Unterschiedliche Zielgruppen sind je nach Alter, Begleiterkrankungen, Lebensumständen (z. B. Schwangerschaft) oder beruflichen Risiken unterschiedlich stark von einer Influenza-Infektion betroffen. Zudem sind verschiedene Impfstoffe auf dem Markt, die sich in ihrer Wirksamkeit unterscheiden. Welche Daten bislang vorliegen und welcher Impfstoff für welche Zielgruppe geeignet ist, soll im folgenden Beitrag dargestellt werden.
Influenza-A- und -B-Viren lösen jährlich saisonale Grippewellen von unterschiedlicher Stärke und Dauer aus. Auf der nördlichen Hemisphäre nimmt die Influenzaktivität im Herbst zu, erreicht meist im Januar bis Februar den Höhepunkt und klingt bis Mitte Mai ab. Pro Saison infizieren sich in Deutschland schätzungsweise 5 bis 20 % der Bevölkerung mit Influenzaviren [1]. Die Stärke der Influenzawellen kann von Jahr zu Jahr deutlich variieren (Tabelle 1). Auch können die einzelnen Altersgruppen unterschiedlich stark betroffen sein. In einer Metaanalyse von 32RCT wurde die Häufigkeit einer symptomatischen Influenza bei Kindern auf 12,7 % und bei ungeimpften Erwachsenen auf 4,4 % geschätzt [2]. Säuglinge und Kleinkinder sowie ältere Menschen haben das höchste Risiko für eine Krankenhauseinweisung durch Influenza. Influenzabedingte Todesfälle ereignen sich fast ausschließlich in der älteren Bevölkerung.
Die Patienten sind während der ersten vier bis fünfTage nach Krankheitsbeginn infektiös, solche mit schwerem Krankheitsverlauf oder Immunsupprimierte auch länger. Die Infektion erfolgt überwiegend durch Tröpfchen, eine Ausbreitung über Aerosole und über Kontakt zu kontaminierten Flächen ist ebenfalls möglich. Dass Hygienemaßnahmen wie Kontakteinschränkung, Distanzierung und das Tragen von medizinischen Masken dieVirusausbreitung in der Bevölkerung offenbar reduzieren, zeigt die schwache saisonale Influenzawelle der Saison2019/2020, die von der SARS-CoV-2-Pandemie geprägt war [3].
Patienten mit Vorerkrankungen
Neben den Standard-Impfempfehlungen (jährliche Influenzaimpfung für alle ab 60Jahre) kennt die STIKO noch viele Indikations-Impfungen.
Auf die Standard-Impfungen hat jeder in Deutschland Versicherte entsprechend den STIKO-Empfehlungen einen Rechtsanspruch; die Indikations-Impfungen hingegen orientieren sich an individuellen Patientenmerkmalen. Diese können sein: bestehende Vorerkrankungen, bestimmte, mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko einhergehende Lebensphasen (Schwangerschaft), Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen (Alters-oder Pflegeheime) sowie beruflich bedingt erhöhte Risiken (medizinisches Personal) und gegebenenfalls geplante Reisen. Insgesamt erstreckt sich die Liste der von der STIKO nur als beispielhaft genannten Indikationen inzwischen auf nahezu eine komplette Seite im Epidemiologischen Bulletin.
Für die Mehrzahl der Impfärzte (Hausärzte) sind natürlich die bestehenden Vorerkrankungen die wichtigste Indikation für die Durchführung einer Influenzaimpfung bei ihren Patient:innen vor dem 60. Lebensjahr. Die von der STIKO genannten Grundleiden werden bewusst als beispielhaft aufgeführt; der Katalog kann also individuell noch erweitert werden. Auch wenn die genannten Beispiele aus völlig unterschiedlichen Bereichen der Medizin aufgelistet werden, so ist ihnen doch eines gemeinsam: mehr oder weniger ausgeprägt wird durch sie das Immunsystem der Betroffenen korrumpiert.
