Mehr als sechzehn größere Dialektverbände machen die deutsche Sprache bunt und die kreative Gestaltungskraft des Volksmundes ist fast unerschöpflich. Gerade in Krisensituationen versucht die Mehrzahl unserer Mitbürger mit alltagserprobtem Pragmatismus und ironisch getöntem Humor möglichst schadlos über die Runden zu kommen. Quarantänevorschriften werden mit der Elektrikerweisheit "Lieber kurz isoliert als lang geerdet" kolportiert und wenn schon ein Mund-Nasen-Schutz erforderlich ist, dann wird er wenigstens mit einem ordentlichen Spitznamen belegt.

Als meine Ehefrau kürzlich wieder einmal den Figaro ihres Vertrauens im fränkischen Nachbarlandkreis aufsuchte, war das Tragen der Mund-Nasen-Masken das beherrschende Thema und der stark mundartlich geprägte Haarkünstler sprach dabei nur von einem "Gschmarrifilter". Die fragende Ratlosigkeit meiner südwestfälisch sozialisierten Gemahlin konnte ich mit einem Blick in den Duden etymologisch auflösen. Weniger abwertend als der bayerische "Schmarrn" werden Ungereimtheiten oder Unsinn vom Franken gerne als "Gschmarri" bezeichnet. Die so kreierte Neubenennung ist also eine charmante, doppelsinnige und sehr bodenständige Nutzungserklärung des aktuell vorgeschriebenen Mund-Nasen-Filters, der die Kontaktpersonen der Träger:in nicht nur vor deren Ausatmungsnebeln, sondern auch vor den verbalen oder geistigen Fehltritten schützt. Die Schwaben verwenden da schon lieber eine kulinarische Metapher und reden sich die medizinische Schutzwehr als "Maultäschle" schön. In dieser Bildhaftigkeit läuft einem quasi schon beim Aussprechen das Wasser im Mund zusammen und lässt die delikaten Teigtaschen nach einem Arbeitstag mit Maske fast noch besser schmecken. In Richtung Maulkorb geht dann schon eher das schwäbische "Goschenduch", welches sich von der alemannisch-bairischen "Goschn" ableitet, einer eher derben Bezeichnung für Mund. Plakativ ist die Benennung allemal und so kann das "Goschenduch" sowohl zur Vermeidung unnötiger Viruseruptionen als auch zur Reduzierung überflüssiger Diskussionen beitragen.

Weiter nördlich ist der "Sn(u)utenpulli" zu verorten, der aus dem ostfriesischen Wort für Schnauze, Maul und Gesicht gestrickt wurde. Weil ein Pulli bekanntermaßen wärmt, outet sich die ostfriesische Mund-Nasen-Maske als Kälteschutzwall der unteren Gesichtshälfte. Mit dem "Bützjekondom" kommt last but not least Erotik ins Spiel. Im rheinländischen Karneval ist das Verteilen von "Bützjes", den "Küsschen mit geschürzten Lippen auf die Wange", ein traditionelles Ritual, das aber nicht "mit anderen Begehrlichkeiten" (Wikipedia) verwechselt werden sollte. Na bitte! So ist also das "Bützjekondom" nicht nur ein virologisches Muss, sondern schirmt ganz im Sinne der An- und Abstandsregeln auch vor unsittlichen Avancen ab.


Dies meint Ihr Fritz Meyer, Allgemeinarzt


Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (6) Seite 71