Die arterielle Hypertonie hat nach wie vor eine enorm hohe Prävalenz und Inzidenz nicht nur in Deutschland. Berechnungen der WHO zufolge ist sie die häufigste chronische Erkrankung weltweit [1]. Mit ihren teilweise gravierenden Begleit- und Folgeerkrankungen stellt sie eine erhebliche Herausforderung für das Gesundheitswesen dar. Ziel dieses Artikels ist es, die grundlegenden Strategien für ein modernes, leitlinien-basiertes therapeutisches Vorgehen hinsichtlich der nichtmedikamentösen Therapiemaßnahmen in der ärztlichen Praxis darzustellen.

Entsprechend den aktuell gültigen ESC/ESH-Leitlinien [2] ist die nichtmedikamentöse Lebensstiltherapie der arteriellen Hypertonie bei allen Schweregraden des Bluthochdrucks grundsätzlich indiziert und sollte – abhängig von Schweregrad und klinischer Gesamtkonstellation – entweder zunächst allein bzw. in Kombination mit einer medikamentösen antihypertensiven Therapie verordnet werden. Im Idealfall stellen die Lebensstilmaßnahmen eine synergistische Ergänzung der medikamentösen Hochdrucktherapie dar.

Entsprechend den o.g. Leitlinien kann ein gesunder Lebensstil die Entstehung einer hypertensiven Blutdrucklage verhindern oder verzögern und zudem das kardiovaskuläre Gesamtrisiko effektiv reduzieren. Hierfür liegt eine überzeugende Evidenzlage vor [2, 3]. Insbesondere bei Patient:innen mit Grad-1-Hypertonie können effektive nichtmedikamentöse Maßnahmen zudem therapeutisch allein ausreichend sein und eine medikamentöse Therapie unnötig machen bzw. letztere synergistisch verstärken. Bei Vorliegen von Hypertonie-assoziierten Endorganschäden bzw. einem hohen globalen kardiovaskulären Gesamtrisiko sollte jedoch eine medikamentöse Hochdrucktherapie parallel zu den nichtmedikamentösen Maßnahmen unverzüglich initiiert werden. Ein entsprechender Behandlungsalgorithmus wird in den ESC/ESH-Leitlinien empfohlen (Abb. 1).

Nachfolgend werden die nach den aktuell gültigen ESC/ESH-Leitlinien empfohlenen Komponenten der nichtmedikamentösen Lebensstiltherapie der arteriellen Hypertonie dargestellt und hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit in der ärztlichen Praxis bewertet. Hierbei muss betont werden, dass zu den jeweiligen Einzelkomponenten mittlerweile eine überzeugende Evidenz vorliegt. Ein Evidenzdefizit besteht allerdings in der Frage, inwieweit die verschiedenen empfohlenen Lebensstilmaßnahmen additiv oder sogar potenzierend zusammenwirken. Die verfügbare Evidenz weist jedoch darauf hin, dass zumindest additive Effekte erzielt werden können.

Kochsalzrestriktion – Supplementation von Kalium und Magnesium

Die Zufuhr von Kochsalz mit der Nahrung hat sowohl akut als auch chronisch einen Blutdrucksteigernden Effekt. Entsprechend ist in zahlreichen epidemiologischen Studien eine gesteigerte Kochsalzzufuhr, d. h. > 5 g/d – entsprechend einem Teelöffel –,mit einer erhöhten Prävalenz der arteriellen Hypertonie assoziiert. Umgekehrt konnte in zahlreichen Studien und Metaanalysen gezeigt werden, dass eine konsequente Reduktion der Kochsalzzufuhr mit einer signifikanten Blutdrucksenkung sowie der Hypertonie-assoziierten Endorganschäden verbunden war, wobei eine Reduktion der Kochsalzzufuhr um 4,4 g/d mit einer durchschnittlichen Blutdrucksenkung von 5,4/2,8 mmHg bei Patienten mit arterieller Hypertonie assoziiert war [2, 4, 5].

Die positiven Effekte waren besonders ausgeprägt bei älteren Patient:innen sowie bei Patient:innen mit metabolischem Syndrom bzw. chronischer Niereninsuffizienz. Einige Studien weisen allerdings darauf hin, dass eine drastische Reduktion der Kochsalzzufuhr unter 3 g/d mit einer paradoxen Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse verbunden sein kann [2].

