Aufgrund guter Ergebnisse und schneller Rekonvaleszenz werden hochgradige, symptomatische Aortenklappenstenosen (AS) zunehmend interventionell und bevorzugt perkutan mittels Transkatheter-Aortenklappenimplantation (transcatheter aortic valve implantation, TAVI) versorgt. Die Entscheidung, ob die Therapie mittels TAVI oder chirurgischen Eingriffs (surgical aortic valve replacement, SAVR) durchgeführt werden soll, ist komplex und hochindividuell.

Kasuistik: Aortenstenose mit verkalkten Segeln
Ein 76 Jahre alter Patient stellt sich in stabilem Allgemeinzustand und adipösem Ernährungszustand (Größe 172 cm, Gewicht: 93 kg, BMI: 33,1, BSA: 2,1) bei seinem Hausarzt bei langsam progredienter, belastungsabhängiger Dyspnoe vor.

Während er vor einem Jahr die Treppen seines Einfamilienhauses ohne Beschwerden steigen konnte, müsse er nun nach einem Geschoss pausieren. Synkopen und Schwindel werden verneint. Vorbekannt sind ein metabolisches Syndrom mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus sowie eine schwer einstellbare arterielle Hypertonie. In der körperlichen Untersuchung konnte ein spindelförmiges Holosystolikum über dem dritten Interkostalraum rechts parasternal auskultiert werden, sodass der Patient zur transthorakalen Echokardiographie überwiesen wurde.

Hier zeigte sich bei eingeschränkter Schallbedingung eine hochgradige AS (mittlerer Druckgradient (DPmean) >40mmHg, maximale Flussgeschwindigkeit (Vmax) > 4 m/s) mit einer Klappenöffnungsfläche von 0,9cm². Es erfolgte die Einweisung in ein kardiologisches Zentrum zur Evaluationsdiagnostik einschließlich Prüfung, inwiefern die Behandlung mittels TAVI möglich ist. In der Herzkatheteruntersuchung konnte eine koronare Herzerkrankung ausgeschlossen sowie eine leichtgradige postkapilläre pulmonale Hypertonie diagnostiziert werden. Eine Lungenfunktionstestung zeigte sich normgerecht.

Weiterhin erfolgte eine EKG-getriggerte Computertomographie (CT), in der eine bikuspide Aortenklappe (vom Typ I mit Raphe zwischen akoronarem und linkskoronarem Segel) [1] mit extremer Verkalkung der Aortenklappensegel und des linksventrikulären Ausflusstraktes beschrieben wurde. Bei niedrigem Mortalitätsrisiko für den chirurgischen Eingriff (nach EuroScore II erwartete Sterblichkeit im Krankenhaus 1,69 %) sowie der ungünstigen Landezone für TAVI-Prothesen wurde durch das Heart-Team ein chirurgischer biologischer Aortenklappenersatz empfohlen.

Der Wunsch des Patienten nach minimalinvasiver Therapie wurde berücksichtigt und der Aortenklappenersatz durch eine fünf Zentimeter messende Thorakotomie durchgeführt. Die Operation konnte komplikationslos durchgeführt und der Patient nach abgeschlossener Rehabilitation mit deutlich verbesserter kardiopulmonaler Belastbarkeit entlassen werden.

Das Leitsymptom Dyspnoe ist aufgrund seiner Häufigkeit und der multifaktoriellen Genese eine besondere Herausforderung in der ambulanten Versorgung. Gerade bei älteren Patient:innen sollte in der Umfelddiagnostik auch an Herzklappenerkrankungen gedacht werden. Die AS ist dabei in Europa und Nordamerika das am häufigsten behandlungsbedürftige Vitium. Die Therapie erfolgt in der Regel als Klappenersatz, da er der Aortenklappenrekonstruktion überlegen ist.

