Juckreiz wurde bei Psoriasis-Patienten lange Zeit wenig beachtet. Inzwischen weiß man, dass die große Mehrzahl der Betroffenen darunter leidet. Psychologische Interventionen wie Achtsamkeit, ­autogenes Training oder Habit-Reversal-Training (HRT) können positive Effekte bei Patienten mit chronischem Juckreiz haben.

Bereits um 1600 hat Samuel ­Hafenreffer Juckreiz beschrieben als eine „unangenehme Empfindung, die den Wunsch des Kratzens hervorruft“, erklärte Frau Dr. Christina Schut, Institut für Medizinische Psychologie, Universität Gießen, bei einer Veranstaltung des Deutschen Psoriasis-Bunds e. V. (DPB). Diese Definition ist bis heute gültig. Juckreiz tritt nicht nur bei vielen Hauterkrankungen auf wie Psoriasis und Neurodermitis, sondern z. B. auch bei Magersucht oder Eisenmangel. Man unterscheidet zwischen chronischem und akutem Juckreiz. Chronischer Juckreiz liegt immer dann vor, wenn er länger als 6 Wochen andauert [1].

Häufig nachts und im Winter

Bei Psoriasis wurde das Symptom Juckreiz lange Zeit nicht richtig beachtet. Viele Dermatologen haben ihre Patienten gar nicht danach gefragt, weil Juckreiz lange nicht als hervorstechendes Merkmal einer Schuppenflechte galt. In Studien hat sich aber gezeigt, dass bis zu 87 % der Psoriasis-Patienten unter Juckreiz leiden. Er wird als lästiges Symptom beschrieben, in vielen Fällen lästiger als Rötung und Schuppung, und wird eher am Abend und in der Nacht – mit Ein- oder Durchschlafstörungen in der Folge – und eher im Winter wahrgenommen. Bei vielen Patienten lässt sich der Juckreiz durch Medikamente nicht reduzieren [2]. Es kann zu einem Juckreiz-Kratz-Zirkel kommen, indem sich durch die mechanische Stimulation des Kratzens das Hautbild verschlimmert, was wiederum den Juckreiz verstärkt. Diesen Circulus vitiosus versucht man durch psychotherapeutische Interventionen zu durchbrechen.

Biopsychosoziale Faktoren

Denn chronischer Juckreiz hängt auch mit biopsychosozialen Faktoren zusammen. Dazu zählen interne Faktoren (z. B. Angst oder Depressivität) und externe Faktoren (z. B. Zeitdruck und Stress), durch die verschiedene mediierende Faktoren ausgelöst werden wie bestimmte Gedanken, Verhaltensweisen (Kratzen), aber auch ­soziale Reaktionen wie Stigmatisierung oder auch soziale Unterstützung. In diesem Zusammenhang kommt es u. a. zur Ausschüttung von Interleukinen, die zu Juckreiz führen. Dieser Vorgang läuft nicht nur in eine Richtung, sondern führt auch zu einer Art Rückkopplung, indem zunehmender Juckreiz z. B. wiederum Angst und Stress fördern kann [3, 4].

Welche Rolle spielt Achtsamkeit?

Kann das Erlernen von Achtsamkeit dazu beitragen, besser mit dem Juckreiz umgehen zu können? Laut Kabat-Zinn versteht man unter Achtsamkeit: „Aufmerksamkeit ist auf den aktuellen Moment gerichtet, ist nicht wertend und zielgerichtet [5].“ Wenn man achtsam ist, beobachtet man den eigenen Körper und die eigene Umgebung, die eigenen Gedanken und Gefühle, ohne sie zu bewerten oder darauf zu reagieren. Bei einer niedrigen Achtsamkeit würde also ein sehr reflexives und automatisiertes Handeln resultieren sowie geringe Kontrolle. Dr. Schut versuchte, dem Auditorium die Bedeutung von Achtsamkeit mit einer Übung zu verdeutlichen (vgl. Kasten).

