Der tagesaktuelle Zustand einer Wunde entscheidet über die notwendigen lokalen Maßnahmen. Dabei müssen Wundgrund, Wundrand und Wundumgebung – das sogenannte Wunddreieck – beachtet werden. Bei der Wahl der Wundauflage steht das Exsudatmanagement im Vordergrund.

Gleichsam einer stillen Epidemie sind Dermatologen zunehmend primäre Anlaufstelle für Patienten mit chronischen Wunden oder werden fachlich zurate gezogen. Am häufigsten handelt es sich um das venöse oder gemischt arterio-venöse Ulkus (Abb. 1, 2 und 3), den diabetischen Fuß (Abb. 4) und den Dekubitus [1 – 3]. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist eine fundierte Kenntnis in der Lokaltherapie chronischer Wunden erforderlich.

Am Anfang steht die Diagnostik

Die physiologische Wundheilung läuft in vier Phasen ab: der Inflammations-, Granulations- und Epithelialisierungsphase, gefolgt von der Vernarbung. Chronische Wunden verharren in der Regel in der Inflammationsphase und zeigen keine klare Heilungstendenz.

Grundlage einer erfolgreichen Wundbehandlung ist die Erkennung und korrekte Therapie der zugrunde liegenden Erkrankungen. Hierzu zählen beispielsweise die Sanierung einer Varikose, einer arteriellen Durchblutungsstörung, die adäquate Einstellung eines Diabetes oder die lokale Entlastung druckbedingter Ulzera. Dabei muss jedoch auch den multiplen Kofaktoren, die den Heilungsprozess zusätzlich verzögern, Rechnung getragen werden. Hierzu zählt beispielsweise die Behandlung einer Herz- oder Niereninsuffizienz, um eine Ödemneigung zu ­verringern, genauso wie eine ausgewogene (proteinreiche) Ernährung [4]. Die Initiative Chronische Wunde e. V. hat mit der ABCDE-­Regel ein einfaches Instrument zur systematischen Diagnostik chronischer Wunden entwickelt, das im klinischen Alltag als Orientierung ­dienen kann [5].

Die lokale Wundbehandlung

Bei der Wundbehandlung gibt es keine Allzweckwaffe. Vielmehr muss bei jedem Verbandswechsel anhand des tagesaktuellen Zustandes der Wunde beurteilt werden, welche Lokaltherapie notwendig und welche Wundauflage nun die richtige ist. Inwiefern dies gelingt, kann man am besten in der Zusammenschau aus Wundgrund, -rand und -umgebung, dem sogenannten Wunddreieck, erkennen [6].

Merke: Die tagesaktuellen Wundverhältnisse entscheiden über Lokaltherapie und Wundauflage.

Die gute Durchblutung eines rosigen Granulationsrasens gewährleistet durch den Transport von Nährstoffen und Sauerstoff an die Wundoberfläche die Voraussetzung für die Entstehung von Epithel. Daher sollten avitale Belege (z. B. feuchte Nekrosen, Fibrin) bis zum Auftreten punktueller Blutungen debridiert werden. Der hohe therapeutische Stellenwert des Debridements konnte zuletzt in einer Studie dargestellt werden. Hierbei zeigte sich, dass allein mechanisches Debridement ohne zusätzliche Antiseptika die lokale Bakterienlast signifikant reduzieren kann [7].

Merke: Wundgrund, -rand und -umgebung bilden das Wunddreieck.

Weißliche, mazerierte Wundränder sind Ausdruck dessen, dass der Menge an Wundexsudat therapeutisch nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Als Wundrandschutz eignen sich die traditionelle weiche Zinkpaste oder modernere Hautschutzpräparate (z. B. Cavilon®, Sensicare®). Diesbezüglich gehen die Meinungen innerhalb der Wundexperten-Community erfahrungsgemäß auseinander. Für die Zinkpaste sprechen insbesondere die niedrigen Behandlungskosten und der antimikrobielle Effekt. Modernere Hautschutzpräparate erlauben hingegen durch ihre Farblosigkeit eine bessere Beurteilung der Wundumgebung. Kommt es am Wundrand zu einer Inflammation, kann mittels lokaler antientzündlicher Präparate wie Klasse-II–III-Steroiden oder Calcineurininhibitoren behandelt werden. Gleiches gilt für Ekzeme in der Wundumgebung. Diese können Ausdruck einer Stauungsdermatitis oder einer Kontaktallergie auf Verbandsmaterial sein. Daher sollte zur Vermeidung einer Schädigung der Hautbarriere bei jedem Verbandswechsel die umgebende Haut chronischer Wunden mit einer geeigneten allergenarmen Basispflege behandelt werden [8].

