Das Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG) von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sollte eigentlich den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen neu regeln. Doch ein Passus zur Diagnosekodierung verursachte insbesondere dem Deutschen Hausärzteverband (DHÄV) Bauchschmerzen. Denn er sah dadurch sein Modell der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) in Gefahr. Dieser Passus ist nun im endgültigen Gesetz doch nicht mehr enthalten.

Ausgangspunkt für das FKG war, dass einige Krankenkassen beklagten, dass sie ungerecht behandelt würden, weil der Finanzausgleich zwischen den Kassen, der über den Gesundheitsfonds abgewickelt wird, nicht ausreichend zielgenau sei. Manche Krankenkassen erhielten daher nicht die Mittel, die sie tatsächlich für die Versorgung ihrer Versicherten benötigten, während andere Kassen mehr Mittel erhielten, als sie brauchten. Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen forderten deshalb seit Langem eine Reform des Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA). Diesen Wunsch soll das FKG nun erfüllen. Der Morbi-RSA wird nun um eine regionale Komponente erweitert, wodurch Verzerrungen im Wettbewerb der Kassen abgebaut werden sollen.

Problem Upcoding

Als problematisch erachtete man im Bundesgesundheitsministerium auch, dass es zu Auffälligkeiten in den Diagnosekodierungen gekommen sei. Der Verdacht: Krankenkassen hätten Einfluss auf die Kodierung genommen, um diese in ihrem Sinne zu verändern und so mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu erhalten. Diesem Vorgehen sollte durch eine sogenannte Manipulationsbremse ein Riegel vorgeschoben werden.

Für das so erfolgreiche Modell der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) und andere Selektivverträge stellte diese Manipulationsbremse allerdings eine Bedrohung dar. Denn die hätte diese Versorgungsform, die eine besondere und intensive hausärztliche Betreuung mit zusätzlichen Leistungen beinhaltet, stark beeinträchtigt. Bestimmte Diagnosen wären wohl nicht mehr möglich gewesen und das hätte das Modell der HzV grundsätzlich infrage gestellt.

Erfolgreiche Lobbyarbeit

Der Deutsche Hausärzteverband stemmte sich daher mächtig gegen diesen Verdacht, dass Hausärzte in der HzV Diagnosen vergeben würden, die nicht dem tatsächlichen Krankheitsbild eines Patienten entsprechen. Und diese Lobbyarbeit hat letztlich auch gefruchtet. In der im Februar vom Bundestag verabschiedeten Fassung des FKG sind keine weiteren Bestimmungen im Zusammenhang mit Diagnosekodierung und Honorarabrechnung mehr enthalten.

CAVE: Abrechnungshilfen
DHÄV-Chef Weigeldt warnt vor Angeboten, die versprechen, die Abrechnungen für die KV oder auch die HzV zu "optimieren". Abgesehen von datenschutzrechtlichen Bedenken sei dies auch in Bezug auf die Abrechnung fragwürdig. Niemand wisse, was dabei noch mit den Abrechnungsdaten passiere.

Für problematisch hält Weigeldt auch die Datensammelwut einiger PVS-Anbieter, die ihre Hilfe bei der Abrechnung anböten. Was mit den Daten dort gemacht wird, könne man kaum nachvollziehen

Dabei bleibt es aber beim Grundsatz, dass es kein Geld für Diagnosen gibt, wie der DHÄV-Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt in einer Stellungnahme zum FKG betont. "Wir verdienen unser Honorar durch unsere Leistung, die wir durch eine korrekte Diagnosekodierung plausibilisieren. Wir wollen eine angemessene Honorierung unserer Arbeit, nicht Bestechungsgelder für Upcoding, um Krankenkassen zu höheren Zuweisungen aus dem RSA zu verhelfen. Die unseelige Diskussion mit dem unbewiesenen Vorwurf von Manipulationen in den Praxen sollte damit ein Ende haben", hofft der Hausärzte-Chef.

Keine Entwertung der hausärztlichen Versorgung

Vom Tisch ist auch die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Absicht, Diagnosen, die vom Hausarzt vergeben wurden, niedriger zu bewerten. Dr. Berthold Dietsche, Chef des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, begrüßte diesen Sinneswandel mit Nachdruck: "Diese Regelung hätte eine Entwertung der hausärztlichen Versorgung dargestellt und gerade die Krankenkassen bestraft, die auf eine bessere Versorgungssteuerung durch die HzV setzen. Durch die Änderung wird nicht zuletzt auch verhindert, dass Versicherte bewusst zum Facharzt geschickt werden und damit die dringend erforderliche Koordinierungsfunktion des Hausarztes ausgehebelt wird."



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (6) Seite 30-32