Ohrenschmerzen und Fieber weisen auf eine Otitis media hin. Welche Untersuchungen kann der Hausarzt in der Praxis durchführen? Was kommt differenzialdiagnostisch infrage? Wann muss der HNO-Arzt ran? Und welche Therapie kommt je nach Diagnose infrage? Beim Allgemeinmedizin-Refresher der FOMF ging Prof. Dr. med. Thomas Kühnel, HNO-Arzt am Universitätsklinikum Regensburg, auf diese Fragen ein.

Patient:innen mit akuter Otitis media klagen über plötzlich einsetzende Schmerzen. Zudem besteht eine Schallleitungsschwerhörigkeit, häufig Fieber und ein reduzierter Allgemeinzustand. Otoskopisch sieht man ein gerötetes, nach außen vorgewölbtes Trommelfell (Abb. 1). Die Schallleitungsstörung lässt sich leicht mit den Stimmgabeltests nach Weber und Rinne prüfen. Beim Webertest wird die Stimmgabel auf den Scheitel aufgesetzt. Wenn der Patientden Ton auf einer Seite lauter hört, kann es sich um eine Schallleitungsstörung in diesem Ohr handeln. Die Bestätigung erhält man durch den Rinnetest: Die Stimmgabel wird auf den Processus mastoideus aufgesetzt und wenn der Patientden Ton nicht mehr hört vor das Ohr gehalten. Bei einer Schallleitungsstörung kann der Patientden Ton dann nicht wieder hören, wie es bei Normalhörenden der Fall wäre.

Ein normaler Krankheitsverlauf stellt sich folgendermaßen dar: Zunächst handelt es sich um einen viralen Infekt, der über die Eustachische Röhre ins Mittelohr gelangt. Dann kommt es zu einer bakteriellen Infektion, Schmerzen und Hörminderung setzen ein. Bei einer Trommelfellperforation sind die Schmerzen schlagartig verschwunden, der Trommelfelldefekt heilt dann meist folgenlos zu. Kommt es nicht zu einer spontanen Perforation, kann eine Parazentese weiterhelfen.

Eine gefürchtete Komplikation der Otitis media ist das Übergreifen der bakteriellen Infektion auf das Mastoid und den M. sternocleidomastoideus (Bezold-Mastoiditis)– eine dringende Op.-Indikation. Auch der Befall des Sinus sigmoideus über das Mastoid mit der Folge einer Sinusthrombose oder gar einer Meningitis ist eine gefährliche Komplikation.

Was ist zu tun?

Zunächst ist eine Analgesie, üblicherweise mit Ibuprofen, indiziert. Um das pharyngeale Tubenostium zum Abschwellen zu bringen, ist eine Dekongestion der Nase mit abschwellenden Nasentropfen sinnvoll. In den ersten zehn Tagen sollte man möglichst kein Antibiotikum verordnen, um eine Erregerselektion und Unverträglichkeiten zu vermeiden. Der Krankheitsverlauf lässt sich dadurch sowieso nur um einen Tag verkürzen, und das auch nur, wenn man das Antibiotikum frühzeitig gibt, betonte Prof. Kühnel. Sollte sich das Beschwerdebild aber deutlich verschlechtern oder sollte es nach anfänglicher Verbesserung zu einem Wiederaufflammen mit hohem Fieber kommen, ist ein Antibiotikum gerechtfertigt. In der Regel beginnt man mit einem Aminopenicillin über mindestens fünf, maximal sieben Tage. Eine Besonderheit stellen Kinder bis zum 6. Lebensmonat dar, die schon frühzeitig antibiotisch behandelt werden sollten.

Akute Otitis externa (Badeotitis)
Differenzialdiagnostisch sollte man an eine Badeotitis denken. Die Patient:innen kommen typischerweise im Sommer am Abend oder in der Nacht in die Praxis, mit starken, plötzlich aufgetretenen Schmerzen. Sie entstehen durch eine Entzündung der sehr dünnen Haut des äußeren Gehörgangs. Es kommt dann zur Schwellung und Fortleitung der Entzündung auf das Periost. Nahezu beweisend für eine Otitis externa ist der Tragusdruckschmerz. Ähnliche Beschwerden kann ein Zeruminalpfropf verursachen, der durch das Wasser an Volumen zugenommen hat und deshalb Schmerzen verursacht. Wichtig ist eine frühzeitige wirksame Analgesie. Die Patient:innen leiden außerdem unter einem Hörverlust. Die Therapie ist einfach, aber langwierig. Zum Abschwellen und Desinfizieren verwendet man am besten in den Gehörgang eingelegte Alkoholstreifen und Ciprofloxacin-Ohrentropfen, weil meist Pseudomonaden eine Rolle spielen. Ein systemisches Antibiotikum ist nicht indiziert. Man sollte tägliche Kontrollen vornehmen.

