Schwere COVID-19-Verläufe sind nicht allein auf die Infektion durch SARS-CoV-2, sondern ganz wesentlich auf eine entgleiste Immunreaktion zurückzuführen. Ein Forschungsteam hat jetzt eine zelluläre Stressreaktion identifiziert, die zur Immun-Entgleisung maßgeblich beiträgt: die Seneszenz.

Zelluläre Seneszenz ist ein Gewebe-Schutzprogramm bei Stress und drohender Schädigung, als programmierter Zellteilungsstopp bewahrt sie den menschlichen Körper davor, dass Krebs entsteht. Wenig beachtet waren bisher einzelne Hinweise, dass auch eine virale Infektion Seneszenz auslösen kann. Das Team konnte nun zeigen, dass das zelluläre Stressprogramm eine lawinenartige Entzündungsreaktion einleitet, an deren Ende die COVID-19-typische Lungenentzündung steht.

Doch lässt sich dieser Prozess stoppen? Die Forscher:innen untersuchten dazu im Tiermodell den Effekt von 4 Wirkstoffen, die gezielt seneszente Zellen angreifen: Navitoclax, Fisetin, Quercetin und Dasatinib. Zwei dieser Senolytika sind pflanzliche Wirkstoffe, zwei werden für die Krebstherapie genutzt bzw. getestet. Alle 4 Substanzen waren bei Hamstern und Mäusen in unterschiedlichem Maße in der Lage, den Entzündungssturm zu normalisieren und die Lungenschädigung abzuschwächen. Die Ergebnisse deuten an, dass eines der Senolytika auch beim Menschen die Wahrscheinlichkeit eines schweren COVID-19-Verlaufs senken konnte. Bevor man Senolytika für eine Behandlung von COVID-19 in Betracht ziehen könne, seien allerdings noch viele Fragen zu klären, so die Autoren. Die Studie habe aber gezeigt, dass verschiedene Zelltypen nicht nur nach einer Infektion mit SARS-CoV-2, sondern auch mit ganz anderen Viren Seneszenz auslösen. Diese Erkenntnisse könnten auch für andere Infektionskrankheiten relevant sein, bei denen die Immunreaktion für den Krankheitsverlauf eine große Rolle spielt.


Quelle:
Lee S et al. (2021) Nature. DOI: 10.1038/s41586-021-03995-1