Frage: Seit Jahren gibt die KV die Bestimmung des Triglyceridspiegels beim Gesundheitscheck verbindlich vor. Dabei gilt ein Wert ab 150 mg/dl als pathologisch. Dieser Bereich geht bis 1.000 mg/dl. Es fällt mir schwer, diesen riesigen Bereich zu bewerten, zumal es früher hieß, die Triglyceride seien gefäßneutral. 150 mg/dl erscheint mir extrem niedrig. Gibt es belastbare Daten zur Steigerung des atherogenen Risikos für "moderate" Erhöhungen? Fibrate haben wie alle Medikamente Nebenwirkungen, die es gegen den potenziellen Nutzen abzuwägen gilt, wobei heutzutage auch der Patienteinbezogen werden muss. Gibt es Daten zur 10-Jahres-Inzidenz für Herz- und Hirninfarkte durch Nichttherapie einer TG-Erhöhung zwischen 150 und 199 mg/d?

Antwort: Es gibt eine Reihe von Datensätzen (z.B. aus der Copenhagen General Population Study und der Copenhagen City Heart Studie an über 116.000 Personen [1]), die belegen, dass sich das kardiovaskuläre Risiko mit steigenden Triglyceridwerten erhöht. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:

  • Es zeigt sich bereits bei Triglyceridwerten zwischen 1 und 2 mmol/l (89 – 187 mg/dl) eine Risikosteigerung um den Faktor 1,5 im Vergleich zu Triglyceridwerten von 1 mmol/l (89 mg/dl). Dabei sind alle anderen möglichen Faktoren, wie Alter, Geschlecht, Diabetes, Übergewicht etc., mit berücksichtigt (also schon herausgerechnet).
  • Das Risiko steigt weiter an, allerdings nur bis zu Werten von ca. 400 mg/dl; danach kommt es zu keiner weiteren Risikosteigerung.
  • Diese Risikosteigerung ist auch bei Statin-behandelten oder PCSK9-Hemmer-behandelten Patient:innen nachweisbar.
  • Es sind wahrscheinlich nicht die Triglyceride selbst, die Atherosklerose auslösen können, sondern die Lipoproteine, die die Triglyceride transportieren.

Triglyceride galten früher als "gefäßneutral", das ist richtig. Dem lag die Fehleinschätzung zugrunde, dass in der mit Atherosklerose verknüpften Konstellation "niedriges HDL-Cholesterin und hohe Triglyceride" das niedrige HDL-Cholesterin der "Schuldige" sei. Inzwischen weiß man, dass das Risiko mit den Triglyceriden verknüpft ist.

Fibrate haben wie alle Medikamente auch Nebenwirkungen. Das größere Problem ist, dass es keine überzeugenden Endpunktstudien gibt, die belegen, dass sich eine Fibrattherapie (insbesondere in Kombination mit Statinen) in eine Risikoreduktion überträgt. Man muss deshalb den Einsatz von Fibraten sehr kritisch sehen.

Absolutzahlen für die Risikosteigerung kann man nicht nennen, da das vom Ausgangsrisiko abhängt. Wenn alles andere gleich ist, führt eine Erhöhung des Triglyceridwertes von 100 mg/dl auf 300 mg/dl ungefähr zu einer Verdoppelung des Risikos. Bei sehr niedrigem Risiko ist vermutlich auch eine Verdoppelung noch sehr wenig, aber bei hohem Risiko (z. B. Patient mit Diabetes, Hypertonus und Carotisplaques) ist eine Verdoppelung des Risikos relevant.


Literatur
1) Pedersen S et al. JAMA Intern Med 2016 Dec 1;176(12):1834-1842.doi: 10.1001/jamainternmed.2016.6875



Autor

Prof. Dr. Klaus G. Parhofer

Medizinische Klinik IV – Großhadern
Klinikum der Universität München
81377 München

Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (4) Seite 42