Stimmstörungen im Alter sind häufig, aber nicht gleich therapiebedürftig. Nur wenn der Patient sich tatsächlich von diesem Phänomen beeinträchtigt fühlt, sollte der Arzt eingreifen. Der Grund für den Arztbesuch ist oft nicht die Presbyphonie an sich, sondern die Angst vor einer schwerwiegenden Diagnose wie Krebs. Differenzialdiagnostisch muss man auf jeden Fall andere Erkrankungen abklären, die sich negativ auf die Stimme auswirken können.

Der Gesundheitszustand von Menschen über 65 ist heute erfreulicherweise deutlich besser als noch im letzten Jahrhundert. Die heutigen über 65-Jährigen sind meist noch in der Sozialgemeinschaft aktiv oder sogar berufstätig – und somit weiterhin auf eine gesunde und kraftvolle Stimme angewiesen.

Stimmqualität und stimmliche Leistungsfähigkeit nehmen mit zunehmendem Alter ab. Ist der Patient nicht mehr dazu in der Lage, eine zu schwache beziehungsweise nicht ausreichende Stimme zu kompensieren, kann dies zu einer Stigmatisierung ("Greisendiskant"), zur Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit, zu sozialer Isolation, Depression und Frustration führen. Besonders problematisch wird es, wenn der Lebenspartner schwerhörig ist und lauter angesprochen beziehungsweise gerufen werden muss.

Wie häufig ist Presbyphonie?

Die Häufigkeit der altersbedingten Stimmstörung, der sogenannten Presbyphonie, ist schwer zu ermitteln: Einerseits kommen bei Weitem nicht alle Betroffenen wegen ihrer Stimmbeschwerden in die Praxis, akzeptieren diese möglicherweise als altersbedingte Einschränkungen. Andererseits ist es im Einzelfall immer schwierig abzugrenzen, worauf die Presbyphonie wirklich zurückzuführen ist. Sind es "nur" altersbedingte Veränderungen im Kehlkopf? Oder handelt es sich um eine Kumulation verschiedenster Traumen?

Traumen mit potenziellem Einfluss auf die Stimme können zum Beispiel auf einen extraösophagealen Reflux, neurologische Erkrankungen, Lungenprobleme beziehungsweise respiratorische Beeinträchtigungen, aber auch auf Neoplasmen und Infektionen sowie die Medikamenteneinnahme zurückzuführen sein (vgl. Tabelle 1). Auch ein schlechter Allgemeinzustand kann sich auf die stimmliche Konstitution negativ auswirken.

In früheren Studien wurde die Prävalenz der Presbyphonie auf 12 bis 35 % geschätzt. In einer neueren Erhebung ergab sich eine Prävalenz von 20 % bei Patienten über 65 Jahren. 13 % berichteten über eine mindestens mittelgradige Einschränkung ihrer Stimmfunktion. Anhand dieser Streubreite und der diagnostischen Unsicherheit im Einzelfall wird klar, dass Presbyphonie immer nur eine Ausschlussdiagnose sein kann. Der Diagnosestellung muss eine sorgfältige allgemeine Untersuchung und natürlich eine eingehende Anamneseerhebung vorangehen.

Ätiologie und Pathogenese

Die typischen Symptome einer Presbyphonie lassen sich auf die altersbedingten Veränderungen im Kehlkopf zurückführen, u. a. auf die Verkalkung der Kehlkopfknorpel, Funktionseinschränkungen des Krikoarytenoidgelenks, Veränderungen der laryngealen Innervation, hauptsächlich aber innerhalb der Stimmlippe. Deren oberflächliche Schicht ist ein nicht verhornendes Plattenepithel, das dem repetitiven traumatischen Stress bei Phonation, Räuspern und Husten standhalten kann. Unter dem Epithel findet sich die Lamina propria, die in eine superfizielle, intermediäre und tiefe Schicht unterteilt wird. Darunter wiederum liegt die Basilarmembran. Die superfizielle Schicht der Lamina propria ist auch als Reinkescher Raum bekannt. Diese Schicht enthält Glykoproteine, Mucopolysaccharide und locker angeordnete Kollagenfasern. In den tieferen Schichten wird die Lamina propria dann zunehmend dichter. In der Intermediärschicht steigt der Anteil an Elastin. Die tiefe Schicht der Lamina propria enthält dichte Kollagenfasern.