Nachdem im Jahr 2002 erstmalig eine TAVI durchgeführt wurde, hat eine Vielzahl an Studien und Analysen gezeigt, dass damit gleichwertige (und in Aspekten zum Teil bessere) Ergebnisse als mit SAVR erreicht werden können. Insbesondere die schnellere postinterventionelle Mobilisierung bietet Vorteile für die Patient:innen. Im Gegensatz zu SAVR wird bei einer TAVI mittels Herzkatheter über einen arteriellen Zugang (zumeist über die Femoralarterie) eine stentgetragene biologische Aortenklappenprothese in den nativen Klappenanulus eingepresst. Die Stents der Prothesen können mittels Ballon expandiert werden oder selbstexpandierend gefertigt sein. Die Nativklappe verbleibt dabei in situ; die Segel werden zur Seite gedrängt und dienen als Widerlager für die TAVI-Prothese. Neben Stenosen können mittlerweile auch Aortenklappeninsuffizienzen mit einer TAVI-Prothese versorgt werden.

Seit der letzten Leitlinienaktualisierung der europäischen Gesellschaften für Kardiologie und Herzchirurgie (European Society of Cardiology (ESC), European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS)) im Jahr 2021 besteht eine Klasse-IA-Empfehlung für die interventionelle Therapie der AS mittels TAVI bei Patient:innen älter als 75 Jahre, mit hohem Risiko bei SAVR (Mortalitätsrisiko > 8 % intra- oder postoperativ nach STS-PROM oder EuroSCORE II) oder wenn eine SAVR nicht möglich ist. [2] Doch nicht alle Patient:innen sind für eine TAVI geeignet. Daher wird jeder Fall zunächst in einem interdisziplinären Gremium aus interventionellen Kardiolog:innen, Herzchirurg:innen und Anästhesist:innen – dem Heart-Team – vorgestellt, wo nach ausführlicher Abwägung von Nutzen, Risiken und technischen Unwägbarkeiten eine gemeinsame Therapieempfehlung ausgesprochen wird. In diesem Beitrag gehen wir auf einige Faktoren in diesem Entscheidungsprozess sowie auf mögliche Gründe dafür, dass eine AS besser entweder mit TAVI oder SAVR versorgt werden sollte, ein.

Video 1: Minimalinvasive operative Versorgung einer Aortenklappenstenose

Das Video zeigt die Technik bei einer minimalinvasiven Versorgung einer Aortenklappenstenose (surgical aortic valve replacement, SAVR).

Video 2: Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI)

Hochgradige symptomatische Aortenklappenstenosen werden zunehmend mittels Transkatheter-Aortenklappenimplantation (transcatheter aortic valve implantation, TAVI) versorgt. Das Video zeigt die Technik.

Lifetime-Management

Im Rahmen der Heart-Team-Diskussion steht zuerst das Lebenszeitkonzept im Vordergrund. Eine AS kann bereits bei jungen Patient:innen auftreten, bei denen in der Therapie zwischen einer biologischen und mechanischen Herzklappenprothese abgewogen werden muss. Biologische Klappen aus bovinem oder porzinem Perikard benötigen keine dauerhafte Antikoagulation, erfahren aber im Verlauf eine Degeneration, sodass nach etwa 15 Jahren ein Folgeeingriff notwendig werden kann. Die Abnutzung ist gerade bei jungen Menschen deutlich stärker, sodass für sie eine mechanische Herzklappe in Betracht gezogen werden muss. Dem Vorteil der dauerhaften Haltbarkeit steht jedoch die Notwendigkeit einer kontinuierlichen oralen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon und konsekutiver Notwendigkeit zur INR-Kontrolle gegenüber. Mechanische Klappen können, da sie nicht zusammengefaltet und durch einen Herzkatheter erneut ausgedehnt werden können, derzeit ausschließlich mittels SAVR implantiert werden. Wird eine biologische Prothese ausgewählt, sind unabhängig von der Implantationsmodalität zwei weitere wesentliche Faktoren zu berücksichtigen. Es gilt den Zugang zu den Koronararterien zu erhalten, falls im späteren Verlauf und zunehmenden Alter eine koronare Herzerkrankung behandlungsbedürftig wird. Kommt es zur Degeneration der biologischen Aortenklappenprothese, sollte in jedem Fall eine sichere Nachbehandlung mittels TAVI als "Klappe-in-Klappe"-Prozedur garantiert sein.

