Die Allgemeinärzte sind das Rückgrat der Gesundheitsversorgung – und wollen dies auch im neuen Jahr bleiben. Dass sie das Steuer in der ambulanten medizinischen Versorgung selbstbewusst in der Hand behalten wollen, wurde beim Neujahrsempfang des Deutschen Hausärzteverbandes (DHÄV) deutlich. Denn die Gesundheitspolitik unter Jens Spahn will ihren forschen Gesetzeskurs aus dem vergangenen Jahr weiter fortsetzen. Und manches davon stößt dem DHÄV bitter auf.
Persönlich trat der Bundesgesundheitsminister im Berliner Capital Club zwar nicht auf, er schickte aber seinen Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart zum Neujahrsempfang. Der sollte den Hausärzten – und nicht nur ihnen – gleich zu Jahresbeginn klarmachen, dass der politische Gestaltungswille im Bundesgesundheitsministerium auch im neuen Jahr ungebrochen sein werde und dass man weiter mit voller Kraft das Ruderboot, in dem man gemeinsam sitze, vorantreiben wolle.
Ehrliche Debatten …
In seinem Grußwort wünschte Gebhart sich hier eine offene und ehrliche Debatte zwischen Verbänden und Politik, bei der man immer im Hinterkopf behalten sollte, dass auch der andere einmal Recht haben könnte. Alle Reformen hätten das Ziel, die Versorgung der Patienten in Deutschland zu verbessern und effektiver zu machen. Um den Hausärztemangel zu bekämpfen, sprach Gebhart sich zum Beispiel ausdrücklich dafür aus, mehr Medizinstudienplätze zu schaffen.
… aber auch klare Entscheidungen
Mit einem afrikanischen Sprichwort wollte Gebhart am Ende noch einmal den Standpunkt seines Ministers verdeutlichen: "Worte sind schön, aber die Hühner legen die Eier." Kurz gesagt: Am Ende aller Debatten müssen Entscheidungen stehen, mit denen die vorhandenen Probleme gelöst werden können. Damit bezog sich der Staatssekretär vermutlich auf die anstehenden Reformen der Notfallversorgung und des Medizinischen Diensts der Krankenkassen sowie auf das zweite Digitalisierungsgesetz, das die Einführung einer elektronischen Patientenakte im Jahr 2021 vorsieht. Hier werde das Ministerium in den nächsten Wochen einen Entwurf vorlegen.
Sorgen um die Hausarztverträge
Etwas spöttisch konterte Ulrich Weigeldt, der Bundesvorsitzende des DHÄV, die Worte des Gesandten aus dem Bundesgesundheitsministerium: "Bei der großen Flut von Gesetzesinitiativen ändern sich im Rahmen des Verfahrens jetzt sogar die Namen der Gesetze." Konkret bezog er sich damit vermutlich auf das Fairer Kassenwettbewerb-Gesetz, kurz FKG, das im letzten Jahr noch als Gesetz für einen fairen GKV-Kassenwettbewerb an den Start gegangen war. Dieses Gesetz schlägt dem Verband besonders aufs Gemüt, denn es enthält Passagen, die für das bislang so erfolgreiche Lieblingsprojekt des Hausärzteverbands, die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV), zur ernsten Bedrohung werden könnten. So sieht das FKG in seinem aktuellen Entwurf vor, bestimmte Diagnosen als Voraussetzung für Vergütungen zu verbieten. Damit sollen angebliche Diagnose-Manipulationen unterbunden werden. Tatsächlich kommen aber bestimmte Regelungen in der HzV zur besonderen und auch krankheitsspezifischen Versorgung damit unter Druck. Ohne spezifische Diagnosen würde die gezielte Steuerung von Patienten nicht mehr funktionieren, so die Sorge beim DHÄV.
Die HzV nicht aus dem Blick verlieren
Weigeldt will aber den Weg der Hausarztzentrierten Versorgung konsequent weiterverfolgen. Derzeit zähle man 5,4 Millionen HzV-Versicherte, und das sei ein deutlicher Beleg dafür, dass dieses Angebot zukunftsweisend sei. Der Politik empfahl der Hausärzte-Chef daher, bei allen Gesetzesinitiativen die Stärkung der HzV nicht aus den Augen zu verlieren. Solange das FKG noch nicht beschlossen sei, bestehe noch Hoffnung auf vernünftige Lösungen, zeigte sich Weigeldt gesprächsbereit.
Mit Blick auf das vom Staatssekretär entworfene Bild des Ruderboots meinte Weigeldt, die Hausärzte würden gerne rudern, um die Patientenversorgung zu verbessern. Allerdings würden sie dabei noch lieber auch die Rolle des Steuermanns übernehmen.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (3) Seite 28-29