Die Behandlung von Infektionen im Kindesalter ist eine alltägliche Aufgabe für Hausärzt:innen. Da Indikation und Dosierung der Antibiotikaverordnungen im Kindesalter eine besondere Herausforderung darstellen, ist eine gute Kenntnis der zugelassenen Medikamente und der gängigen pädiatrischen Krankheitsbilder erforderlich. Dieser Beitrag gibt einen Überblick zu den Top-3-Vorstellungsanlässen von Kindern in der Praxis.

Kleinkind mit Halsschmerzen
Mia, fünf Jahre alt, wird in Ihrer Praxis vorgestellt, nachdem im Kindergarten Fälle von "Scharlach" aufgetreten sind. Sie klagt seit dem Vortag über Schluckbeschwerden. Begleitend hat sie leicht erhöhte Temperatur (37,8 °C), eine Rhinitis und sei müder als sonst. Husten hat sie nicht. Sie schätzen die Atemarbeit klinisch als nicht erhöht und den Allgemeinzustand als zufriedenstellend ein. Die Rekapillarisierungszeit ist prompt. In der Untersuchung sehen Sie eine Rachenringrötung mit leicht vergrößerten Tonsillen ohne Beläge sowie eine zervikale Lymphknotenschwellung.Bei einem McIsaac-Score von 4 Punkten entscheiden Sie sich zur Durchführung eines GAS-Schnelltests bei Mia. Dieser bringt ein negatives Ergebnis. Sie verzichten bei zufriedenstellendem Allgemeinzustand Mias sowie fehlendem Fieber und negativem GAS-Schnelltest auf eine antibiotische Therapie und vereinbaren ein abwartendes Vorgehen mit Wiedervorstellung bei Allgemeinzustandsverschlechterung. Mias Infekt klingt unter symptomatischer Therapie mit Paracetamol (10 – 15 mg/kgKG, maximal 4 ED/Tag, altersabhängige Tagesmaximaldosis 60 mg pro kg Körpergewicht des Kindes) und sekretolytischen Nasentropfen nach drei Tagen ab.

Im Vor- und Grundschulalter ist der häufigste Vorstellungsanlass Husten [1], in aller Regel im Rahmen von (viralen) Infekten der oberen Atemwege. An zweiter Stelle stehen Halsschmerzen [1]. Fieber als Symptom diverser infektiöser und nichtinfektiöser Erkrankungen ist ein weiterer häufiger ambulanter Vorstellungsanlass.

Bei all diesen Vorstellungsanlässen sollte man zunächst eruieren, ob eine ambulante Behandlung ausreicht oder ob eine stationäre Therapie notwendig ist. Ein schlechter Allgemeinzustand, Meningismus, anhaltendes Fieber trotz gewichtsadaptierter Antipyrese, ausbleibende klinische Besserung bzw. Verschlechterung im Krankheitsverlauf etc. sind Warnzeichen. Diese sollten zur zeitnahen Vorstellung des Kindes in einer Kinderklinik führen.

Um den eigenen ersten Eindruck in der Praxis systematisch zu erfassen und kritisch kranke Kinder zu erkennen, kann das PAT (pediatric assessment triangle)
der American Academy of Pediatrics [2] hilfreich sein: Dabei werden der klinische Eindruck von Allgemeinzustand, Atemarbeit und Kreislaufzustand erfasst. Wird einer der Bereiche als relevant eingeschränkt bewertet, gilt das Kind als kritisch krank.

Merke: Um die Kreislaufsituation zu beurteilen, bietet sich bei Kindern die Messung der zentralen Rekapillarisierungszeit an Stirn oder Sternum an (< 3 Sekunden = normal).