Influenzaimpfung bei Schwangeren
Influenzavirus-Infektionen können bei Schwangeren vor allem im dritten Trimenon zu sehr schweren Krankheitsverläufen führen – inklusive Lungenversagen. Der Grund dafür ist die schwangerschaftsbedingte Immunsuppression. Zudem werden im letzten Trimenon durch den steigenden Platzbedarf des Kindes die basalen Lungenabschnitte zusammengedrückt, somit schlechter perfundiert und ventiliert. Die Influenzaviren können sich in der Folge besser vermehren. Schwangere, die an Influenza erkrankt sind, haben ein deutlich erhöhtes Hospitalisierungs- und Sterberisiko. Die Ungeborenen sind durch schwere Verläufe ebenfalls gefährdet, verbunden mit dem Risiko einer Frühgeburt und nachfolgenden Wachstumsstörungen.
Die Influenzaimpfung ist für alle Schwangeren ab 2. Trimenon empfohlen, dabei soll ein inaktivierter quadrivalenter Impfstoff zur Anwendung kommen. Bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Grunderkrankung soll ab dem 1. Trimenon geimpft werden.
Der Säugling hat durch die Impfung der Schwangeren zwei Vorteile: Zum einen wird das Risiko einer Übertragung von Viren durch die Mutter als engste Kontaktperson nach der Geburt stark reduziert, zum anderen ist das Kind durch die passiv in utero übertragenen Antikörper in den ersten Lebensmonaten vor einer Ansteckung geschützt (Nestschutz).
Influenzaimpfung bei Senioren
Bei älteren Menschen ist der Schutz durch eine Impfung gegen saisonale Influenza weniger effektiv als bei jungenMenschen [11]. Bei alten Patienten mit Frailty ("Gebrechlichkeit") ist die Wirksamkeit der Impfung gegen Influenza noch schlechter [12].
Influenzaimpfstoffe wurden unter anderem mit dem Ziel weiterentwickelt, die Wirksamkeit zu verbessern. Dabei wurden unterschiedliche Ansätze verfolgt:- Einsatz von Adjuvantien
- Erhöhung der Antigendosis
- Herstellung in Zellkultur
- Rekombinante Herstellung
Adjuvantierte tetravalente eibasierte Vakzine (Fluad Tetra®)
Diese enthält als Adjuvans eine Squalen-in-Wasser-Emulsion mit Polysorbat 80 und Sorbitantrioleat (MF59). Sie ist in Deutschland seit 2020 ab einem Lebensalter von über 65Jahren zugelassen. In ihrer trivalenten Form hat die Vakzine in Studien eine Wirksamkeit gezeigt [13]. Der quadrivalente adjuvantierte Impfstoff führte im Vergleich zum trivalenten adjuvantierten Impfstoff zu einer besseren Immunantwort auf die zusätzlich enthaltene B-Zell-Linie [14]. In einer randomisierten Kohortenstudie kam es in den Pflegeheimen, in denen mit dem adjuvantierten Impfstoff geimpft wurde, zu weniger Infuenzaausbrüchen als in den Pflegeheimen, deren Bewohner mit dem nichtadjuvantierten Impfstoff geimpft wurden [15]. Die über 75-Jährigen und noch stärker die über 90-Jährigen profitieren in einer retrospektiven Beobachtungsstudie besonders stark von dem adjuvantierten Influenzaimpfstoff [16]. Daten aus randomisierten Studien, welche diese Beobachtungen untermauern, fehlen leider.
Das kanadische "National Advisory Committee on Immunization"(NACI) gibt Empfehlungen für Impfungen in Kanada heraus. Zu dem MF59-adjuvantierten Influenzaimpfstoff Fluad® kommt die NACI zu dem Ergebnis, dass keine ausreichende Evidenz ("insufficient evidence") dafür vorliegt, dass der mit MF59 adjuvantierte Influenzaimpfstoff bei älteren Menschen das Risiko für durch Influenza bedingte Krankenhausaufnahmen und Komplikationen stärker verringert als nichtadjuvantierte Impfstoffe [17]. Der Impfstoff darf nicht subkutan verabreicht werden, weil das Adjuvans MF59 bei subkutaner Applikation starke Lokalreaktionen verursachen kann.