Wichtige altersbedingte Veränderungen finden sich histologisch in der Lamina propria beziehungsweise deren extrazellulärer Matrix. Typischerweise sinkt der Gehalt an Kollagentyp-1-Fasern, vor allem in den tiefen Schichten der Lamina propria, ebenso wie der Elastingehalt. Die Aktivität der Fibroblasten nimmt allmählich ab. Mit zunehmendem Alter findet sich zudem eine Muskelatrophie innerhalb der Stimmlippe. Das führt dazu, dass sie einen Teil ihrer Elastizität verliert und der Stimmlippenschluss durch die Muskelatrophie beeinträchtigt sein kann.

Symptomatik

Betroffene Patienten berichten hier über ein Nachlassen der stimmlichen Leistungsfähigkeit und über eine eingeschränkte Lautstärkesteigerung. Häufig ist, zumindest bei Männern, die mittlere Sprechstimmlage erhöht. Umgekehrt findet sich bei Frauen häufig ein Absinken der mittleren Sprechstimmlage. Weitere Symptome sind häufig ein Räusperzwang und ein Verschleimungsgefühl. Die altersbedingten, histologisch nachweisbaren Veränderungen im Kehlkopf betreffen nicht nur die Funktionen, die für die Stimme verantwortlich sind, sondern den Kehlkopf als Ganzen. Patienten mit einer Presbyphonie leiden deshalb häufig auch an einer Schluckstörung. Bei Verdacht auf eine altersbedingte Stimmstörung sollte der Arzt auch immer gezielt nach einer Schluckstörung fragen (z. B. Husten nach dem Trinken? Unklare Fieberschübe in der jüngeren Vergangenheit? Gewichtsverlust?). In unserer Praxis hat sich hier ein strukturierter Fragebogen zu einer eventuellen Dysphagie bewährt.

Diagnostik

Die Schilderung der Beschwerden ist immer wegweisend. Am Anfang der Anamneseerhebung sollten deshalb Fragen nach dem selbst empfundenen Handicap durch die Stimmstörung, Einschränkungen der Lebensqualität sowie der sozialen Teilhabe und Partizipation stehen. Hier haben sich standardisierte Fragebogen bewährt, etwa der "Voice Handicap Index", um das selbst empfundene Handicap durch die Stimmstörung herauszufinden. Solche Fragebögen ersetzen aber nicht die gezielten Fragen. Man muss auch die tatsächliche Kommunikationssituation sehen, z. B. ob der Lebenspartner schwerhörig ist. Weiterführende Fragen zur speziellen Anamneseerhebung müssen klären, ob es weitere kehlkopfassoziierte Symptome gibt wie eine Schluckstörung.

Zur apparativen Diagnostik gehören eine auditive Stimmbewertung nach standardisierten Verfahren, eine computergestützte Stimmschallanalyse zur objektiven Dokumentation und eine computergestützte Analyse der Phonationsatmung. Wichtigster Bestandteil der Diagnostik sind die Lupenlaryngoskopie, die Stroboskopie und eventuell die Hochgeschwindigkeitslaryngoskopie. Mit diesen endoskopischen Verfahren lassen sich nicht nur das Kehlkopfgerüst und die umgebenden Strukturen bewerten, sondern auch die respiratorische und phonatorische Beweglichkeit der Stimmlippen, einschließlich des Glottisschlusses. Typisch ist eine ovaläre Schlussinsuffizienz bei Phonation ("vocal fold bowing"). Die Diagnose einer Presbyphonie erfordert aber auch, wie erwähnt, den Ausschluss anderer Erkrankungen, die zu einer Dysphonie führen können. Auch das Hörvermögen sollte man unbedingt prüfen.

