Die Differenzierung zwischen Asthma und COPD ist oft gar nicht so einfach und erfordert einiges an anamnestischen Angaben und Untersuchungen. Das Symptom "Luftnot", das die Patient:innen meist in die Praxis führt, eröffnet eine ganze Reihe möglicher Differenzialdiagnosen. Anhand einiger lehrreicher Kasuistiken erläuterte der Pneumologe Dr. Peter Rückert, Aschaffenburg, das diagnostische Vorgehen.

Die Palette möglicher Ursachen für Atemnot ist groß und umfasst außer pneumologischen Erkrankungen wie Asthma, COPD, Lungenembolie oder Bronchialkarzinom auch extrapulmonale Auslöser, z.B. Herzinsuffizienz, KHK oder Anämie. Auch ein Trainingsmangel kann dahinterstecken, erklärte Dr. Rückert in seinem Vortrag auf der Digitalen Campuswoche von MSD.

Kasuistik 1: 72-jähriger Raucher mit Belastungsdyspnoe
Ein ehemaliger, 72-jähriger Beamter, der 50 Packs jährlich raucht, stellt sich vor mit progredienter Belastungsdyspnoe, derzeit muss er nach acht Treppenstufen pausieren. Er hat Husten ohne Auswurf, keine gehäuften Erkältungen, im Krankenhaus war ein Lungenhochdruck diagnostiziert worden, den er mit Sildenafil behandelte. Darüber hinaus nahm er 2,5mg Bisoprolol, 20mg Atorvastatin und keine inhalative Therapie. Für eine COPD sprachen die lange Raucher-Historie, Atemnot und Husten. Aber auch eine pulmonale Hypertonie war denkbar. Der Untersuchungsbefund ergab einen altersgemäß leicht reduzierten Allgemeinzustand. Der Klopfschall war leicht hypersonor, das Atemgeräusch leise, das Zwerchfell stand leicht tief, geringes Giemen war zu hören mit bei forcierter Atmung verlängertem Exspirium. Die Sauerstoffsättigung war mit 93% gemindert. Die Befunde des Röntgenbildes passten zu einem Emphysem. Die Pulmonalarterie zeigte keine Auffälligkeiten, was gegen die Diagnose eines Lungenhochdrucks sprach, so Rückert. "Wir können keine COPD ohne Lungenfunktionsdiagnostik klassifizieren oder diagnostizieren", erklärte der Pneumologe. Im Fall des Patienten ergaben sich dabei folgende Werte: Der FEV1 betrug 1,39 l/s und damit 43% des Sollwerts, der Tiffeneau-Index (FEV1/Vitalkapazität) betrug mit 58% weniger als 70% (Abb.1). Damit lag eine Atemwegsobstruktion vor. Die Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität (DLCO/VA) betrug lediglich 33,1% des Sollwerts und war damit deutlich erniedrigt. Die Werte der Ganzkörperplethysmographie waren ebenfalls vermindert, damit war die Diagnose COPD gesichert. Ein unauffälliger BNP-Wert, schlanke Pulmonalarterien im Röntgen und fehlende Ödeme machten eine pulmonale Hypertonie unwahrscheinlich, so dass Sildenafil abgesetzt wurde.Rückert diagnostizierte wegen des FEV1 unter 50% eine GOLD3-COPD. Der Patient zählte zu der Gruppe mit Dyspnoe und Emphysem und erhielt eine bronchodilatatorische Therapie mit lang wirkendem Betamimetikum, lang wirksamem Anticholinergikum und kurz wirksamem Betamimetikum als Bedarfsspray. Er wurde geschult und erhielt den dringenden Rat, das Rauchen aufzugeben und regelmäßig zu trainieren. Leitsymptome für COPD sind schleichender Beginn und über Jahre fortschreitende Belastungsdyspnoe, chronischer Husten und häufige Atemwegsinfekte. "Die Dyspnoe wird uns der Patient nicht direkt schildern, denn er gewöhnt sich über Jahre oder Jahrzehnte daran", so Rückert. Deshalb muss er gezielt danach gefragt werden, ob es ihm z.B. schwerer fällt als Gleichaltrigen, Treppen zu steigen. An COPD denken solle man immer bei Rauchernoder ehemaligen Rauchern, bei Symptomen ab 40 Jahren und bei den klassischen AHA-Symptomen.

Das Wichtigste ist die Anamnese

Das Wichtigste bei Patient:innen mit Atemnot ist die Anamnese (vgl. Tabelle 1): Tritt die Atemnot in Ruhe auf, anfallsartig oder bei Belastung, seit wann bestehen die Beschwerden, gibt es Vorerkrankungen, welchen Beruf übt der Patientaus, gibt es Fälle in der Familie, wie hat er auf mögliche Vortherapien angesprochen und welche Medikamente nimmt er? Allerdings gibt es immer auch Ausnahmen. Das Alter bei Erstdiagnose ist zwar ein wichtiger Hinweis, denn Asthma tritt oft schon im Kindesalter auf. Immer häufiger trifft man aber auf Patient:innen, die erst mit 40 oder 50 Jahren an schwerem Asthma erkranken. Umgekehrt gibt es auch Patienten, die schon mit 40 eine schwere COPD entwickeln.