Chronische Otitis media

Hierbei handelt es sich um ein eigenständiges Krankheitsbild. Man unterscheidet zwei Formen

  1. Die mesotympanale Otitis media mit zentralem Trommelfelldefekt, chronischer Schleimhauteiterung und schleimig-eitriger, geruchloser Sekretion (Abb. 4) wird in der Regel verursacht durch eine Tubenbelüftungsstörung , die zur Unterbelüftung in der Paukenhöhle führt und schließlich zu dem Trommelfelldefekt. Weitere denkbare Ursachen sind Traumata (auch Paukenröhrchen) und rezidivierende Infekte.
  2. Die epitympanale Otitis media (Abb. 5) ist gekennzeichnet durch einen randständigen Trommelfelldefekt und fötide Sekretion. Unbehandelt mündet sie meist in ein Cholesteatom. Bei der genuinen Form geht man davon aus, dass Plattenepithelreste in das Mittelohr versprengt werden. Bei der erworbenen Form (z. B. durch ein Trauma) wächst Plattenepithel in das Mittelohr ein.

Die Symptome sind bei beiden Formen recht ähnlich. Die Patient:innen haben keine Schmerzen, aber eine zunehmende Schwerhörigkeit, die bei der epitympanalen Form schneller fortschreitet. Der Allgemeinzustand ist meist recht gut. Einen Trommelfelldefekt kann man auch durch einen Valsalva-Versuch aufdecken, bei dem bei funktionsfähiger Eustachischer Röhre ein Durchblasegeräusch entsteht.

Wichtig zu wissen

Das Cholesteatom führt langfristig oft zu Komplikationen wie Schäden an den Gehörknöchelchen (zunehmende Schwerhörigkeit), einem Defekt an den Bogengängen (Schwindel) und an der Schädelbasis mit der Gefahr der Meningitis. Bei beiden Formen ist eine Operation indiziert. Von selbst zuwachsen wird der Defekt nicht. Generell sollte man das Ohr trocken halten und Wassereintritt vermeiden. Denn immer, wenn Wasser ins Mittelohr gelangt, droht eine erneute akute Otitis media. Im freien Intervall sollte dann das Trommelfell operativ rekonstruiert werden. Beim Cholesteatom muss nicht nur das Trommelfell, sondern meist auch die Gehörknöchelchenkette rekonstruiert werden. Ciprofloxacin-haltige pseudomonaswirksame Ohrentropfen können helfen, die Zeit bis zur Op. zu überbrücken und die fötide Sekretion zu reduzieren.

Cerumenentfernung

Der Hausarztsteht manchmal vor dem Problem, das Trommelfell wegen Zerumen nicht einsehen zu können. Eine Ohrspülung kann aber bei perforiertem Trommelfell eine Otitis media auslösen. Was tun? Prof. Kühnel rät in diesem Fall zu Glyceroltropfen, die der Patientselbst zuhause anwenden und so das Cerumen verflüssigen kann. Ansonsten kann man eingetrocknetes Cerumen auch mithilfe einer Kürette entfernen, was aber mit einem Otoskop schwierig sei. Der HNO-Arzt habe bessere Möglichkeiten. Bei Cerumen obturans mit Ohrenschmerzen ist eine Spülung prinzipiell keine gute Idee, so Kühnel, weil der Schmerz meist druckbedingt ist und durch das Aufquellen des Cerumens durch die Spülung zunimmt. Besser sind dann 3 %ige H2O2-Tropfen, die der Patientmehrmals täglich in den Gehörgang tropfen kann.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Eine akute Otitis media äußert sich durch plötzliche Ohrenschmerzen, Schwerhörigkeit und häufig Fieber.
  • Bei der chronischen Otitis media unterscheidet man zwischen mesotympanaler und epitympanaler Otitis.
  • Bei Cerumen obturans und Ohrenschmerzen sollte man keine Ohrspülung vornehmen.



Autorin:
Dr. Vera Seifert



Erschienen in: doctors|today, 2023; 4 (4) Seite 15-17