Die neuen Impfempfehlungen der STIKO enthalten nicht viele Neuerungen. Wichtige Updates betreffen die Gelbfieberimpfung und die Impfung gegen Affenpocken, kleinere Änderungen die Tollwutimpfung und die Meningokokkenimpfung. Im folgenden Artikel soll das genaue Vorgehen bei den neu geregelten Impfungen beschrieben und auch auf eigentlich erwartete Änderungen eingegangen werden, die nicht stattgefunden haben.

Ende Januar hat die STIKO auf der 103. Sitzung ihre neuen Empfehlungen verabschiedet und nun im Epidemiologischen Bulletin 4/2023 veröffentlicht.

Wesentliche Änderungen betreffen die Empfehlung zur einmaligen Auffrischung der Gelbfieberimpfung nach zehn Jahren bei erneuter oder fortgesetzter Exposition sowie Empfehlungen zur Postexpositionsprophylaxe (PEP) und zur Indikationsimpfung gegen Mpox/Affenpocken.

Kleinere Änderungen betreffen die Postexpositionsprophylaxe gegen Tollwut und die Impfung gegen Meningokokken vom Typ ACYW 135 in Kombination mit der Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B für Langzeitaufenthalte.

Leider geht die STIKO in ihren aktualisierten Empfehlungen nicht auf die neuen Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe ein, welche mittlerweile zugelassen und auch in Deutschland verfügbar sind.

Prä- und postexpositionelle Impfungen gegen Affenpocken/Mpox und andere Orthopocken

Der Impfstoff Imvanex® (Modified Vaccinia Ankara, Bavarian Nordic (MVA-BN)) ist mittlerweile in Deutschland auch zur Impfung gegen Mpox/Affenpocken zugelassen. Da sich das Impfvirus im Menschen nicht vermehren kann, können auch Menschen mit Immunsuppression geimpft werden. Der erste MVA-Impfstoff wurde übrigens in München entwickelt und hergestellt. Er wurde damals als "Vorimpfung" vor der Pockenschutzimpfung gegeben, um das Risiko für Impfkomplikationen zu reduzieren.

Präexpositionelle Impfung

Das Affenpockenvirus wird in erster Linie durch engen körperlichen Kontakt übertragen. Die STIKO empfiehlt die präexpositionelle Impfung für Personal in Speziallaboratorien mit gezielten Tätigkeiten mit Orthopoxviren sowie für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) und dabei häufig die Partner wechseln.

Für Erwachsene, die als Kind nicht gegen Pocken geimpft wurden, erfolgt die Grundimmunisierung mit zwei Impfdosen Imvanex® subkutan im Abstand von mindestens 28 Tagen. Für Menschen, die als Kinder mindestens einmal gegen Pocken geimpft wurden, reicht für die Grundimmunisierung eine einmalige Impfung. Für Schwangere und Kinder ist der Impfstoff nicht zugelassen. Alternativ kann der in den Vereinigten Staaten von Amerika zugelassene Impfstoff Jynneos® verwendet werden.

Tipp: Das Robert Koch-Institut stellt auf seiner Website kostenlos Aufklärungsbögen für die Affenpocken/Mpox-Impfung zur Verfügung.

Postexpositionelle Impfung

Eine postexpositionelle Impfung gegen Affenpocken/Mpox ist nach den aktuellen STIKO-Empfehlungen in folgenden Fällen indiziert:

  • nach engem körperlichem Kontakt, z. B. sexuelle Kontakte, zwischenmenschliche Kontakte zwischen Familienangehörigen
  • nach längerem ungeschütztem "Face-to-Face"-Kontakt
  • nach Kontakt mit infektiösem Material, z. B. mit Kleidung oder Bettwäsche von Erkrankten

Die postexpositionelle Impfung mit Imvanex® (MVA-BM) oder Jynneos® soll so früh wie möglich nach der Exposition, spätestens aber nach 14 Tagen erfolgen.

