Derzeit kommt für die Hausärzt:innen einiges zusammen: der geplante Wegfall der Neupatientenregelung, deutlich steigende Praxis- und Energiekosten, die zwar zugesagte, aber weiterhin ausbleibende Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen oder auch die Bevorzugung der Krankenhäuser bei dem noch zu schnürenden neuen Reformpaket.

Doch das ist noch längst nicht alles. Ständig tauchen neue Berufsgruppen auf, die die Lotsenfunktion der Hausärzt:in infrage stellen: erst der Physician Assistant (PA), dann die Community Health Nurse (CHN) und jetzt auch noch die mit wieder anderen Fachkräften zu bestückenden Gesundheitskioske.

Einbruch in die Hausarzt-Domäne

Was die hausärztlich tätigen Ärzt:innen dabei besonders wurmt: Alle diese neuen Player sollen in der Primärversorgung mitmischen, in einem urhausärztlichen Feld also. Beispiel CHN: Sie soll nach dem Vorbild aus der Schweiz oder den skandinavischen Ländern Präventionsaktionen begleiten, in die Chronikerberatung einsteigen, "Bagatell"-Behandlungen selbst vornehmen und regionale Care- und Case-Managementprogramme vorantreiben. Das ist Primärversorgung pur. Zudem soll sie im Rahmen von Hausbesuchen als Netzwerkerin fungieren, um dort Kontakte zum Versorgungssystem herzustellen, wo sie fehlen oder nicht funktionieren. Für die Bundesregierung ist das genau der richtige Weg, um die zum Teil eklatanten Versorgungsdefizite aufzufangen, hat Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, gerade bekräftigt. Es gebe viel zu wenig hausärztlich tätige Ärzt:innen, um die primärärztliche Versorgung gänzlich allein zu stemmen. Und schließlich seien die nichtärztlichen Gesundheitsberufe hochqualifiziert, was der verstärkte Einsatz der VERAH oder NäPA zeige. Genau wegen des erfolgreichen Einsatzes der VERAH oder NäPA seien keine weiteren Berufsfelder mehr nötig, halten die Hausärzt:innen entgegen. Das Modell funktioniere auch nur, weil diese – unter der Regie von Hausärzt:innen – fest in die Praxis eingebettet sind. Mit der CHN oder anderen Fachkräften in den geplanten 1.000 Gesundheitskiosken würde die Anbindung an die Arztpraxen fehlen und nur wieder neue und unnötige Schnittstellen entstehen.

Jede Gesundheitsfachkraft wird gebraucht

Das ist zwar alles richtig, aber nicht zu Ende gedacht. Denn eigentlich benötigen wir heute jede einzelne Gesundheitsfachkraft dringender denn je. Und diese wären durchaus auch integrierbar. CHN könnten genau wie ein PA in einem Primärversorgungszentrum angestellt werden und wären somit – als ergänzende und entlastende Kraft – eng in einem Gefüge eingebettet, in dem sie ihre spezifischen Kompetenzen einbringen könnten. Möglich wäre auch ein kommunales Beschäftigungsverhältnis über ein regionales Ärzte- oder Hausärztenetz. Damit das klappt, wären aber von allen Seiten Zugeständnisse nötig,


... meint Ihr

Raimund Schmid


Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (11) Seite 31