Fallbeispiel

Ein 82-jähriger Patient kommt in unsere Sprechstunde. Er klagt über ein Nachlassen der stimmlichen Leistungsfähigkeit, auch sei seine Stimme im Laufe der Jahre höher geworden. Ein starker Räusperzwang störe ihn zusätzlich. Zudem fordere ihn seine schwerhörige Frau immer wieder auf, lauter zu sprechen, was ihm schwerfalle. Vor einigen Jahren hatte er eine Lungenembolie, durch die der Patient stark abnahm. Inzwischen habe er aber wieder zugenommen, betont er. Gegen seinen Hochdruck nehme er verschiedene Medikamente ein, deren Namen ihm jetzt aber nicht einfielen. Zudem liege ein Reflux vor, der mit Protonenpumpeninhibitoren behandelt wird. Diese Arzneimittel vergesse er aber oft. Sein Neurologe habe ihm geraten, sich gründlich untersuchen zu lassen.

Lupenlaryngoskopisch und stroboskopisch zeigte sich zunächst ein zäher Schleimfaden, der mit dem berichteten Räusperzwang korrespondiert. Die respiratorische Beweglichkeit beziehungsweise die Stimmlippenabduktion war regelrecht (Abb. 1). Bei Phonation zeigte sich eine diskrete Asymmetrie der phonatorischen Einstellbewegung und dann ein typisches "vocal fold bowing", also eine ovaläre Schlussinsuffizienz bei Phonation (Abb. 2). Zudem war an der rechten Stimmlippe eine partielle Einschränkung der phonatorischen Beweglichkeit erkennbar, wohl aufgrund einer Epithelnarbe. Diese Auffälligkeiten deuten auf vorangegangene Stimmlippentraumen und eine leicht pathologische Stimmlippeninnervation hin. Die ovaläre Schlussinsuffizienz ist ein deutliches Zeichen des Funktionsverlusts bei Phonation durch Muskelatrophie.

Therapieverfahren

Zur Therapie der Presbyphonie gibt es eine Reihe konservativer und operativer Verfahren. Die konservativen Maßnahmen lassen sich in direkte und indirekte Verfahren (Tabelle 2 und 3) unterteilen. Ihr Ziel ist es, die stimmliche Belastungsfähigkeit, den Stimmklang und vor allem die Resonanz zu verbessern. Die indirekten Maßnahmen zielen in erster Linie auf eine Eutonisierung der Hals- und Rumpfmuskulatur ab. In den letzten zehn Jahren sind dazu leider nur weniger als ein Dutzend Therapiestudien publiziert worden. Deren Ergebnisse deuten darauf hin, dass die konservativen Maßnahmen das Potenzial haben, die Beschwerden zu verbessern. Die Evidenzlage ist allerdings schwach, da die verwendete Methodik nicht optimal war.

Die Bewertung der Stimmtherapie bei altersbedingten Stimmstörungen im Alltag ist schwierig, da viele Therapeuten nicht ein Therapieverfahren durchgehend und konstant anwenden, sondern Elemente der verschiedenen Verfahren mischen. So ist im Einzelfall nicht zu sagen, welcher Therapiebaustein gegebenenfalls zu einer Verbesserung geführt hat. Ein weiterer sehr interessanter therapeutischer Ansatz beruht auf der Tatsache, dass die Aktivität der Fibroblasten in der Lamina propria mit zunehmendem Alter nachlässt. Man schlug daher vor, einen Wachstumsfaktor (basic fibroblast growth factor; bFBF) in die Lamina propria zu injizieren. In einer ersten Studie bei sechs Patienten zeigte sich eine verbesserte Symptomatik. Allerdings gab es keine Plazebogruppe, sodass hier die Aussagekraft beschränkt ist.

