für das ausbauende Gewerk bewegen sich meist in einem Rahmen von 70.000 bis 120.000 Euro – je nach Praxisgröße und Investitionsrückstau. Die Kosten für eine nachhaltige und funktionale Praxiseinrichtung (Möbel) liegen zwischen 60 und 120.000 Euro. Natürlich basieren all diese Kosten auf einer sehr guten Qualität, allerdings ohne Luxuselemente wie z.B. ein Teppich im Warteraum oder Armaturen in Sonderfarbe. Die Kosten für eine komplette Planung der Praxis betragen ca. 3.000 bis 5.000 Euro. Eine Summe, die normalerweise bei der späteren gemeinsamen Realisierung der Praxis (Auftragserteilung) bis zu 50% verrechnet wird. Die vielfach gefürchteten versteckten Kosten können dank intensiver Planung vermieden werden. Wichtig ist: Auch Details zählen! In jedem Möbelangebot sollten Fachböden für Schränke, Dosenbohrungen, Montageleistungen, Passleisten und Blenden bzw. Griffe an Schränken etc. enthalten sein. Auch Polsterbänke, Bestuhlung und Deko sollten im Angebotsumfang nicht fehlen.

Am richtigen "Ende" sparen

Sparen lässt sich durch kreative und praktische Lösungen vor allem im Wartezimmer, den Personal-und auch den Toilettenräumen. So muss die Personalküche keine Anfertigung vom Schreiner sein. Eine einfache Küchenzeile aus dem Küchenstudio ist hier durchaus eine mögliche Lösung. Im Warteraum kann älterem Equipment neues Leben eingehaucht werden. So kann bereits vorhandene Praxiseinrichtung weiter genutzt werden. Natürlich nur, wenn diese auch die heutigen Praxisbestimmungen erfüllen. Stabile, massive Warteraummöbel können an das neue Design angepasst werden. Neu gepolstert kann ein hochwertiger, funktionaler Stuhl aus der alten auch in der neu gestalteten Praxis genutzt werden. Trennwände können gleichzeitig Möbelfunktionen übernehmen und ein attraktives Farbkonzept kann einen einfachen, aber nachhaltigen Wohlfühlmoment erzeugen.

Ähnliches gilt in den Toilettenräumen, aber aufgepasst, denn auch hier ist schnell an der falschen Stelle gespart. Nachhaltig sparen, Geld wie auch Ressourcen, lässt sich durch die richtigen Armaturen. Spezielle Technologien reduzieren die Durchflussmenge einer Waschtischarmatur auf bis zu zwei Liter pro Minute. Auch effektiv sind sensorgesteuerte Armaturen, die den voreingestellten Wasserverbrauch und die berührungslose Nutzung erlauben. Hier liegen die Investitionskosten zwar höher, diese amortisieren sich aber in kurzer Zeit. Eine gute Planung berücksichtigt auch diese Möglichkeit. Ähnliches gilt bei der Lichtplanung. Als Energiesparquelle gilt auch der Einbau von langlebiger LED-Lichttechnik mit geringerer Wärmeentwicklung und minimalem Energieverbrauch. Bei der Auswahl von Material, Form und Strukturen empfehlen wir einen Blick auf die Folgekosten der gewünschten Nutzungsdauer, so ist zum Beispiel eine Sitzbank im Warteraum schneller gereinigt als jede Einzelbestuhlung.

Zukunftsfähig planen

Auch bei der Planung gilt es, nachhaltig zu planen. Vor allem, wenn die Möglichkeit besteht, später eine Erweiterung der Praxis durch eine weitereÄrzt:in vorzunehmen. Denn mehr Personal hat natürlich Auswirkungen auf die Anzahl der Behandlungsräume. Es ist schwierig, nachträglich irgendwo ein kleines ‚abgespecktes‘ Zimmerchen freizuräumen, um daraus ein funktionales Sprechzimmer zu machen. Zum einen ist die Personalsuche per se nicht einfach, so dass ein angenehmer und vollständig eingerichteter Arbeitsplatz punkten kann. Zum anderen muss für angestelltes Personal beim Einrichten der Arbeitsplätze die Arbeitsstättenrichtlinie (ASR) eingehalten werden. Das betrifft z.B. auch die Größe des Personalraumes und die Trennung der Personalumkleiden (m/w). Eine gute Planung beinhaltet diese spätere Entwicklung bereits, sei es durch Raumplanung, Anschlüsse oder Einbauten, ohne hohe Kosten zu verursachen.



Autorin

© RENE JUNGNICKEL
Kathrin Geilert

Fachberaterin bei der Geilert GmbH



Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (4) Seite 52-54