Tatort: ein Baumarkt. Die Herausforderung: Ich wollte die Ansaugschläuche einer Gartentauchpumpe und eines Wasserspeiers lösbar miteinander verbinden und suchte dafür die passenden Schnellkupplungen mit unterschiedlichen Außen- und Innengewinden. Ein Klacks für den Experten.

Als Hobbybastler war ich jedoch restlos überfordert. Mit verzweifeltem Gesichtsausdruck bat ich dann eine dynamisch wirkende Fachberaterin um kompetenten Support, wie es heute in Neudeutsch heißt. Drei Schritte weiter und fünf Handgriffe später war mein Problem gelöst. Dumm scheinen oder dumm sein, das ist hier die Frage. Unter diesem Blickwinkel hat das wasserstoffblonde Starlet Daniela Katzenberger das Männervorurteil vom blonden Dummchen in einem vielbeachteten Bestseller zwischenzeitlich neu formuliert: "Sei schlau, stell dich dumm" und der scharfsinnige Kurt Tucholsky hat ihr schon vor Jahrzehnten auf gleichem Niveau sekundiert: "Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger."

Auch in der hausärztlichen Praxis gibt es Patient:innen, die diese Idee geschickt praktizieren. So betreute ich viele Jahre einen tüchtigen Handwerksmeister, der mit seiner Arbeit sogar überregionale Anerkennung gefunden hatte. In meiner Ordination bot er den Gegenentwurf: Mit hängenden Schultern schlurfte er in den Raum, die Flächen seiner schrundigen Hände zur Decke gewandt. Mit treuherzigem, Hilfe heischendem Dackelblick und leise stockender, monotoner Stimme trug er dann seine Probleme vor. Die gipfelten meist darin, dass er mir ein mehrseitiges Formular präsentierte, das ihm eine Behörde als Hausaufgabe zum Ausfüllen zugeschickt hatte. War darin auch nur eine Sentenz enthalten, die im Entferntesten mit Gesundheit, Arbeitgeber, MDK, Krankenkasse oder Rentenversicherung zu tun hatte, kam er stante pede in die Sprechstunde und erwartete von mir die Erledigung des Papierkriegs: "...ich weiß auch nicht ...irgendwie komme ich da nicht weiter ..." Weil mir ein klärendes Sachgespräch im Getümmel des Sprechstundenbetriebs meist zu langatmig war, konfiszierte ich in der Regel die Papiere mitsamt dem Kuvert, sicherte ihm zähneknirschend die Erledigung zu und war froh, die Arbeit erstmal vertagt zu haben.

Wieder und wieder kam mir dabei Heinrich Spoerls Pennälerposse, die "Feuerzangenbowle", in den Sinn. Dort agierte bekanntermaßen der skurrile Magister "Bömmel". Er lehrte Physik und leitete in seinem niederrheinischen Heimatdialekt die Erörterung schwierigerer Sachverhalte immer mit dem gleichen Satz ein: "Da stelle mer uns ma janz dumm." Sich dumm stellen als alltagstaugliches Überlebensmodell: Im richtigen Moment ist das vielleicht gar nicht so doof.


Das meint Ihr Fritz Meyer, Allgemeinarzt


Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (5) Seite 61