Ungefähr ein Drittel der COPD-Patient:innen hat nie geraucht, also kann auch ein Nichtraucher an COPD leiden. Dr. Rückert legt neben der Anamnese viel Wert auf die körperliche Untersuchung. Er untersucht den Patientenbei entkleidetem Oberkörper, betrachtet das Atemmuster, d.h. die Rhythmik, sowie eine mögliche forcierte Atmung und die Thoraxform. Er beurteilt dann den Klopfschall bei der Perkussion und den Zwerchfellstand. Außerdem prüft er die Atemgeräusche bei der Auskultation. Mit einem Blick auf die Beine lassen sich Ödeme erkennen. Weil es COPD-Patient:innen ohne spirometrische Einschränkungen, aber mit schweren Diffusionseinschränkungen gibt, führt Rückert immer auch einen Diffusionstest durch. Die Ergebnisse ergänzt er mit einem Röntgenbild des Thorax und Blutwerten.

Kasuistik 2: 48-jähriger Nichtraucher mit Bronchitis
Ein 48-jähriger Nichtraucher litt seit einigen Jahren an Bronchitis, Luftnot bei Belastung, gelegentlich an akuter Atemnot und Husten mit klarem Auswurf. Ein gastroösophagealer Reflux war bekannt, Asthma oder allergische Beschwerden bestanden nicht. Zudem hatte er trotz mehrfach operierter Nasenpolypen chronische Nasennebenhöhlenbeschwerden. Drei- bis viermal wöchentlich nahm er ein Betamimetikum, das die Symptome linderte. Der Patient war leicht adipös. Bei der körperlichen Untersuchung fiel eine leicht nasale Sprache auf, die Nasenatmung war eingeschränkt, der Klopfschall war sonor, das Atemgeräusch vesikulär, die Exspiration dabei leicht verlängert, beidseitiges Giemen war zu hören. Das FEV1 war mit 73% leicht vermindert, der Tiffeneau-Index ebenso (Abb. 2). Der Methacholin-Test ergab eine bronchiale Hyperreagibilität. Die in der NationalenVersorgungsleitlinie Asthma aufgeführten Symptome Atemnot, häufig anfallsartig, Giemen, Brustenge und Husten waren in allen Punkten erfüllt, das Blutbild zeigte eine Eosinophilie von 13%, die Diagnose eosinophiles Asthma wurde gestellt. Asthma ist eine sehr dynamische Erkrankung, erklärte Rückert. Bei einem Patientenohne Beschwerden kann ein Lungenfunktionstest komplett unauffällig sein. Hat erjedoch beispielsweise eine Pferdehaarallergie und kommt es nach entsprechender Exposition zu einem akuten Asthmaanfall, können schon kurze Zeit später die Atemwege massiv entzündet, geschwollen und verkrampft sein. Man sollte also immer daran denken, dass eine normale Lungenfunktion ein Asthma nicht ausschließt.

Wann an Antikörper denken?

Schweres Asthma liegt bei einem Erwachsenen vor, wenn unter Höchstdosis von inhalativen Kortikosteroiden und einem langwirksamen Bronchodilatator oder Montelukast oder einem oralen Kortikosteroid > 6 Monate Folgendes zutrifft:

  1. Atemwegsobstruktion (FEV1 < 80 %)
  2. Mindestens zwei kortikosteroidpflichtige schwere Exazerbationen in 12 Monaten oder mindestens eine Exazerbation, die stationär behandelt werden musste
  3. Das Asthma ist nur teilweise kontrolliert oder unkontrolliert.

Der in der Kasuistik 2 beschriebene Patient erfüllte daher die Bedingungen für schweres Asthma. Da er mehr als zweimal wöchentlich tagsüber Symptome hat, zählt er zu der teilweise kontrollierten Gruppe der NationalenVersorgungsleitlinie. Bei dieser Patientengruppe muss festgestellt werden, ob das Medikament richtig inhaliert wird und ob Allergien eine Rolle spielen. Ggf. müsse die Therapie angepasst werden, so Rückert. Da der Patient schon eine Stufe-3-Therapie erhielt, wurde die Therapie auf Stufe 4 intensiviert und die Budesonid-Dosis erhöht. Zunächst stabilisierte sich sein Zustand, später traten wieder Atembeschwerden auf, die mehrfach mit oralen Glukokortikosteroiden behandelt wurden, und Nasenpolypen, die entfernt wurden. Sein FEV1 hatte sich auf 41% verschlechtert. Die Therapie wurde daraufhin auf 4x2 Hübe Budesonid/Formoterol, Tiotropium und orale Steroidstoßtherapie umgestellt.

Da sich die Lungenfunktion des Patienten auch unter dieser Maximaltherapie nicht normalisierte, wurde er in eine Studie mit einem monoklonalen Antikörper gegen Interleukin 5 eingeschlossen. Nach der ersten Gabe des Präparats besserte sich sein Zustand innerhalb weniger Tage, es gab keine weiteren Asthmaanfälle, die Lungenfunktion normalisierte sich, die Überblähung ging stark zurück, die Beschwerden in den Nasennebenhöhlen ebenfalls.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Das Alter bei Erstdiagnose ist ein wichtiger Hinweis, Asthma tritt oft schon früh auf, COPD erst im Alter.
  • Die körperliche Untersuchung beinhaltet vor allem Inspektion, Perkussion und Auskultation.
  • Antikörper können bei schwerem Asthma helfen.

Quelle: Virtueller Vortrag auf der Digitalen Campuswoche von MSD am 19.11. 2022: Erläuterung der Astma- und COPD-Leitlinien anhand spannender Fälle aus der täglichen Praxis.



Autor
Roland Müller-Waldeck



Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (2) Seite 30-33