Keine Frage: Der globale Klimakollaps droht. Höchste Zeit also, gedankenlosen Energieverbrauch zu beenden und noch heute im eigenen Haushalt mit dem Stahlbesen der Energieeffizienz zu kehren. Im Fokus: die laufende Warmwasserproduktion.

Galt bislang der vertikal badende Warmduscher nur als belächeltes Symbol eines verweichlichten Zeitgenossen, so ist er jetzt trotz beispielhafter Körperpflege zu einem (un)verfrorenen Parasiten am klimaorientierten Volkskörper mutiert. Nicht ganz zu Unrecht: Immerhin verbraucht die Dusche etwa 15 Liter Wasser pro Minute plus der notwendigen Aufheizenergie. Bei einem 10-Minuten-Genussduscher kann die Energiebilanz schnell mal einem heißen Vollbad entsprechen.

Die radikalste Ausweichmöglichkeit wäre dann die reductio ad minimum. Non-Bathing heißt der neue Gamechanger im Energiesparmodus: Die einmalige Wässerung pro Woche reicht aus. Doch demgegenüber gibt es eine traditionelle und hygienisch appetitlichere Alternative. Seit 35 Jahren lebe ich im idyllischen Oettingen, das von der mäandrierenden Wörnitz umflossen wird. Und die hat für echte Oettinger Ureinwohner:innen eine fast mystische Bedeutung als Gesundheitsquelle. Das lernte ich schon bald in der Praxis kennen, als mir die ersten fundamentalistischen Kaltwasserfetischist:innen ihr Pläsier in hymnischen Tönen offenbarten. Für sie beginnt die Freiwasser-Badesaison im April und endet oft erst im November. Die Seniorin dieser Gruppe ist inzwischen 94 Jahre alt und schwärmt noch immer von der täglich zelebrierten Kaltwasseranwendung: Dem kurzen, aber frischen Mittagsbad folge nach dem Kältebibbern ein garantiertes, mehrstündiges Glücksgefühl.

Fachmännische Expertisen scheinen dies zu beweisen: Die Neurotransmitter Serotonin oder Dopamin werden kälteinduziert in größerer Menge produziert und ein Wohlfühl-Cocktail überschwemmt den schlaffen Körper. Doch warum sollte Otto Normalverbraucher die Leibeserfahrungen dieser Kaltwasserfreaks nicht auch morgens unter der Brause nutzen können? Hygiene ist gut, kalt geduscht perfekt. Und es kommt noch besser: Wie Wissenschaftler:innen herausfanden [N Engl J Med 2009 Apr 9;360(15):1500-8], kann der frierende Körper weiße in braune Fettzellen umwandeln. Diese speichern aber im Gegensatz zu den weißen Fettzellen keine Energie, sondern verbrennen bei dauerhafter Aktivierung 200 bis 400 Kilokalorien/Tag. Wenn das mal keine klare Botschaft ist: Der kalten Dusche darf dann ein deftiges Frühstück folgen.


Das meint Ihr Fritz Meyer, Allgemeinarzt


Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (1) Seite 63