Achtsamkeitsbasierte Interventionen haben bereits bei vielen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen zumindest kurzfristig positive Effekte gehabt [6]. ­Studien konnten zeigen, dass Achtsamkeit mit geringerer Katastrophisierung von Schmerzen und damit schmerzassoziierter Angst verbunden ist [7]. Die Arbeitsgruppe von Frau Dr. Schut vertritt die Hypothese, dass Achtsamkeitstraining auch bei chronischem Juckreiz funktionieren müsste. Mit einer Studie [8] in einer Rehaklinik auf Borkum, bei der Neurodermitis-Patienten befragt wurden, wollten sie u. a. herausfinden, ob Personen, die wenig achtsam sind, dazu neigen, Juckreiz zu katastrophisieren. Es zeigte sich, dass hohe Werte auf drei der acht erfassten Achtsamkeitsskalen mit einer geringeren Juckreiz-Kata­strophisierung einhergingen:

  • Annehmende, nicht urteilende und mitfühlende Haltung (Aussage: „Im Auf und Ab des Lebens bin ich mir gegenüber warmherzig.“)
  • Nicht-reaktive, dezentrierte Orientierung (Aussage: „Wenn ich belastende Gedanken oder Vorstellungen habe, fühle ich mich relativ schnell danach wieder ruhig.“)
  • Bewusstes Handeln, Gegenwärtigkeit (Aussage: „Es fällt mir leicht, mich darauf zu konzentrieren, was ich tue.“)

Daraus haben Dr. Schut und Kollegen die Idee entwickelt, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen auch bei Patienten mit chronischem Juckreiz aufgrund von Psoriasis positive Effekte haben sollten. Achtsamkeitstraining stellt eine Art der kontextuellen kognitiven Verhaltenstherapie dar. Ziel ist nicht, die Symptome selbst, sondern die Reaktionen auf die Symptome zu verändern. Die gängigen Achtsamkeits-Kurse dauern acht Wochen, mit jeweils 2,5 Stunden pro Woche. Diese Kurse haben in unterschiedlichen Studien bei Patienten mit Psoriasis bereits positive Effekte gezeigt, zum einen auf den Hautzustand, zum anderen auch auf psychologische Parameter wie Angst oder Depression [9, 10].

Progressive Muskelentspannung

Darüber hinaus gibt es weitere Verfahren, die helfen können, den Juckreiz zu reduzieren, und die von Krankenkassen unterstützt werden. Zum einen ist dies die progressive Muskelentspannung (PMR). Die Idee dabei ist, dass man zunächst eine Anspannung erlebt, um hinterher Entspannung erfahren zu können. Es konnte in einer Studie an Patienten mit chronischem Juckreiz gezeigt werden, dass ein zweiwöchiges Training positive Effekte auf Schlaf und Juckreizintensität hatte [11].

Autogenes Training

Eine weitere Methode ist das autogene Training, dessen Ziel es ist, Entspannung dadurch zu erfahren, dass man sich auf vorgestellte Körperwahrnehmungen konzentriert. Hierfür ist allerdings ein gewisses Maß an Autosuggestibilität notwendig. Es konnten positive Effekte bei Neurodermitis-Patienten belegt werden [12].

Habit-Reversal-Training (HRT)

Damit ist gemeint, dass man ­eine dysfunktionale Verhaltensweise wie das automatisierte Kratzen durch eine andere Verhaltens­weise (z. B. die Hand zur Faust machen) ersetzt. Das Training umfasst in der Regel drei Schritte [13]:

  1. Aufmerksamkeitstraining (Wann und in welchen Situationen tritt das Kratzen auf?)
  2. Einüben einer anderen Verhaltensweise, die die dysfunktionale Gewohnheit ersetzt (z. B. Hand zur Faust machen, Hand auf die Oberschenkel legen)
  3. Motivation steigern, die neue Verhaltensweise aufrechtzuerhalten

Das Habit-Reversal-Training klingt eigentlich banal und gut nachvollziehbar, wurde bislang aber erst in einer relativ kleinen Anzahl von Studien erprobt und bislang auch noch nicht bei Patienten mit Psoriasis, sondern nur bei Patienten mit Neurodermitis, dort zeigten sich aber gewinnbringende Effekte [z. B. 14, 15].

Frau Dr. Schut zog am Ende der Veranstaltung folgendes Fazit:

  • Biopsychosoziale Faktoren sind relevant, wenn es um Juckreiz und Kratzverhalten bei Psoriasis geht.
  • Unterschiedliche psychologische Interventionen sind effektiv in der Behandlung von chronischem Juckreiz [16, 17].
  • Personalisierte Behandlung soll eine umfassende psychologische Untersuchung beinhalten, um herauszufinden, ob und falls ja welche psychologische Intervention am hilfreichsten ist.
  • Achtsamkeitsbasierte Trainings, Entspannungstraining, Habit-Reversal-Training oder eine Kombination aus allem stellen einen sinnvollen Zusatz in der Behandlung von Psoriasis dar.
  • Mehr gut geplante Studien zur Effektivität sind notwendig.


Literatur
Die vollständige Literaturliste finden Sie unter www.doctors.today


Autorin:
Dr. Vera Seifert

Erschienen in: DERMAforum, 2023; 27 (4) Seite 14