Akute Otitis media (AOM)

Akute Ohrenschmerzen als Vorstellungsanlass kommen häufig vor und können bei immunkompetenten Kindern ohne relevante Vorerkrankungen oft mit symptomatischer Strategie (Analgesie, Antipyrese, Nasentropfen u.a.) behandelt werden. Eine antibiotische Therapie ist bei Säuglingen unter sechs Monaten, bei protrahiertem Verlauf ohne spontane Regredienz nach 48 bis 72 Stunden und/oder bei schwerer Grunderkrankung indiziert. Bei Kindern zwischen sechs und 24 Monaten sind eine ausgeprägte Otalgie, ein schlechter Allgemeinzustand und Fieber (> 38,5 °C Körpertemperatur) hinweisend auf eine schwere AOM. Dann ist auch bei diesen Kindern eine antibiotische Therapie indiziert. Als Antibiotikum ist Amoxicillin 50 mg/kgKG/Tag in 2–3 ED empfohlen. Die Dauer der antibiotischen Behandlung beträgt 5 bis 10 Tage und richtet sich neben dem Alter auch nach einer möglichen Grunderkrankung und anderen Risikofaktoren. Die altersentsprechende Maximaldosierung gemäß der jeweils gültigen Fachinformation ist zu beachten.

Eine Otorrhoe allein stellt keine Indikation zur antibiotischen Therapie dar. Auch in diesem Fall gilt, dass eine antibiotische Therapie erst bei ausgeprägter Krankheitsschwere (Fieber, Otalgie, Persistenz) empfohlen wird. Wichtig ist für alle Patient:innen eine klinische Reevaluation (in spätestens 48 bis 72 Stunden), um abwendbar klinisch gefährliche Verläufe frühzeitig zu erkennen.

Merke: Die antibiotische Therapie der AOM ohne Komplikationen erfolgt oral mit Amoxicillin bei Kindern ab 6 Jahren über 5 (bis 7) Tage.

Tonsillopharyngitis

70 bis 95 % der infektiös bedingten Halsschmerzepisoden im Kindesalter sind viraler Genese [3]. Darauf hinweisen können begleitende Symptome einer oberen Atemwegsinfektion wie Husten, Rhinitis, ebenso wie Konjunktivitis oder gastroenteritische Symptome. Diverse Erreger kommen infrage, wie zum Beispiel Adenoviren, Coxsackieviren, Coronaviren, Influenza- und Parainfluenzaviren sowie das Epstein-Barr-Virus. Bakteriell spielt im ambulanten Bereich die Tonsillopharyngitis durch Gruppe-A-Streptokokken (GAS) die größte Rolle.

Zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer GAS-Tonsillopharyngitis können klinische Scoring-Systeme wie der McIsaac-Score genutzt werden. Der McIsaac-Score wird als Summenwert wie folgt berechnet:

  • Fieber > 38 °C  1 Punkt
  • Fehlen von Husten  1 Punkt
  • Hals-Lymphknoten-Schwellung  1 Punkt
  • Tonsillen-Schwellung oder -Exsudate  1 Punkt
  • Alter > 3 Jahre < 15 Jahre  1 Punkt

Bei mehr als drei Punkten und klinischem Verdacht auf eine GAS-Tonsillopharyngitis kann ein Schnelltest zum GAS-Nachweis erwogen werden. Bei einem McIsaac-Score von drei Punkten ist die Wahrscheinlichkeit für eine GAS-Tonsillopharyngitis bei 35 %, bei vier bis fünf Punkten 50 %. Wenn Sie klinisch den dringenden Verdacht auf das Vorliegen einer GAS-Tonsillopharyngitis trotz negativen GAS-Schnelltests haben, kann ein kultureller Nachweis (Goldstandard) erfolgen.

Der Anti-Streptolysin-Antikörper-Titer ist kein diagnostisches Mittel zur Diagnose einer akuten GAS-Tonsillopharyngitis. Er kann bei Verdacht auf eine Streptokokken-assoziierte immunologische Folgeerkrankung hilfreich sein.

Neben einer klinischen Symptomatik, die auf eine bakterielle Infektion hinweist, ist bei klinischer Relevanz vor Beginn einer antibiotischen Therapie ein positiver GAS-Nachweis zu fordern. Die Antibiotikatherapie bei GAS-Tonsillopharyngitis erfolgt mit Penicillin V 50.000 – 100.000 IE/kgKG/Tag p.o. in (2–) 3 ED oder mit Benzathin-Penicillin V 50.000 IE/kgKG/Tag p.o. in 2 ED. Die altersentsprechende Maximaldosierung gemäß der jeweils gültigen Fachinformation ist zu beachten.