Ein pragmatisches Vorgehen in der ärztlichen Praxis ist es daher, eine Reduktion der Kochsalzzufuhr auf täglich ca. 5 g in Kombination mit einer Kalium- und Magnesium-reichen Ernährung bzw. Substitution zu empfehlen [2]. Eine Studie aus China konnte in diesem Zusammenhang zeigen, dass der systematische Ersatz von Natriumchlorid durch Kaliumchlorid in mehreren ländlichen chinesischen Gemeinden sowohl mit einer Blutdrucksenkung als auch mit einer Abnahme kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert war [6].

Moderater Alkoholkonsum

Regelmäßiger Alkoholkonsum ist nicht nur mit einer erhöhten Hypertonie-Prävalenz, sondern auch mit einem gesteigerten kardiovaskulären Risiko assoziiert. Das gilt insbesondere für überhöhten Alkoholkonsum [2]. Eine Metaanalyse basierend auf 56 epidemiologischen Studien zeigte zudem positive kardiovaskuläre Effekte einer Alkoholreduktion auch bei mäßigem Alkoholkonsum [7]. Gleichwohl bleibt die Frage nach der optimalen Alkoholdosis aus gesundheitlicher Sicht weiterhin ungeklärt. Die Leitlinien empfehlen eine Limitierung des Alkoholkonsums für hypertensive Männer auf maximal 14 Einheiten pro Woche bzw. 8 Einheiten pro Woche für Frauen, wobei eine Einheit 125 ml Wein bzw. 250 ml Bier entspricht. Alkoholfreie Tage sowie die Vermeidung von "Binge-Trinken" werden empfohlen [2]. Für die ärztliche Praxis bleibt festzuhalten, dass eine Beschränkung des Alkoholkonsums für Patientenmit arterieller Hypertonie sinnvoll ist, wobei – auch mit Blick auf die Compliance – eine vollständige Alkoholkarenz nur in seltenen Fällen erforderlich bzw. realisierbar ist.

Diätmodifikation und Gewichtsreduktion

Patient:innen mit arterieller Hypertonie ist eine kalorisch ausgewogene Ernährungsweise zu empfehlen. Bei einer viszeralen Adipositas sollte neben einer Reduktion des BMI insbesondere eine Reduktion des Taillenumfangs angestrebt werden. Trotz bestehender Kontroversen hinsichtlich des optimalen BMI empfehlen die aktuell gültigen Leitlinien, für hypertensive Patienten unter 60 Jahren einen BMI von 20 – 25 kg/m2 sowie einen Taillenumfang von 94 cm für Männer bzw. 80 cm für Frauen anzustreben.

Die Ernährung sollte zudem langfristig qualitativ modifiziert werden mit einer Präferenz für Gemüse und Obst sowie einem nur geringen Verzehr von "rotem" Fleisch und gesättigten Fetten. Während die Umsetzung dieser Empfehlungen im Rahmen "artifizieller Diäten", wie z. B. der DASH-Studie, zeitlich limitierte Effekte demonstrierte, stellt die sogenannte "mediterraneDiät" eine seit Jahrhunderten bewährte und langfristig umsetzbare Ernährungsvariante verbunden mit einem hohen Evidenzgrad hinsichtlich der gesundheitlichen Effekte dar. So konnte die randomisierte Predimed-Studie [8] in überzeugender Weise eine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse belegen. Zudem waren das Karzinomrisiko sowie die Gesamtsterblichkeit signifikant vermindert. Vor diesem Hintergrund eignet sich die Empfehlung einer mediterranausgerichteten Diät in der ärztlichen Praxis in besonderer Weise. Von allen anderen – teilweise radikalen – Diätempfehlungen inklusive der überhöhten Zufuhr von Supplementen ist aufgrund fehlender oder nur geringer Evidenz abzuraten.

Rauchstopp

Rauchen, auch das sogenannte "passive Rauchen", ist ein gravierender gesicherter Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs mit einer weiterhin hohen Prävalenz. Das Risiko ist potenziert in Kombination mit arterieller Hypertonie. Zudem hat Rauchen einen Blutdruck-steigernden Effekt sowohl bei normotensiven als auch bei hypertensiven Menschen belegt auf Basis von 24-h-ABDM-Messungen [9].