Für Patient:innen mit engem Anulus gilt es zudem, ein Missverhältnis von Patient:in und Prothese zu vermeiden, da eine zu klein gewählte Prothese mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist. [3] Beim chirurgischen Aortenklappenersatz können mit komplexerer Operationstechnik – wie einer Aortenwurzel- und Anuluserweiterung – größere Prothesen implantiert werden, um ein solches Missverhältnis zu vermeiden. Bei TAVI bieten supraanuläre Prothesen den Vorteil niedrigerer transvalvulärer Gradienten als intraanuläre Prothesen und können dadurch ein Patient:in-Prothesen-Mismatch reduzieren oder vermeiden.

Zugangswege

TAVI-Prothesen werden aufgrund des besseren Handlings bevorzugt über einen transfemoralen Zugang implantiert. Sollte dies nicht möglich sein, kann die Implantation alternativ über die Arteria axillaris, A. carotis, die Aorta oder antegrad über den Apex des linken Ventrikels erfolgen. Welcher Zugang am sinnvollsten ist, wird anhand des präinterventionellen CT bemessen. Sollte zum Beispiel aufgrund hochgradiger vaskulärer Stenosen ein transfemoraler Zugangsweg nicht möglich sein, sollte erneut die Behandlung mittels SAVR in Erwägung gezogen werden. Eine vorbekannte periphere arterielle Verschlusskrankheit ist aber dennoch keine Kontraindikation zur TAVI.

Aortenklappenmorphologie und LVOT-Kalzifizierung

Während für die SAVR die Morphologie der nativen Klappe nicht entscheidend ist, hängt von ihr bei der TAVI die generelle Machbarkeit ab. Für eine zirkuläre Expansion der TAVI-Prothese sind trikuspide, symmetrisch kalzifizierte Herzklappen günstig. Bikuspide Segelformationen entstehen anlagebedingt oder werden durch diverse Faktoren erworben [1]. Die abweichende Konfiguration und die durch Segelverschmelzung entstehende Asymmetrie können die Positionierung der TAVI-Prothese erschweren und zum Misserfolg führen, weshalb bikuspide Klappen bisher auch aus den großen randomisierten Studien (landmark randomized trials) ausgeschlossen waren [4]. Weitere komplizierende Faktoren sind zum Beispiel starke Kalzifizierung im linksventrikulären Ausflusstrakt, ein Kalksporn auf Anulusebene oder aneurysmatische Veränderungen der Aorta. Sie können zu einer Undichtigkeit der TAVI-Prothese (paravalvuläre Leckage), einer Verletzung des nativen Anulus im Rahmen der Ballonexpansion (Anulusruptur) oder einer Aortendissektion führen und werden zuvor in der CT-Untersuchung ausgeschlossen. Andererseits können z. B. Verkalkungen der Aorta ascendens einen chirurgischen Eingriff erheblich erschweren und somit auch bei jüngeren Patient:innen zur Anwendung des TAVI-Verfahrens führen. Ist das CT auffällig, müssen Nutzen und Risiko von SAVR und TAVI erneut abgewogen werden. [5]