Vom Wunddreieck zur passenden Wundauflage

Die Anzahl der unterschiedlichen und meist kostspieligen Wundauflagen ist kaum überschaubar. Angesichts der mangelnden wissenschaftlichen Evidenz für oder gegen ein bestimmtes System basiert die Wahl der Wundauflage in der Regel auf individuellen Erfahrungswerten. Das Ziel sollte jedoch stets ein feuchtes Wundmilieu sein [9]. Bei der Wahl der Wundauflage steht demnach das Wundexsudatmanagement im Vordergrund [10].

Merke: Ein feuchtes Milieu ist Voraussetzung für die Wundheilung.

Nässt die Wunde stark oder möchte man bei einer mäßig nässenden Wunde nicht täglich den Verband wechseln, so ist ein Sekundärverband sinnvoll. Dieser wird dem Primärverband als zweite Schicht aufgelegt, um als zusätzlicher Speicher weitere Wundflüssigkeit aufzufangen. Je nach Sekretmenge eignen sich hierfür Mullkompressen, Schaumverbände oder Saugkompressen. Als primäre Verbände sind Alginate oder Hydrofaser sinnvoll. Sie liegen der Wunde direkt auf. Durch Kontakt mit Wundsekret formen sie ein formstabiles Gel und wirken blutstillend. Hydrofasern können den Wundrand überlappen, da sie durch ihre Segmentierung das Sekret vertikal aufnehmen. Alginate eignen sich gut, um Wundtaschen auszufüllen.
Mit zunehmender Granulation nimmt in der Regel auch die Sekretmenge ab. In dieser Phase eignen sich meist Schaumstoffverbände, welche je nach Saugkapazität mehrere Tage belassen werden können. Bei flachen granulierenden Wunden mit wenig Exsudat eignen sich alternativ Hydrokolloidverbände, die ebenfalls mehrere Tage belassen werden können. In selteneren Fällen muss eine Wunde vor Austrocknung geschützt werden. Hierfür eignet sich Hydrogel, das unterhalb eines Wundverbandes belassen werden kann. Alternativ können feuchte Wundkissen (z. B. Hydroclean®) verwendet werden. Eine Ausnahme für eine feuchte Wundbehandlung stellen trockene Nekrosen (z. B. bei einer pAVK) dar. Sie sollten nicht aktiv befeuchtet werden.

Oft werden Wunden im klinischen Alltag reflexartig „desinfiziert“. Angesichts ihrer zytotoxischen und somit wundheilungshemmenden Wirkung sollten Antiseptika nur infizierten oder kritisch kolonisierten Wunden vorbehalten sein. Als Antiseptikum stehen Polyhexanid, Octenidin oder hypochlorige Lösungen zur Verfügung. Jodhaltige Präparate (z. B. PovidonIod) sollten wegen ihres Sensibilisierungspotenzials nur kurzfristig zum Einsatz kommen. Topische Antibiotika sind obsolet [11].

In den letzten Jahren findet die Kaltplasmatherapie zunehmend Einzug in die Wundbehandlung. Hierbei wird zwischen Gerät und Wundfläche kaltes Atmosphärenplasma erzeugt, dem eine antiseptische und pro-angiogenetische Wirkung zugeschrieben wird [12 – 14]. Kontrollierte Studien liegen insbesondere für diabetische Wunden vor und zeigen einen günstigen Effekt [15 – 17]. Bezüglich Therapiedauer und -frequenz gibt es aufgrund mangelnder Daten keinen Konsens. Dank einfacher Handhabung kann die schmerzlose Behandlung an medizinisches Personal delegiert werden [18].

Sofern keine kritische pAVK vorliegt, sollte eine adäquate Kompressionstherapie durchgeführt werden. Nach initialer Entstauung durch Kompressionsverbände haben sich spezielle Ulkusstrümpfe bewährt. Auch medizinisch adaptive Kompressionssysteme können dank eines Klettverschlusses relativ einfach über dem Wundverband angebracht werden [19].

Merke: Die Kompressionstherapie ist eine tragende Säule der Wundbehandlung.

Nicht zuletzt sollte an druckentlastendes Schuhwerk bei Wunden am Fuß oder am Knöchel gedacht werden. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass Vorfußentlastungsschuhe für Diabetiker ungeeignet sind [20]. 


Literatur
Die vollständige Literaturliste finden Sie unter www.doctors.today.


Autor:

© privat
Justin Gabriel Schlager

Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie
Klinikum der Universität München, LMU München
80337 München

Erschienen in: DERMAforum, 2023; 27 (4) Seite 4