Merke: Die antibiotische Therapie der GAS-Tonsillopharyngitis erfolgt mit Penicillin G über 7 Tage. Indikation und Haupteffekt der Therapie ist die Verkürzung von Infektiosität und Krankheitsdauer.

Zystitis

Bei der Diagnostik der Zystitis ist zunächst die Wahl des korrekten diagnostischen Mittels wichtig. Ein Beutelurin kann Ihnen höchstens bei vollständig blandem Befund als Ausschlussdiagnostikum dienen. Weist er Auffälligkeiten auf, so ist eine korrekte Uringewinnung ("Clean-catch-Urin", Einmalkatheter-Urin oder Uringewinnung per Blasenpunktion) anzustreben.

Bei Säuglingen mit Fieber ohne eindeutigen anderen Fokus sollte immer eine Urindiagnostik zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion erfolgen. Bei Harnwegsinfektion sollte bei allen Säuglingen unter sechs Lebensmonaten, Patient:innen mit deutlich reduziertem Allgemeinzustand, Nahrungs- u./o. Flüssigkeitsverweigerung, Erbrechen u./o. Durchfall, Non-Compliance, komplizierter Pyelonephritis und Verdacht auf Urosepsis eine parenterale antibakterielle Therapie erfolgen.

Merke: Eine ambulante Therapie kommt bei Kindern und Jugendlichen nur für den unkomplizierten Harnwegsinfekt in Betracht. Bei Hinweisen auf einen aszendierenden Harnwegsinfekt ist meist eine intravenöse antibiotische Therapie zu empfehlen. Bei jeder ersten Harnwegsinfektion sind immer eine relevante Harntransportstörung, Nierenfehlbildung und Urolithiasis auszuschließen.

Zur antibakteriellen Therapie der unkomplizierten Harnwegsinfektion sollten geeignete Wirkstoffe gewählt werden, deren Resistenzrate bei E. coli in der regionalen Umgebung des Kindes unter 20% liegt. Meiden Sie zur Verhinderung von Resistenzentwicklung zur Therapie einer unkomplizierten Zystitis Cephalosporine. Für die Behandlung der unkomplizierten Zystitis eignen sich unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzen Trimethoprim (6 mg/kgKG/Tag in 2 ED p.o., nicht vor dem sechsten Lebensmonat; Jugendliche über zwölf Jahre 300–400 mg/Tag p.o. in 2 ED)oder Nitrofurantoin (3–5 mg/kgKG/Tag, nicht vor dem dritten Lebensmonat; Jugendliche: 200–300 mg/Tag p.o. in 2 (–4) ED) für 3–5 Tage.

TIPPS: Medikamenten-Übersichten und weiterführende Literatur für die eigene Praxis
Die Arbeitsgemeinschaft Antibiotic Stewardship ambulante Pädiatrie (ABSap) in der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) veröffentlicht eine Übersicht für den Praxistisch oder die Kitteltasche inklusive Empfehlungen zur Auswahl und Dosierung bei immungesunden Kindern und Jugendlichen.
  • Aufzurufen über die Website der DGPI www.dgpi.de unter ABSap als PDF "Empfehlungen zur antibiotischen Standardtherapie häufiger Infektionskrankheiten in der pädiatrischen Praxis"
  • Wer seine Kenntnisse vertiefen möchte, kann hier nachlesen: Hufnagel, M., Simon, A., Trapp, S. et al. Antibiotische Standardtherapie häufiger Infektionskrankheiten in der ambulanten Pädiatrie. Monatsschr Kinderheilkd 169, 258–265 (2021). https://doi.org/10.1007/s00112-020-01011-w
  • Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat 2021 in einem Sonderheft einen Artikel mit Empfehlungen für die eigene Praxis veröffentlicht: "Antibiotic Stewardship in der kinder- und jugendärztlichen Praxis – gemeinsam (be)handeln!". Aufzurufen ebenfalls über die DGPI https://dgpi.de › wp-content › uploads › 2021/10.
  • Zusätzlich gibt es zu vielen Krankheitsbildern Pädiatrie-spezifische Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF): https://www.awmf.org/leitlinien.html
  • Wer ein echtes Nachschlagewerk für die eigene Praxis im Regal haben möchte, der kann das DGPI Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen kaufen, welches die konsentierten Handlungsempfehlungen der Fachgesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e. V. umfasst (ISBN: 978-3-13-240790-9, ca. 114 €, Thieme Verlag).
  • Redaktioneller Hinweis: Die gültigen Fachinformationen für die aufgeführten Medikamente sind zu beachten. Eine Gewährleistung für die beschriebenen Dosierungen kann nicht übernommen werden. Die Tagesmaximaldosis sowie etwaige Kontraindikationen aufseiten des Patienten/der Patientin sind in jedem Fall zu beachten.

