Bei Neurodermitis-Patienten gehört das tägliche Eincremen zur Basispflege. Aber kann eine solche standardisierte Hautpflege bei Neugeborenen mit hohem Risiko für Neurodermitis die Entwicklung der Krankheit möglicherweise verhindern?

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, starteten Forscher vom Institut für Pflegewissenschaften der Charité – Universitätsmedizin Berlin eine Studie mit 150 gesunden Neugeborenen, die nicht älter als 14 Tage waren. Alle diese Neugeborenen wiesen ein erhöhtes Risiko auf, an atopischer Dermatitis (AD) zu erkranken. Dazu musste mindestens ein Elternteil oder ein Geschwisterkind bereits eine ärztliche ­Diagnose von atopischer Dermatitis, Asthma oder allergischer Rhinitis/Rhinokonjunktivitis erhalten haben.

Die 150 Neugeborenen wurden dann im Verhältnis 1:1 in zwei Gruppen eingeteilt. In der ersten Gruppe sollten die Säuglinge täglich mit „HiPP Babysanft Pflegemilch“ (mit 21 % Glycerin) am gesamten Körper plus Gesicht eingecremt und ausschließlich mit „HiPP Babysanft Pflegebad“ gebadet werden. In der Kontrollgruppe wendeten die Eltern eine Hautpflege nach eigenem Geschmack an, bei der sie Pflegeprodukte aller Art verwenden durften. Die Interventionen wurden in beiden Gruppen über ein Jahr lang angewendet, danach folgte ein weiteres Jahr, in dem die Kinder nachbeobachtet wurden. Nach der Eingangsuntersuchung wurden Check-ups im Alter von einem, drei, sechs, zwölf und 24 Monaten durchgeführt.

Standardisierte Pflege ohne Vorteile

Die Analyse ergab nach einem Jahr eine kumulative Inzidenz der atopischen Dermatitis von 10,6 Prozent und von 19,5 Prozent nach zwei Jahren in der gesamten Studienpopulation. Dabei zeigte sich, dass die Inzidenz sowohl in der regelmäßig eingecremten Gruppe als auch in der Kontrollgruppe nach einem Jahr gleichermaßen bei 10,6 Prozent lag.

Eine genauere Auswertung, bei der die Kinder zusätzlich in solche mit hohem oder sehr hohem Risiko für AD eingeteilt wurden, wenn sie zwei Verwandte ersten Grades hatten, die eine Atopie bzw. AD hatten, oder als risikobehaftet galten, wenn lediglich ein Verwandter ersten Grades erkrankt war, ergab, dass die AD-Inzidenz bei den Babys mit hohem oder sehr hohem AD-­Risiko mit 12,5 Prozent höher war als bei den Kindern mit einfachem Risiko (9 %). Wurde also die erbliche Komponente mitberücksichtigt, ergab sich dennoch kein statistisch signifikanter Unterschied in puncto kumulativer Inzidenz in den beiden Gruppen.

Die Hautbarriere der Interventions- und der Kontrollgruppe, gemessen an den Parametern pH und „transepidermal water loss“ (TEWL), war ebenfalls vergleichbar. Der Schweregrad der AD, der mit dem ­Eczema Area and Severity Index (EASI) bestimmt wurde, war in der Kontrollgruppe höher und auch der Infants’ Dermatitis Quality of Life Index (IDQoL) war dort stärker beeinträchtigt. Da die Anzahl der Kinder mit AD jedoch sehr klein war, erlaubte dies keine weiteren Aussagen zu Unterschieden zwischen den beiden Versuchsgruppen.

In Anbetracht dieser Ergebnisse kommen die Autoren zu dem Schluss, dass das regelmäßige Eincremen während des ersten Lebensjahres das AD-Risiko bei prädisponierten Säuglingen nicht verringert. Gleichzeitig gebe es keine ­Hinweise darauf, dass eine standardisierte Hautpflege die Entwicklung und Reifung der Hautbarriere verzögert oder zusätzliche Schäden verursacht.


Literatur
Kottner J et al. (2022) J Eur Acad Dermatol Venereol. DOI 10.1111/jdv.18698


Autor:
Dr. ingolf Dürr

Erschienen in: DERMAforum, 2023; 27 (4) Seite 10