Für die ärztliche Praxis wird bei Rauchernzumindest ein kurzer ärztlicher Hinweis bzgl. der Notwendigkeit eines sofortigen Rauchstopps empfohlen, der periodisch wiederholt werden sollte. Dieser ärztliche Hinweis ist bereits in einzelnen Fällen wirksam und sollte bei fehlendem Erfolg gemäß Leitlinien u.a. durch verhaltenstherapeutische Maßnahmen sowie die Verordnung von Nikotin-Pflastern bzw. Nikotin-Kaugummi ergänzt werden. Hierdurch können die Erfolgsaussichten bzgl. Rauchstopp um 70 – 100 % gesteigert werden [2].

Regelmäßige körperliche Aktivität/Sport

Körperliche bzw. sportliche Aktivitäten induzieren einen akuten und physiologischen Anstieg des arteriellen Blutdrucks mit Betonung der systolischen Komponente, gefolgt von einem kurzzeitigen Blutdruckabfall unterhalb des Ausgangswertes. Umgekehrt bewirken regelmäßige körperliche bzw. sportliche Aktivitäten einen signifikanten Blutdruckabfall, der in der Regel umso ausgeprägter ist, je höher die Blutdruckausgangslage ist, und sind evidenzbasiert ein wirksames antihypertensives Therapieprinzip sowohl für die Prävention als auch die Behandlung einer etablierten arteriellen Hypertonie [2].

Eine umfangreiche Metaanalyse konnte zeigen, dass sowohl Ausdauertraining als auch dynamisches Kräftigungstraining eine signifikante Blutdruckreduktion bei hypertensiven Patienten erzielen konnte, wobei eine erhebliche interindividuelle Variabilität bestand. Die durchschnittliche Blutdrucksenkung durch ein regelmäßiges Ausdauertraining bei hypertensiven Patientenbetrug 8,3/5,2 mmHg [10, 11]. Darüber hinaus konnte eine signifikante Verringerung kardiovaskulärer Ereignisse und Letalität sowie der Gesamtmortalität in zahlreichen Studien nachgewiesen werden [12]. Entsprechend empfehlen die Leitlinien [2] mindestens 30 Minuten dynamische aerobe körperliche/sportliche Aktivitäten in moderater Intensität (Gehen, Fahrradfahren, Joggen, Schwimmen etc.) an 5 – 7 Tagen pro Woche. Eine Steigerung auf bis zu 300 min moderaten Trainings bzw. 150 min intensiven Ausdauertrainings entsprechend den aktuellen WHO-Empfehlungen kann bei Vorliegen gesundheitlicher Voraussetzungen angestrebt werden. Ein ergänzendes Kräftigungstraining sollte an 2 – 3 Tagen pro Woche stattfinden. Präzise Angaben diesbzgl. fehlen allerdings in den ESC/ESH-Leitlinien. Aufgrund aktueller Evidenz kann aber die Empfehlung gegeben werden, dieses Kräftigungstraining unter Monitoring über 15 – 20 Minuten in niedriger bis mittlerer Intensität durchzuführen. Konkrete Hinweise zu einer möglichen Rolle von hochintensivem Intervall-Training (HIIT) fehlen ebenfalls. Aktuelle Studien zeigen hier durchaus positive Effekte auch für Hypertoniepatienten. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine ärztliche Voruntersuchung, die wir generell für Bluthochdruckpatienten im Vorfeld sportlicher Aktivitäten nach den Vorgaben der DGSP-Leitlinien empfehlen [13].

Die Aufnahme individualisierter regelmäßiger und höherintensiver körperlicher/sportlicher Aktivitäten sollte zudem durch ein professionelles Monitoring begleitet werden. Hierfür empfiehlt sich für die ärztliche Praxis die Vernetzung mit einem gesundheitsorientierten Fitnessstudio.

Medikamentöse antihypertensive Therapie des sportlich aktiven Hochdruckpatient:innen

In der medikamentösen Differenzialtherapie des sportlich aktiven Hochdruckpatientensind nach den aktuellen Leitlinien die antihypertensive Wirksamkeit, der Nachweis einer Prognoseverbesserung sowie die Berücksichtigung individueller Begleit- und Folgeerkrankungen entscheidend.

Darüber hinaus sollten die günstigen Effekte der körperlichen bzw. sportlichen Aktivitäten durch die medikamentöse antihypertensive Therapie nach Möglichkeit synergistisch unterstützt und nicht etwa konterkariert werden. Die Pharmakotherapie sollte daher folgende zusätzliche Qualitätskriterien erfüllen:

  • effektive Kontrolle sowohl des Ruheblutdruckes als auch des Belastungsblutdruckes
  • mindestens Stoffwechselneutralität
  • keine Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie der subjektiven Leistungsbereitschaft
  • keine Beeinträchtigung der Lebensqualität

Diese Gesichtspunkte sind wesentlich auch im Interesse einer langfristigen Compliance des Hochdruckpatientenund sind im Rahmen eigener Studien evaluiert worden [14].