Pädiatrische Besonderheiten bei Antibiotika-Verordnungen

Der vielzitierte Satz "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen" gilt auch bei der Auswahl der antibiotischen Therapie. Diverse Faktoren führen dazu, dass die Dosierung von Medikamenten bei Kindern unserer besonderen Vorsicht bedarf. So führen Unterschiede im Blutverteilungsvolumen, der Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt sowie der Nieren- und Leberfunktion zu anderen Bioverfügbarkeiten der Antibiotika bei Kindern. Es gibt Studien, in denen gezeigt wurde, dass bis zu 50 % der Antibiotikatherapien im Kindesalter falsch verordnet sind. Achten Sie deswegen besonders auf alters- und gewichtsangemessene Dosierungen.

Merke:

  • Wenn eine antibiotische Therapie erforderlich ist, dann soll sie möglichst rational und möglichst schmal erfolgen. Dabei ist das altersabhängige Erregerspektrum zu beachten.
  • Stellen Sie sicher, dass Sie wissen, welche Präparate die Apotheke auf Ihre Verordnung hin aushändigt und leiten Sie Eltern in der korrekten Dosierung an. Denn Eltern benötigen meist präzise Anleitungen für das Anrühren und die Verwendung von antibiotischen Säften, um diese korrekt zu dosieren. Wenn sich eine begonnene antibiotische Therapie als nicht sinnvoll erweist, kann und soll sie zu jedem Zeitpunkt beendet werden. Eine Resistenzentwicklung ist dadurch nicht zu befürchten.
  • Wo immer möglich, soll die lokale Anwendung von Antibiotika vermieden werden. Bei umschriebenen Hautinfektionen kann bei fieberfreien Kindern in gutem Allgemeinzustand eine antiseptische Therapie (z. B. mit Octenidin) erfolgen.
  • Abwartendes Offenlassen ist auch für Kinder ein angemessenes hausärztliches Therapieprinzip.
  • Wenn Zweifel an der Compliance bestehen, bestellen Sie die Patient:innen zur zeitnahen Kontrolle wieder ein, um die Situation zu reevaluieren.
  • Um weiterer Resistenzentwicklung vorzubeugen, sollen Makrolide und Cephalosporine unter Beachtung bereits bestehender Resistenzen nur gezielt eingesetzt werden.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Häufige Beratungsanlässe bei Kindern sind Husten, Halsschmerzen und Fieber.
  • Bei reduziertem AZ, anhaltendem Fieber und fehlender Besserung ist die Vorstellung in einer Kinderklinik indiziert.
  • Die meisten Atemwegsinfektionen sind viraler Genese und erfordern keine Antibiotikagabe.


Literatur:
1 Fegeler, U., Jäger-Roman, E., Rodens, K. Akute Vorstellungsanlässe in Praxishandbuch der Pädiatrischen Grundversorgung. 2017:157–357. Published online 2017 Sep 22. German. doi: 10.1016/B978-3-437-21281-9.00006-2
2 Dieckmann RA, Brownstein D, Gausche-Hill M. The pediatric assessment triangle: a novel approach for the rapid evaluation of children. Pediatr Emerg Care. 2010 Apr;26(4):312-5. doi: 10.1097/PEC.0b013e3181d6db37. PMID: 20386420.
3 Berner, R., Bialek, R., Forster, J. et al. DGPI Handbuch. Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. 7. vollständig überarbeitete Auflage 2018. ISBN: 9783132407909.


Autorinnen

© privat
Dr. med. Nicole Töpfner (Foto)

Pädiatrische Infektiologie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden
01307 Dresden

Janina Soler Wenglein
Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Kinderzentrum im Haus Gilead I
33617 Bielefeld
Interessenkonflikte: Die Autorinnen haben keine deklariert.



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (8) Seite 18-21