Als operative Maßnahmen sind vor allem die Injektionslaryngoplastik und die Thyreoplastik zu nennen. Beide Verfahren zielen darauf ab, die Glottisschlussinsuffizienz zu verringern beziehungsweise zu beseitigen. Bei der Injektionslaryngoplastik bringt man – in der Regel transoral – ein Implantat in die Stimmlippen ein. Dieser Eingriff ist ein bewährtes Standardverfahren, etwa bei der einseitigen Stimmlippenparese. Bei der Thyreoplastik wird von außen das Kehlkopfgerüst eröffnet und mit einem Implantat die Stimmlippe nach medial verlagert. Die guten Ergebnisse bei der einseitigen Stimmlippenparese haben dazu ermutigt, beide Verfahren auch zur Beseitigung der glottalen Schlussinsuffizienz bei der Presbyphonie einzusetzen. Auch hier sind noch weitere Studien erforderlich, um die Wirksamkeit gut belegen zu können.

Die geschilderten Unsicherheiten bei der Diagnosestellung und die schwache Evidenzlage der therapeutischen Verfahren sollten unbedingt dazu veranlassen, Betroffene zu fragen, ob sie wirklich unter ihrer Störung leiden. Denn häufig wollen sie nur sichergehen, dass ihrer Stimmstörung keine bösartige Erkrankung zugrunde liegt. Ist die Angst, an einem Karzinom zu leiden, der Grund für den Arztbesuch, wünschen die Patienten nach einer ausführlichen Aufklärung häufig gar keine Therapie mehr. Das macht diese Beratung so wichtig. Sind allerdings die soziale Teilhabe und Partizipation durch die Stimmstörung eingeschränkt, sollte der Arzt die therapeutischen Optionen ausführlich schildern. Sucht der Patient schnelle Hilfe, wird in der Regel die Entscheidung für eine Injektionslaryngoplastik fallen. Der Patient im Fallbeispiel lehnte übrigens jegliche weitere Diagnostik und Therapie ab, nachdem er erfuhr, dass er kein Karzinom hat.

Künftige Entwicklungen

Mit Blick in die Zukunft muss man vor allem die zugrundeliegenden Pathomechanismen besser verstehen lernen, wie die Interaktion zwischen der nachlassenden nervalen Innervation und der Muskelatrophie. Hier könnte die Messung der laryngealen Reflexe einen wichtigen Beitrag leisten. Dringend erforderlich sind zudem Therapiestudien mit höherem Evidenzniveau. Auch eine sprachliche Unterscheidung wäre sinnvoll: in die Presbyphonie (altersbedingte Veränderung der Stimme ohne wesentlichen Krankheitswert bei nicht eingeschränkter Teilhabe und Partizipation) und in die Presbydysphonie (Stimmstörung im Alter mit Krankheitswert).

Fazit für die Praxis
Stimmstörungen im Alter sind häufig. Doch nicht alle Betroffenen leiden so sehr daran, dass sie eine eingehende Diagnostik oder Therapie wünschen. Fühlen sie sich jedoch beeinträchtigt, muss eine umfassende Diagnostik inklusive einer Laryngoskopie und Stroboskopie sowie der apparativen Stimm- schallanalyse zur Dokumentation erfolgen. Andere Erkrankungen, die zu Stimmstörungen führen können, müssen ausgeschlossen oder bestätigt werden.

Eine rasche Verbesserung der stimmlichen Leistungsfähigkeit kann man durch eine Injektionslaryngoplastik erzielen. Ist eine solche invasivere Therapieoption nicht erwünscht, sollte der Arzt dem Patienten konservative Verfahren, vor allem zur Stärkung der stimmlichen Leistungsfähigkeit (z. B. die Akzentmethode zur Stimm- und Sprechtherapie), anbieten und erläutern.


Literatur
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3. Marino JP, Johns MM: The epidemiology of dysphonia in the aging population. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg 2014; 22(6): 455–459.
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Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 23/2017



Prof. Dr. med. Dr. med. h.c. Martin Ptok
Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie
Medizinische Hochschule Hannover
D-30623 Hannover

Interessenkonflikte: Der Autor gibt an, Drittmittel von DFG, AIF, BMBF, BMWI, EFRE/EU sowie Reisebeihilfen von Physiomed erhalten zu haben; die erhaltenen Drittmittel haben keinen Einfluss auf Inhalte dieses Beitrages.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (8) Seite 36-40