Infektionen mit Pneumokokken treffen meist Kleinkinder, ältere Menschen und Personen mit Immundefekten oder Komorbiditäten. Die STIKO empfiehlt eine Standardimpfung aller Personen ab dem 60. Lebensjahr sowie Indikationsimpfungen bei bestimmten Erkrankungen. Dafür stehen unterschiedliche Vakzinen zur Verfügung.

Pneumokokkeninfektionen können sich als nichtinvasive Infektionen (Sinusitis, Otitis media) mit niedriger Letalität und invasive Infektionen (Nachweis von Erregern in Blut oder Liquor) mit hoher Letalität äußern. Pneumokokken sind die häufigsten Erreger bei ambulant erworbenen Pneumonien (CAP). Diese sind zwar nur zu 15 % invasiv, dennoch ist die Letalität bei hospitalisierten Patienten mit CAP mit bis zu 48 % hoch, schreibt Prof. Dr. med. Mathias W. Pletz, Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena, in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift [1].

Übertragung

Pneumokokken finden sich besonders häufig im Nasenrachenraum von Kleinkindern, besonders dann, wenn sie eine Kindertagesstätte besuchen – bis zu 50 % dieser Kinder sind mit Pneumokokken kolonisiert. Da es 94 verschiedene Serotypen von Pneumokokken gibt, bietet eine einmal durchgemachte Infektion keinen Schutz vor einer erneuten Erkrankung.

Impfstoffe

In Deutschland stehen zwei unterschiedliche Typen von Impfstoffen zur Verfügung.

1) Eine 23-valente Polysaccharidvakzine (PPV23, Pneumovax 23®) für die Standardimpfung aller Erwachsenen ab dem 60. Lebensjahr und für die Indikationsimpfung (Patienten mit Begleiterkrankungen) ab dem 2. Lebensjahr.

2) Zwei Konjugatimpfstoffe: Eine 13-valente Vakzine (PCV13, Prevenar 13®) und eine 10-valente Vakzine (PCV10, Synflorix®). Prevenar 13® war zunächst nur zugelassen als Standardimpfung von Kleinkindern und als Indikationsimpfung bis zum 5. Lebensjahr, mittlerweile ist die Zulassung für jedes Lebensalter ausgeweitet worden. Synflorix® dagegen ist ausschließlich für Kinder zugelassen und wird, da sie nur zehn Serotypen umfasst, deutlich seltener verimpft.

Unterschiede zwischen den Impfstoffen

Pneumovax 23® umfasst zwar mehr Serotypen als Prevenar 13®. Allerdings werden nur die B-Zellen und nicht die T-Zellen stimuliert. Dadurch wird kein immunologisches Gedächtnis aufgebaut. Dies hat zur Folge, dass es zu einer Depletion des B-Zell-Pools kommt. Und vor allem bei älteren Menschen dauert es länger, bis sich spezifische neue naive B-Zellen gebildet haben. Daher konnte man in mehreren Studien bei einer Folgeimpfung eine reduzierte Antikörperbildung beobachten – man spricht von Hyporesponsiveness. Dieses Phänomen war nach zehn Jahren Abstand zur Erstimpfung nicht mehr nachweisbar.

Bei den Konjugatvakzinen sind die Kapselpolysaccharide an hoch immunogene Trägerproteine gebunden. Daher wird eine zusätzliche T-Zell-Antwort mit Bildung von Gedächtniszellen generiert. Es kommt zudem zur Bildung sekretorischer Antikörper, die einen mukosalen Schutz vermitteln. In den USA reduzierte die flächendeckende Impfung von Kleinkindern mit Konjugatimpfstoff die Inzidenz invasiver Infektionen auch bei nicht geimpften Erwachsenen. Dies erklärt sich durch Herdenprotektionseffekte, da die Anzahl an Trägern (v. a. Kleinkinder) durch die Impfung reduziert wurde.

STIKO-Empfehlungen

Die STIKO empfiehlt als Standardimpfung aller Personen ab dem 60. Lebensjahr den Polysaccharidimpfstoff. Eine Wiederholung dieser Impfung soll aber jetzt nach einer Nutzen-Risiken-Abwägung nur noch bei angeborenen oder erworbenen Immundefekten mit T- und/oder B-zellulärer Restfunktion und bei chronischen Nierenkrankheiten/nephrotischem Syndrom erfolgen. Als Indikationsimpfung für Kinder empfiehlt sie den Konjugatimpfstoff (vgl. Tabelle 1), für den nur eine einmalige Impfung vorgesehen ist.

Konjugatvakzine auch für Erwachsene?

Im Gegensatz zur STIKO empfiehlt die Sächsische Impfkommission seit 2012 den 13-valenten Konjugatimpfstoff auch für Erwachsene (vgl. Übersicht 1). Die STIKO sieht dazu bislang keinen Grund. Ihr Argument: Man könne derzeit nicht absehen, ob die bessere Immunogenität von Prevenar 13® bei schmalerem Serotypenspektrum tatsächlich besseren Schutz bedeute. Allerdings räumt die STIKO ein, dass Patienten mit Immundefizienz oder chronischer Nierenerkrankung, bei denen eine wiederholte Pneumokokkenimpfung zu erwarten ist, von Prevenar 13® profitieren könnten. Klarheit wird möglicherweise die plazebokontrollierte CAPITA-Studie an 85 000 Patienten bringen. Darin wird untersucht, ob der 13-valente Konjugatimpfstoff die Anzahl an Pneumokokkenpneumonien signifikant senken kann. Nach Erhalt der Ergebnisse will die STIKO ihre Empfehlungen ggf. überarbeiten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich im Oktober 2012 trotz der aktuellen STIKO-Empfehlung für eine Erstattung der 13-valenten Konjugatimpfung ab dem 60. Lebensjahr ausgesprochen. In der Begründung heißt es, dass "sich aus der Datenlage keine Hinweise ergeben, die gegen einen möglichen Einsatz des 13-valenten Konjugatimpfstoffes zur Schutzimpfung von Personen ab 60 Jahren oder Personen, bei denen die wiederholte Impfung gegen Pneumokokken aufgrund einer Immundefizienz oder einer chronischen Nierenkrankheit indiziert ist, sprechen."

Sequenzielles Impfen?

Bisher ist nicht klar, ob eine einmalige Impfung mit Konjugatimpfstoff ausreicht. Zudem ist bei zunehmender Durchimpfung von Kindern mit dem 13-valenten Impfstoff zu befürchten, dass mehr Pneumokokken-Serotypen grassieren, die dadurch nicht abgedeckt sind, wohl aber mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff. Die zurzeit beste Lösung wäre laut Pletz die sogenannte sequenzielle Impfung, d. h. zuerst Konjugatimpfstoff und dann Polysaccharidimpfstoff. Dabei ist der ideale Impfabstand zwischen Konjugat- und Polysaccharidimpfstoff nicht bekannt. Das Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) hat acht Wochen vorgeschlagen. Dies ist als Kompromiss anzusehen zwischen einem längeren Abstand (bessere Impfantwort) und einem kürzeren Abstand (geringeres Risiko, in der Zwischenzeit eine Infektion mit einem durch Prevenar 13® nicht abgedeckten Serotyp zu erleiden).

Ob die sequenzielle Impfung nur als Indikationsimpfung oder auch als Standardimpfung für über 60-Jährige gegeben werden sollte, muss letztlich unter ethischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden werden, so Pletz.


Literatur:
1) M. W. Pletz: Pneumokokkenimpfung, Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 1734 – 1736



Dr. med. Vera Seifert


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (11) Seite 54-57