Komorbiditäten der Koronarien und weiteren Herzklappen

Leitliniengerecht sollte vor jeder Herzklappenoperation der Koronarstatus erhoben werden, um interventions- und operationspflichtige Stenosen auszuschließen. Die Notwendigkeit ergibt sich zum einen daraus, dass der koronarangiographische Zugang je nach Prothese nach TAVI erschwert sein kann. Zum anderen ist das Vorhandensein und die Komplexität einer koronaren Herzerkrankung im Entscheidungsprozess zu berücksichtigen, um abwägen zu können, ob eine kombinierte Operation mit Aortenklappenersatz und koronarer Bypassanlage oder eine perkutane Koronarintervention und zweizeitige TAVI-Prozedur die bestmögliche Behandlung darstellen. Gleiches gilt für zusätzliche und therapiebedürftige Vitien der Atrioventrikularklappen oder der Aorta thoracalis. Das herzchirurgische Dogma, zur Reduktion von Re-Eingriffen bei einer notwendigen Sternotomie möglichst alle Pathologien simultan zu versorgen, sollte auch im Rahmen der TAVI-Evaluation berücksichtigt werden, bzw. es sollten sinnvolle Therapiemöglichkeiten für zunächst unversorgte kardiale Begleiterkrankungen bestehen.

Zusammenfassung
TAVI ist ein sicheres, standardisiertes und hochindividualisiertes Verfahren für Patient:innen mit hohem perioperativem Mortalitätsrisiko und/oder einem Alter von über 75 Jahren. Bevor eine TAVI durchgeführt wird, muss die technische Machbarkeit gesichert werden. Die Analyse der hochauflösenden CT-Untersuchung ist hierfür als Goldstandard etabliert worden. Die Entscheidung zwischen SAVR und TAVI sollte im behandelnden Herzzentrum und erst in Kenntnis aller Details unter Berücksichtigung des Willens der allseits informierten Patient:innen getroffen werden. Benötigen weitere Komorbiditäten eine operative oder interventionelle Versorgung, so ist dies im Entscheidungsprozess zu bedenken. Die hausärztliche Betreuung ist nicht nur für das Erkennen einer AS, die Abklärung weiterer Dyspnoe-Ursachen und die Therapiebahnung bedeutsam, sondern ist für eine holistische Bewertung jedes einzelnen Falles wichtig. Insofern ist eine offene und bidirektionale Kommunikation zwischen Hausärzt:in und dem die Behandlung ausführenden Herzzentrum wichtig, sinnvoll und daher zu fordern. Die hochgradige Individualisierung der Therapie sollte dabei hervorgehoben und die Notwendigkeit zur ausführlichen Therapieevaluation ergebnisoffen besprochen werden.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Bei der TAVI wird mittels Herzkatheter und Stent eine biologische Klappe in den Klappenring positioniert.
  • Vorteil bei biologischen Klappen ist der Verzicht auf Antikoagulation, Nachteil die kürzere Haltbarkeit.
  • Günstig für eine TAVI sind trikuspidale Klappen.


Literatur:
Sievers, H.H. and C. Schmidtke, A classification system for the bicuspid aortic valve from 304 surgical specimens. J Thorac Cardiovasc Surg, 2007. 133(5): p. 1226-33.
2. Vahanian, A., et al., 2021 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease: Developed by the Task Force for the management of valvular heart disease of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). European Heart Journal, 2021. 43(7): p. 561-632.
3. Mohty-Echahidi, D., et al., Impact of Prosthesis-Patient Mismatch on Long-Term Survival in Patients With Small St Jude Medical Mechanical Prostheses in the Aortic Position. Circulation, 2006. 113(3): p. 420-426.
4. Windecker, S., et al., Which patients with aortic stenosis should be referred to surgery rather than transcatheter aortic valve implantation? European Heart Journal, 2022.
5. Unbehaun, A., et al., TAVR - From inoperable to younger, lower-risk patients: A slippery slope? Prog Cardiovasc Dis, 2022.


Autoren

© Philipp Külker
Emanuel Heil

PD Dr. med. Christoph Klein
Klinik für Innere Medizin – Kardiologie
Dr. med. Karel van Praet
PD Dr. med. Axel Unbehaun
Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie
Deutsches Herzzentrum 13353 Berlin
Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (9) Seite 32-35