Eine gesunde Ernährung ist der beste Schutz fürs Gehirn. Doch Menschen mit einer Demenzerkrankung haben oft massive Störungen ihres Ess- und Trinkverhaltens. Der Horror für pflegende Angehörige: Der Patient verweigert die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme. Die Folge: Mangelernährung und Dehydratation. Eine enterale oder parenterale Ernährung ist aber meist nicht zu empfehlen.
Demenzielle Erkrankungen haben in den letzten Jahren stark zugenommen. In Deutschland rechnet man aktuell mit circa 1,6 Mio. Menschen mit einer Demenzerkrankung. Diese Zahl wird aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren noch kontinuierlich steigen – laut aktueller Berechnungen auf 3 Mio. im Jahr 2050 [1]. Mit längerer Erkrankungsdauer nehmen Ernährungsstörungen (z. B. Mangel- und Fehlernährung, Flüssigkeitsmangel) zu, deren Genese meist multifaktoriell bedingt ist (vgl. Tabelle 1). Neben den Risikofaktoren für Mangelernährung bei älteren Menschen kommen bei Demenzpatienten noch weitere hinzu, wie ablehnendes Verhalten, Nichterkennen der Nahrung oder Vergessen der Mahlzeiten. Dies ist vor allem für die Betreuenden eine große Herausforderung (vgl. Tabelle 2). Laut Definition sind verschiedene Formen der Ernährungsstörungen zu unterscheiden, was besonders für die Codierung im DRG-System relevant ist (Tabelle 4, Info 1).
Als Markerfrage der Mangelernährung gilt die Frage nach ungewolltem Gewichtsverlust. Bei Menschen mit Demenz tritt dieser schon bis zu zehn Jahre vor der Diagnose auf. Im Verlauf einer Alzheimer-Demenz sind z. B. circa 40 % der Patienten davon betroffen [2]. Um Ernährungsprobleme früh zu erkennen und therapeutisch reagieren zu können, empfiehlt es sich, ältere Menschen (mit Demenzerkrankungen) regelmäßig auf den Ernährungszustand zu screenen und die Nahrungszufuhr zu beobachten.
Diagnostik
Zur Diagnostik der Mangelernährung sollte der Arzt neben der körperlichen Untersuchung und den anthropometrischen Parametern (Körpergewicht, vor allem Gewichtsverlauf) Screening- und Assessmenttests durchführen. Hierfür haben sich in der Geriatrie (ambulant und stationär) besonders der MNA (vgl. Abb. 1) und MNA-SF etabliert [6]. Für den stationären Bedarf wird allgemein der NRS 2002 (Nutritional Risk Screening 2002) empfohlen [7]. Anhand dieser Parameter lassen sich das Risiko sowie eine bestehende Mangelernährung und deren Ausmaß dokumentieren. Der NRS 2002 dient zudem als Hilfestellung zur Codierung (Tabelle 4, Info 1).
Speziell für Demenzpatienten sind Fragebögen zur Ermittlung des Verhaltens beim Umgang mit Nahrung, wie das Edinburgh Feeling Evaluation in Dementis Questionnaire (EdFED-Q) und der Eating Behavior Score, entwickelt worden [8 – 10]. Zur Abklärung möglicher Ursachen der Ernährungsstörung können die Items nach Tabelle 2 abgefragt werden und sich hieraus dann schon erste Therapieansätze ergeben.
Therapieansätze
Lassen sich ursächliche Gründe der Ernährungsstörung ermitteln, sollte man diese, so weit wie möglich, beheben. Wichtige Maßnahmen zur Optimierung der Nahrungszufuhr liegen auch in der Anpassung der Umgebungsfaktoren (vgl.Tabelle 3). Entscheidend ist zudem die Angehörigen- und Betreuer-Schulung. Bei Zeichen der Exsikkose ist es ratsam, diese gegebenenfalls durch s.c.-/i.v.-Infusionen auszugleichen. Symptome der Austrocknung (z. B. Vigilanzminderung) können das Bild der Demenz verschlechtern und Ernährungsstörungen fördern. Um für eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu sorgen, sollten Getränke in Reichweite des Patienten stehen und dieser ans Trinken erinnert werden. Heute lassen sich s.c.-Flüssigkeits-Infusionen auch als ambulante Leistung abrechnen.