Gelbfieberimpfung

Bei ihrer Evidenzbewertung im Jahr 2013 ist die Weltgesundheitsorganisation WHO noch davon ausgegangen, dass eine einzige Impfdosis bei den meisten Menschen für einen lebenslangen Schutz ausreicht. Jetzt hat die STIKO gemeinsam mit der DTG eine neue Bewertung der Studien durchgeführt: Als Ergebnis empfiehlt die STIKO nun bei erneuter oder anhaltender Exposition eine einmalige Auffrischimpfung, sofern zehn oder mehr Jahre seit der ersten Impfung vergangen sind. Nach der ersten Auffrischimpfung sind dann grundsätzlich keine weiteren Impfdosen erforderlich.

Ausnahmen von dieser Regel gelten für Kinder, Schwangere und Menschen mit Immunsuppression:

Kinder: Wenn die erste Impfung vor dem 2. Geburtstag gegeben wurde, soll bei fortbestehender oder erneuter Exposition eine zweite Impfdosis verabreicht werden, wenn die Erstimpfung länger als fünf Jahre zurückliegt. Im Erwachsenenalter sind dann keine weiteren Impfdosen erforderlich. Wurde die erste Impfdosis nach dem 2. Geburtstag gegeben, soll – wie bei Erwachsenen – vor erneuter oder bei fortbestehender Exposition eine zweite Impfdosis verabreicht werden, wenn die erste Impfung länger als 10 Jahre zurückliegt.

Für die international gültige Impfbescheinigung ist wie bisher eine Impfung ausreichend. Die Bescheinigung ist lebenslang gültig. Das gilt sowohl für bereits ausgestellte als auch für neu auszustellende Bescheinigungen.

Postexpositionelle Tollwut-Immunprophylaxe (Tollwut-PEP)

Für die postexpositionelle Tollwut-Immunprophylaxe kann bei Verwendung des Impfstoffs Rabipur® bei gesunden, immunkompetenten Menschen das "verkürzte Essen-Schema" angewendet werden: je eine Impfstoffdosis an den Tagen 0, 3, 7 und 14. Der Tollwutimpfstoff HDC®besitzt für dieses verkürzte Schema keine Zulassung und auch keine STIKO-Empfehlung. Für Menschen, die mit lediglich zwei Impfstoffdosen des Tollwutimpfstoffs HDC® immunisiert wurden, gibt es keine Daten für eine Boosterfähigkeit dieser zwei Dosen nach Exposition. Sie sollten deshalb bei Exposition ab Grad 2 (nicht blutende oberflächliche Kratzer oder Hautabschürfungen, Lecken oder Knabbern an der nicht intakten Haut) eine vollständige Impfung nach dem "Essen-Schema" erhalten: je eine Impfdosis an den Tagen 0, 3, 7, 14 und 28.

Präexpositionell sollten Menschen, die nur zwei Dosen Tollwutimpfstoff HDC®erhalten haben, nach einem Mindestabstand von einem Jahr eine dritte Impfdosis erhalten.

Meningokokken

Vor Langzeitaufenthalten empfiehlt die STIKO nun die kombinierte Impfung mit dem Meningokokken-ACYW-Konjugatimpfstoff und dem Meningokokken-B-Impfstoff "entsprechend den Empfehlungen der Zielländer". Diese Empfehlung ist jetzt nicht mehr ausschließlich auf Schüler:innen und Studierende begrenzt. Sie lautet: "Vor Langzeitaufenthalten, besonders Kinder und Jugendliche sowie Personen in Studium und Ausbildung." Die STIKO verweist hier auch auf ihre 2022 gemeinsam mit der DTG publizierten Empfehlungen zu Reiseimpfungen.

