Obwohl die Schafgarbe (Achillea millefolium) bei uns überall wächst, werden ihre heilenden Eigenschaften kaum genutzt. Doch zu Unrecht! Denn die Schafgarbe besitzt ein umfangreiches Spektrum wertvoller Inhaltsstoffe.

Achilles, der größte Held der Griechen vor Troja, heilte mit der Schafgarbe die Wunden seiner Krieger. Daher auch der lateinische Name "Achillea", wobei "millefolium" die "Tausendblättrige" heißt. Die heute verwendete Droge – das Schafgarbenkraut (Herba Millefolii) bzw. die -blüten – stammt aus Wildbeständen und Kulturen. Als Droge werden die getrockneten, blühenden Triebspitzen von Achillea millefolium gesammelt. Als wirksamkeitsmitbestimmender Inhaltsstoff ist zuerst 0,2 bis über 1 % etherisches Öl zu nennen, in dem bis jetzt über 100 verschiedene Bestandteile (wie z. B. Cineol, Campher, Monoterpene und Sesquiterpene) nachgewiesen wurden. Bedeutsam ist auch der Gehalt an Proazulenen (z. B. an Guajanoliden) im etherischen Öl, aus denen bei der Wasserdampfdestillation des Öls das wichtige entzündungshemmende Chamazulen entsteht. Weitere Inhaltsstoffe sind Flavonoide, Phenolcarbonsäuren (die aus der Artischocke bekannten Bitterstoffe Mono- und Dicaffeoylchinasäuren, Luteolin-O-β-D-Glucuronid), Sesquiterpenlactone, Polyacetylene sowie Betaine.

Innere und äußere Anwendung möglich

Die Kommission E beim damaligen Bundesgesundheitsamt nennt für das Schafgarbenkraut bzw. die -blüten in ihrer Monografie folgende Anwendungen:
  • Appetitanregung (innere Anwendung)
  • dyspeptische Beschwerden wie leichte krampfartige Beschwerden im Magen-Darm-Bereich (innere Anwendung)
  • Pelvipathia vegetativa (krampfartige Schmerzzustände psychovegetativen Ursprungs im kleinen Becken der Frau), Anwendung als Sitzbäder

Und als Wirkungen werden aufgezählt:
  • choleretisch (Mono- und Dicaffeoylchinasäuren, Luteolin, Betaine)
  • antibakteriell (etherisches Öl, Sesquiterpenlactone, Polyacetylene)
  • adstringierend (Gerbstoffe)
  • spasmolytisch (Flavonoide)

Später konnten noch folgende pharmakologische Eigenschaften nachgewiesen werden:
  • antiphlogistisch (Sesquiterpenlactone, etherisches Öl)
  • sekretions- und appetitanregend (Bitterstoffe)

Diese Aussagen der Kommission E werden wissenschaftlich durch ESCOP-, WHO- und HMPC (TU)-Monografien unterstützt. Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sind nicht bekannt. Als Gegenanzeigen gelten Allergien gegen die Schafgarbe und andere Korbblütler. Da keine ausreichenden Untersuchungen vorliegen, sollten Schwangere, Stillende und Kinder unter 12 Jahren auf die Anwendung dieser Heilpflanze verzichten!

Warum nicht als Tee verordnen?

Leider steht die Schafgarbe als Heilpflanze meist im "Schatten" der echten Kamille. Deshalb liegen auch keine kontrollierten klinischen Studien vor. So erfolgt heute die Anwendung dieser Heilpflanze aufgrund langer therapeutischer Erfahrungen und auf der Basis pharmakologischer Untersuchungen. Dabei ist der Azulengehalt in einer guten Schafgarbenspezies höher als in Kamillenblüten und bei Verdauungsbeschwerden und zur Appetitanregung ist diese Heilpflanze aufgrund ihrer Bitterstoffe der echten Kamille überlegen. Das Schafgarbenkraut ist als Droge oder Pflanzenauszug Bestandteil diverser pflanzlicher Kombinationspräparate. Monopräparate mit Schafgarbe als pflanzliche Arzneimittel sind – vom Tee abgesehen – nicht im Handel. Tees und Teemischungen wurden früher vom Arzt genauso wie Tabletten, Zäpfchen oder Säfte verordnet. Leider ist die interessante Arzneiform Tee beim Arzt heute fast in Vergessenheit geraten. Doch warum einem Patienten mit dyspeptischen Beschwerden oder mit Appetitlosigkeit im Alter nicht einmal Schafgarbentee verordnen? Vor allem, wenn andere Mittel versagt haben! Hier ist aber einiges zu beachten: Die Schafgarbe ist eine Sammelart, die aus vielen Klein- und Unterarten besteht. Sie weisen ein recht unterschiedliches Spektrum an wirksamkeitsmitbestimmenden Inhaltsstoffen auf. Wer eine wirkstoffreiche und damit therapeutisch wertvolle Heilpflanze haben möchte, sollte Schafgarbe nur in der Apotheke kaufen. Denn das Deutsche Arzneibuch bzw. das Europäische Arzneibuch fordern von dieser Schafgarbe eine ausreichende Konzentration an Bitterstoffen (Bitterwert mindestens 3.000) sowie an 0,2 bis 1,4 % etherischem Öl mit 25 % Azulen. Die Tagesdosis beträgt 4,5 g Schafgarbenkraut, aufgeteilt auf dreimal täglich 1,5 g Droge (1 Teelöffel). Das entspricht drei Tassen Tee. Bei Appetitlosigkeit wird der Tee eine halbe Stunde vor der Mahlzeit getrunken, bei dyspeptischen Beschwerden nach den Mahlzeiten. Bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum haben sich Spülungen mit Schafgarbentee bewährt. Hier kommen die antientzündlichen, adstringierenden und antimikrobiellen Eigenschaften zum Tragen. Für Sitzbäder nimmt man 100 g Schafgarbenkraut auf 20 Liter Wasser.

Unter dem Namen Millefolium gilt die Schafgarbe in der Homöopathie als bewährtes Mittel bei hellroten Blutungen jeglicher Genese: Wunden, Nasenbluten, Menorrhagie u. a.

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Autor:

Ernst-Albert Meyer

Fachapotheker für Offizin-Pharmazie und Medizin-Journalist
31840 Hessisch Oldendorf

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (3) Seite 59-60