Bei der Sicherung der Nahrungszufuhr ist die orale Ernährung zu favorisieren – aus physiologischen Gründen (u. a. Stabilisierung der Darmflora, Immunabwehr etc.) und vor allem, da Essen Normalität und Lebensqualität bedeutet. Neben den drei Haupt- sollte man auch Zwischenmahlzeiten reichen – mit einer möglichst ausgewogenen Bilanz an Makronährstoffen, die dem Proteinbedarf älterer Menschen entspricht (1,0 – 1,2 g/kg Körpergewicht, in akuten Krankheitsphasen 1,2 – 1,5 g/kg Körpergewicht, sofern keine schwere Niereninsuffizienz vorliegt) [11].
Wichtig ist vor allem, auf die Vorlieben des Patienten zu achten. Bei unzureichender Nährstoff- und/oder Kalorienzufuhr können die Mahlzeiten angereichert werden (z. B. mit Proteinpulver, Maltodextrin, Sahne, Butter). Generell empfehlen sich energiereiche Nahrungsmittel. Auch hier ist es wichtig, dass der Patient überhaupt etwas isst. Man kann zudem orale Trinksupplemente reichen, die es in verschiedenen Varianten (protein-, ballaststoffreich) gibt. Liegt eine Mangelernährung als Diagnose vor, kann der Arzt diese Produkte verordnen [12]. Für einen systematischen Einsatz appetitanregender Substanzen fehlen aktuell zwar einheitliche wissenschaftliche Beweise, im medizinischen Einzelfall kann man dies jedoch diskutieren [13].
Enterale und parenterale Ernährung
Laut Leitlinien der DGEM [14] und der ESPEN [13]
ist eine enterale Ernährung mit PEG-Sonde bei fortgeschrittener Demenz nicht empfohlen. Der Grund sind die Ergebnisse zahlreicher Studien, die keine bessere Überlebensrate der Patienten mit PEG-Anlage aufweisen konnten [13].
Es zeigte sich keine Verbesserung bei Lebensqualität, Dekubitalulzera, physischer und kognitiver Funktion, Verhalten oder psychiatrischen Symptomen bei fortgeschrittener Demenz. Eine parenterale Ernährung sollte nur bei akuter Erkrankung mit positiver Prognose zur Überbrückung dieser Krankheitsphase erfolgen. Generell gilt, dass die Indikation einer enteralen oder parenteralen Ernährung regelmäßig kritisch überprüft werden sollte (vgl. Tabelle 4). Da geriatrische Patienten per se zur Risikogruppe für ein Refeeding-Syndrom zählen, sollte man bei den Patienten, die über mehrere Tage unzureichend oder gar nichts gegessen haben, den Nahrungsaufbau langsam steigern. Parallel sind tägliche Laborkontrollen der Serumelektrolyte und Glukose sowie eine körperliche Untersuchung nötig. Detaillierte Übersichtsarbeiten zu diesem, vor allem im stationären Bereich, wichtigen Thema wurden kürzlich publiziert (z. B. Literatur zum Refeeding-Syndrom [15]).
Prävention
Durch eine gesunde Lebensführung schon in jungen Jahren und eine Ernährung, die sich an der mediterranen Kost orientiert, lässt sich das Demenzrisiko reduzieren. Auch Bewegung (Ausdauer und Kraft), die Förderung sozialer Kontakte sowie abwechslungsreiche geistige Aktivität bis ins hohe Alter sind wichtig. In Zusammenschau der Studienergebnisse lässt sich keinem Mikronährstoff bisher der garantierte Effekt einer Demenzprävention zusprechen [16, 17]. Für eine generelle Supplementierung einzelner Mikronährstoffe gibt es deshalb keine Empfehlung. Allerdings sollte bei nachgewiesenem Mangel, z. B. von Vitamin B12, Folsäure oder Vitamin D, eine Substitution erfolgen [13].
Auch wenn es Studien mit positiven Effekten von speziellen Trinksupplementen auf die Kognition (in einzelnen Domänen) gibt, kann man diese aktuell nicht zur Demenztherapie oder Verzögerung des kognitiven Abbaus empfehlen [13].
Bei (Risiko für) Mangelernährung sollten ernährungsmedizinische Maßnahmen ergriffen werden. Lässt sich durch eine angemessene Ernährung sowie Ursachenbeseitigung die Energiezufuhr nicht decken, sind Trinksupplemente zu empfehlen, da man so durch konzentrierte Nährstoff- und Energiezufuhr eine Besserung des Ernährungszustands erzielen kann [13].

Interessenkonflikte: M. K. Modreker hat von 2008 bis 2011 eine Förderung durch das Forschungskolleg der Robert Bosch Stiftung, Stuttgart erhalten. M. K. Modreker hält Vorträge für MSD.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (14) Seite 24-27