Pneumokokken: "Im Westen nichts Neues"

Die Empfehlungen zur Impfung gegen durch Pneumokokken verursachte Erkrankungen wurden in den aktuellen Empfehlungen der STIKO leider nicht aktualisiert. Als "Standardimpfung für Senior:innen", also für Menschen im Alter von über 60 Jahren, die keiner der von der STIKO definierten Risikogruppe angehören, wird weiterhin der 23-valente Polysaccharidimpfstoff (PPSV23, Pneumovax® 23) empfohlen. Für Menschen mit Risikofaktoren für schwere Pneumokokkenerkrankungen wird die Impfung gegen durch Pneumokokken verursachte Erkrankungen unabhängig vom Alter empfohlen. Für Menschen mit Immunschwäche oder Fremdkörper-assoziierten Risikofaktoren (z. B. Cochlea-Implantat) wird die sequenzielle Impfung empfohlen: eine Dosis des 13-valenten Konjugatimpfstoffs PCV13 (Prevenar 13®), nach 6–12 Monaten zusätzlich eine Dosis des Polysaccharidimpfstoffs (PPSV23, Pneumovax® 23).

Zwischenzeitlich sind ein 15-valenter (PCV15, Vaxneuvance®) und ein 20-valenter (PCV20, ApeXXnar® Konjugatimpfstoff zugelassen und verfügbar. Konjugatimpfstoffe sind im Vergleich zu Polysaccharidimpfstoffen deutlich besser immunogen. Sie decken aber weniger Serotypen ab als der 23-valente Polysaccharidimpfstoff.

Die Sächsische Impfkommission (SIKO) rät in ihren aktuellen Empfehlungenbereits dazu, die erste Impfung gegen Pneumokokken grundsätzlich mit einem Konjugatimpfstoff durchzuführen: Bei bisher ungeimpften Menschen Impfung mit dem 20-valenten (PCV20, ApeXXnar®) oder dem 15-valenten (PCV15,Vaxneuvance®) Impfstoff. Bei Verwendung des 15-valenten Impfstoffs sollte eine einmalige Boosterimpfung mit dem 20-valenten Konjugatimpfstoff (PCV20) oder mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff PPSV23erfolgen, um die fehlenden Serotypen abzudecken. Menschen, die bereits mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff PPSV23 vorgeimpft sind, sollen mit dem 20-valenten Konjugatimpfstoff (PCV20, ApeXXnar®) geimpft werden. Wegen der bei Polysaccharidimpfstoffen vorhandenen Hyporesponsivness soll hier ein Mindestabstand von 12 Monaten eingehalten werden. Das von der Sächsischen Impfkommission empfohlene Vorgehen deckt sich weitgehend mit den aktuellen Empfehlungen der nordamerikanischen (USA) ACIP.

Leider hat die Ständige Impfkommission die neuen Pneumokokkenimpfstoffe in ihren aktuellen Empfehlungen (noch) nicht berücksichtigt.

Fazit für die Praxis
  • Alle Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) und häufig ihren Partner wechseln, sollen prophylaktisch gegen eine Infektion mit dem Affenpockenvirus geimpft werden.
  • Die Impfung kann auch bei Immunsupprimierten (z.B. Menschen mit HIV-Infektion) sicher durchgeführt werden.
  • Die Grundimmunisierung gegen Affenpocken erfolgt mit zwei Impfdosen Imvanex®oder Jynneos® subkutan im Abstand von mindestens 28 Tagen.
  • Bei erneuter Exposition soll die Gelbfieberimpfung nach zehn Jahren einmalig aufgefrischt werden.
  • Leider hat die STIKO die "neuen" Konjugatimpfstoffe PCV20 und PCV15 in ihren aktuellen Empfehlungen (noch) nicht berücksichtigt.


Literatur:
1. Empfehlungen der ständigen Impfkommission beim Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin 4/2023
2. Sächsische Impfkommission (SIKO): Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen, Stand 15.9.2022


Autor

Dr. Andreas H. Leischker, M.A.

Facharzt für Innere Medizin – Flugmedizin – Reisemedizin (DTG)
Arbeitsgemeinschaft "Impfen" der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG)
Interessenkonflikte: Honorare für Vorträge und Beratungstätigkeiten von Centrum für Reisemedizin Düsseldorf, Sanofi, GlaxoSmithKline (GSK), Pfizer Vaccines, Novartis und Takeda.



Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (4) Seite 27-29