Frage: Bei meinem 55-jährigen Patienten ohne Erkrankungen und mit normaler, ausgewogener Ernährung mit Fleischkonsum habe ich empfohlen, das Vitamin H serologisch zu untersuchen, nachdem der Patient über brüchige Fingernägel geklagt hatte. Der Vitamin-H-Spiegel war deutlich erniedrigt. Welche Ursachen können zugrundeliegen und welche Therapie empfehlen Sie (bei Substitution von Vitamin H, welche Dosis, über welchen Zeitraum?)?

Antwort: Vitamin H oder auch Biotin ist ein ubiquitär vorkommendes Vitamin in allen tierischen Lebensmitteln sowie in Getreide und Getreideprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen sowie in Obst und Gemüse. Besonders reich an Biotin sind Innereien, z. B. Leber, aber auch Haferflocken und Hühnerei, insbesondere Eigelb. Schon ein zusätzliches Hühnerei würde genügen, um den täglichen Bedarf zu decken. Auch eine vegetarische oder selbst vegane Ernährung mit Getreideflocken, insbesondere Hafer und Hirse sowie Hülsenfrüchten, z.B. Kichererbsen, Linsen, Bohnen, Sojaprodukte, deckt den täglichen Bedarf von ca. 0,2 – 0,3 mg für eine erwachsene Person.

Aufgrund der guten Versorgung mit Biotin/Vitamin H konnten ernährungsmedizinisch die Mangelsymptome nur unter Ausnahmebedingungen erforscht werden. Dazu zählt der längerandauernde tägliche Verzehr von ROHEM Hühnereiweiß. Dazu müsste aber mindestens das rohe Hühnereiweiß von zehn Eiern täglich gegessen werden. Das darin enthaltene Avidin bindet Vitamin H und verhindert die Resorption. Erhitzen über 40 oC hebt den hemmenden Effekt auf. Symptome eines Biotinmangels beim Erwachsenen sind Mundwinkelrhagaden, seborrhoische Dermatitis, Konjunktivitis, Anorexie, Schwäche, Übelkeit und Depressionen.

Seit geraumer Zeit wird Vitamin H zur Verbesserung der Symptomatik brüchiger Fingernägel empfohlen. Auch wenn immer wieder auf medizinische Studien diesbezüglich verwiesen wird, gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, dass ein Mehr an Biotin für mehr Fingernagelgesundheit steht. Die gängigen Biotinprodukte enthalten 2,5 mg Biotin/Dosis, teilweise auch 5 mg, und sollten per Empfehlung aufgrund des langsamen Wachstums der Nägel über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten einmal täglich eingenommen werden. Sie enthalten je nach Präparat das Zehn- bis Zwanzigfache der empfohlenen Zufuhrmenge.

Grundsätzlich sind keine nachteiligen Nebenwirkungen auf die Gesundheit bekannt. Allerdings können Biotingaben in dieser Höhe Laborwerte erniedrigen bzw. erhöhen. Insbesondere betroffen sind Untersuchungen der Schilddrüse. Bei geplanten Funktionstests der Schilddrüsenhormone sollte daher die Einnahme von Vitamin H eine Woche vorher beendet werden. Von Vorteil ist auch deshalb die Deckung des Biotinbedarfs über die Ernährung. Mit Lebensmitteln allein kann keine Fälschung der Laborwerte induziert werden.



Autorin

Brigitte Neumann

Diplom-Ökotrophologin
91080 Uttenreuth

Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (7) Seite 42