Hochdosierte eibasierte Spaltvakzine (Efluelda®)
Dieser Impfstoff hat den vierfachen (60 µg statt 15 µg) Antigengehalt pro enthaltenem Virusstamm. In den USA ist bereits seit 2009 ein hoch dosierter Impfstoff (Fluzone High Dose®) für über 65-Jährige zugelassen. In einer großen randomisierten Doppelblindstudie zeigte der hoch dosierte trivalente Impfstoff im Vergleich zum trivalenten Impfstoff mit Standarddosiseine relative Wirksamkeit von 24 % für laborbestätigte Influenzainfektionen. Zudem waren bei den mit dem Hochdosisimpfstoff Geimpften schwerwiegende Komplikationen einer Influenza, Hospitalisierungen jeglicher Ursache sowie Pneumonien signifikant seltener als bei den mit dem Standardimpfstoff Geimpften [18]. Die Immunogenität des trivalenten hochdosierten Influenzaimpfstoffs ist gut [19].
Young-Xu et al. untersuchten im Kohortendesign bei über 65-jährigen Veteranen anhand von Abrechnungsdaten die Wirksamkeit des Hochdosisimpfstoffs im Vergleich zum Standardimpfstoff in den Influenza-Saisons 2012–2013 und 2014 – 2015. Bei den männlichen Studienteilnehmern schützte der Hochdosisimpfstoff vor durch Pneumonie, Influenza und kardiovaskuläre Erkrankungen bedingten Todesfällen besser als ein Standarddosisimpfstoff [20].
Derzeit werdenin einer randomisierten modifizierten Doppelblindstudie die Sicherheit und die Immunogenität des quadrivalenten Hochdosis-Influenzaimpfstoffs im Vergleich mit einem quadrivalenten Standarddosis-Influenzaimpfstoff bei über 60-Jährigen untersucht [21].
Die kanadische NACI kommt zu dem Schluss, dass der hoch dosierte Influenzaimpfstoff Fluzone High Dose® ältere Menschen signifikant besser vor Influenza-like Illnesses (ILI), Tod durch Influenza und vor Hospitalisierungen jeglicher Ursache schützt als ein Influenzaimpfstoff in Standarddosierung. Diese Aussage wird mit einer hohen Evidenz ("Good Evidence", Grade A Evidence) versehen [22].
In der Europäischen Union ist der Impfstoffmittlerweile ab dem 60. Lebensjahr zugelassen. Der hoch dosierte Impfstoff wird von der STIKO aktuell für alle über 60-Jährigen als Standardimpfung empfohlen [26]. Grundlage hierfür ist, dass für die Wirksamkeit des hoch dosierten Impfstoffes die Evidenz durch randomisierte Studien am besten belegt ist. Lokalreaktionen treten bei dem hochdosierten Impfstoff häufiger auf als bei den Standardimpfstoffen.
Zellbasierte Subunit-Vakzine (Flucelvax Tetra®)
Eine Vermehrung der Influenzaviren in Hühnereiern kann zu Mutationen führen, die die Antigenität und somit die Wirksamkeit der Impfstoffe gegenüber den zirkulierenden Virustypen negativ beeinträchtigen können ("Ei-Adaptation"). Durch optimierte Zellkulturtechniken sollen mögliche negative Veränderungen der Antigene verhindert oder verringert werden. Die bisher vorliegenden Kohortenstudien zur Wirksamkeit im Vergleich zu eibasierten Influenzaimpfstoffen ergaben heterogene Ergebnisse, randomisierte Studien liegen derzeit nicht vor.