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das präventive und therapeutische Potenzial der nichtmedikamentösen Lebensstilmaßnahmen für Menschen mit arterieller Hypertonie und deren Folgeerkrankungen erheblich ist und nach wie vor unterschätzt wird. Deren konsequente individualisierte Empfehlung und Umsetzung in der ärztlichen Praxis in Kombination mit einer maßgeschneiderten medikamentösen Therapie können die Versorgungsqualität der Patient:innen mit arterieller Hypertonie erheblich steigern und sind daher mandatorisch. Zielführende Maßnahmen inklusive einer angemessenen Honorierung der ärztlichen Beratungsleistungen sowie regelmäßige Fort-und Weiterbildungen und flankierende wissenschaftliche Evaluationen sind erforderlich.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Lebensstilmodifikationen bei Hypertonie sollten allein oder kombiniert mit Medikamenten verordnet werden.
  • Sie bestehen aus Kochsalzrestriktion, moderatem Alkoholkonsum, Gewichtsreduktion, Rauchstopp und Sport.
  • Das Potenzial von Lebensstilmaßnahmen ist erheblich und wird oft unterschätzt.


Literatur:
1. NCD Risk Factor Collaboration. Worldwide trends in blood pressure from 1975 to 2015: Lancet 2017;389:37-55
2. ESC/ESH Guidelines. European Heart Journal (2018) 1–98 doi:10.1093/eurheartj/ehy339
3. Visseren FLJ et al. , ESC National Cardiac Societies; ESC Scientific Document Group. 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J. 2021 Sep 7;42(34):3227-3337. doi: 10.1093/eurheartj/ehab484. Erratum in: Eur Heart J. 2022 Nov 7;43(42):4468. PMID: 34458905.
4. He FJ, Li J, Macgregor GA. Effect of longer-term modest salt reduction on blood pressure. Cochrane Database Syst Rev 2013;4:CD004937.
5. Elliott P, Stamler J, Nichols R, Dyer AR, Stamler R, Kesteloot H, Marmot M. . Intersalt revisited: further analyses of 24 hour sodium excretion and blood pressure within and across populations. Intersalt Cooperative Research Group. . BMJ 1996;312:1249–1253.
6. Neal B,WuY,Feng X, et al.Effectof salt substitution on cardiovascular events and death. N Engl J Med. 2021;385(12):1067-1077. doi:10.1056/ NEJMoa2105675
7. InterAct Consortium. Association between alcohol and cardiovascular disease: Mendelian randomisation analysis based on individual participant data. BMJ 2014;349:g4164.
8. Estruch R et al. PREDIMED Study Investigators. Primary Prevention of Cardiovascular Disease with a Mediterranean Diet Supplemented with Extra-Virgin Olive Oil or Nuts. N Engl J Med. 2018 Jun 21;378(25):e34. doi: 10.1056/NEJMoa1800389. Epub 2018 Jun 13. PMID: 29897866.
9. Groppelli A, Giorgi DM, Omboni S, Parati G, Mancia G. Persistent blood pressure increase induced by heavy smoking. J Hypertens 1992;10:495–499
10. Cornelissen VA, Smart NA. Exercise training for blood pressure: a systematic review and meta-analysis. J Am Heart Assoc 2013;2:e004473.
11. BörjessonM,OnerupA,LundqvistS,DahlöfB. Physical activity and exercise lower blood pressure in individuals with hypertension: narrative review of 27 RCTs. Br J Sports Med. 2016;50(6):356-361. doi: 10.1136/bjsports-2015-095786
12. Leitzmann MF, Park Y, Blair A, Ballard-Barbash R, Mouw T, Hollenbeck AR, . Schatzkin A. Physical activity recommend
13. S1-Leitlinie. www.dgsp.de
14. Predel HG et al. Non-pharmacological treatment of hypertension. MMW Fortschr Med. 2013 Aug 22;155(14):51-3. doi: 10.1007/s15006-013-2041-3.


Autor

© privat
Hans-Georg Predel

Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule
50933 Köln
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (7) Seite 44-47