Zellbasierte rekombinante Vakzine (Supemtec®)
Bei dem rekombinanten Impfstoff erfolgt durch Vermehrung eines rekombinanten Baculovirusvektors in Insektenzellkultur die Expression des HA-(Hämagglutinin-)Antigens der Influenzaviren [8]. Der Antigengehalt beträgt 45 µg (statt 15 µg bei Standardimpfstoffen) pro Virusstamm. Im Gegensatz zu den anderen Influenzaimpfstoffen enthält er nur HA-(Hämagglutinin-), aber keine NA-(Neuraminidase-)Oligomere. Ob das fehlende NA-Antigen Auswirkungen auf die Immunogenität hat, ist bisher nicht geklärt. In einer randomisierten Studie bei Erwachsenen im Alter von über 50Jahren war der rekombinante Impfstoff bei der Verhinderung laborbestätigter Influenzainfektionen um ca. 30 % besser wirksam als der Standardimpfstoff [24]. In den USA ist die Vakzine bereits seit vier Jahren unter dem Namen Flublok® auf dem Markt. Der Impfstoff ist in der EU ab 18Jahren zugelassen. In Deutschland wird er voraussichtlich erst ab der Saison 2022/2023 zur Verfügung stehen.
Bewertung der weiterentwickelten Impfstoffe im Vergleich
Das European Centre of Disease Prevention and Control (ECDC) veröffentlichte ein systematisches Review, in dem Wirksamkeit und Sicherheit der weiterentwickelten Impfstoffe mit der Wirksamkeit und Sicherheit von konventionellen Influenzaimpfstoffen bei der Verhinderung von laborbestätigter saisonaler Influenza bei Erwachsenen verglichen wurde [25]. Dieses Review ergab für den hoch dosierten Influenzaimpfstoff eine geringfügig aber signifikant bessere Wirksamkeit gegen laborbestätigte Influenzainfektionen. Durch die STIKO wurden im Rahmen einer orientierenden Literaturrecherche fünf zusätzliche Studien identifiziert und bewertet, die zwischen Februar und Mai 2020 publiziert wurden und deshalb im Review des ECDC nicht enthalten waren. Die STIKO schätzt die Qualität der Evidenz für die Verhinderung laborbestätigter Influenzainfektionen für den hoch dosierten Impfstoff als "hoch" ein. Im Januar 2021 hat die STIKO deshalb ihre Empfehlung zur Influenzaimpfung für über 60-Jährige aktualisiert: Sie empfiehlt aktuell für alle Personen ab einem Alter von 60Jahren eine jährliche Impfung gegen saisonale Influenza mit einem inaktivierten, quadrivalenten Influenza-Hochdosisimpfstoff [26]. Bei einem Lieferengpass oder Nichtverfügbarkeit von hoch dosierten Impfstoffen können für über 60-Jährige auch andere inaktivierte quadrivalente Influenzaimpfstoffe verwendet werden.
Simultane Impfung gegen SARS-CoV-2 und gegen saisonale Influenza
Wenn eine Indikation zur Impfung sowohl gegen Influenza als auch gegen COVID-19 besteht, ist eine simultane Verabreichung beider Impfstoffe möglich [27].
- Der hochdosierte Influenzaimpfstoff Efluelda® schützt über 60-jährige Menschen signifikant besser vor Influenzainfektionen, Komplikationen einer Influenzainfektion, Hospitalisierungen und verhindert influenzabedingte Todesfälle signifikant besser als Standard-Influenzaimpfstoffe.
- Alle Menschen im Alter von über 60 Jahren sollten deshalb mit dem quadrivalenten inaktivierten Hochdosisimpfstoff (Efluelda®) geimpft werden.
- Die Impfungen gegen Influenza und gegen SARS-CoV-2 können simultan appliziert werden.
- Falls der Hochdosisimpfstoff nicht verfügbar ist, kann mit anderen inaktivierten quadrivalenten Influenzaimpfstoffen geimpft werden.

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (1) Seite 42-45