Die Embera sind eines von sieben indigenen Völkern Panamas. Sie haben sich mit ihren auf Stelzen gebauten Holzhütten am Ufer des Río Chagres im Regenwald Zentralpanamas angesiedelt und versuchen dort, ihr traditionelles Leben weiterzuführen. Vier der Dörfer haben beschlossen, sich vorsichtig für Besucher:innen zu öffnen, um diesen ihre ursprüngliche Lebensweise nahezubringen. Unser Reiseautor Rainer Heubeck berichtet.

Das Holzboot, in das wir steigen, ist über sechs Meter lang und mit bequemen, breiten Holzbänken versehen. Ein schlanker, junger Embera-Indio mit pechschwarzen Haaren, der nur einen knappen, pinkfarbenen Lendenschurz trägt, sitzt auf der Bootsspitze und späht nach Hindernissen im Wasser. Die Fahrt auf dem Rio Gatun, der relativ wenig Wasser führt, dauert nur etwa 20 Minuten. Auch wenn der Fluss klein und unscheinbar wirkt: Er ist eine Wasserzufuhr für eine der bedeutendsten Seefahrtstraßen der Erde – denn der Gatunfluss mündet in den Gatunsee, der das Herz des Panamakanals ausmacht.

Im Nationalpark zu leben ist nicht einfach

Wir besteigen das Boot nahe dem Panama-Colon-Expressway und wir verlassen es beim Dorf Embera Quera, das wenige Hundert Meter vor der Mündung des Flusses in den Gatunsee am linken Flussufer liegt. Elf Frauen, etliche davon mit Kind im Arm oder an der Hand, und ein halbes Dutzend Männer mit hölzernen Musikinstrumenten bilden unser Empfangskomitee. Sie versammeln sich auf einer Wiese vor den mit trockenen Palmblättern bedeckten Rundhäusern der Embera, die allesamt sehr neu aussehen. "Vor ein paar Jahren hat jemand Öl erhitzt und nicht auf die Pfanne aufgepasst, damals ist unser halbes Dorf abgebrannt", berichtet Elvin Flaco, einer der Sprecher des Dorfes, das anschließend neu aufgebaut wurde und mittlerweile zu rund 90 % vom Tourismus lebt. "Wir haben lange diskutiert, ob wir uns für Touristen öffnen sollen, und uns dann dafür entschieden. Die Besucher helfen uns, unsere Kultur zu bewahren."

Bis zu 200 Besucher:innen pro Tag werden hier an guten Tagen empfangen. "Mehr würden wir mit unseren Booten auch gar nicht transportieren können", erklärt Elvin Flaco, der eine Kette aus Wildschwein- und Ozelotzähnen um den Hals hängen hat, doch alles andere ist als ein Hinterwäldler. Der Embera hat in Panama City Ökotourismus studiert, er ist Tourguide und auf Tiktok, Facebook und Instagram aktiv. "Früher lebten die Embera nahe der Grenze zu Kolumbien, dort waren immer wieder bewaffnete paramilitärische Truppen aus Kolumbien unterwegs. Aus Sicherheitsgründen zogen die Embera dann nach Zentralpanama, in die Umgebung des Chagresflusses, und betrieben dort Landwirtschaft. Doch 1984 wurde die Region zum Nationalpark erklärt und es gab strenge Regeln – wir durften nicht mehr jagen und keine größeren Agrarflächen mehr bebauen. Statt Avocados, Yams, Kochbananen und Reis anzubauen, konnten wir nur noch kleine Gemüsegärten haben, und da das Jagen verboten war, blieb nur noch der Fischfang. Viele junge Leute gingen deshalb weg aus den Dörfern in die Stadt – und es bestand die Gefahr, dass wir unsere Kultur endgültig verlieren", erinnert sich Elvin Flaco. Im Jahr 1997 trafen sich Vertreter aus den verschiedenen Gemeinden zum Generalkongress – und fällten dort den Entschluss, sich dem Tourismus zu öffnen.

Mit Naturmedizin sehr alt werden

Der Ort, in dem Flaco heute lebt – Embera Quera, was übersetzt so viel heißt wie "der Duft der Embera" – wurde erst 2007 gegründet. Als Gründervater des Dorfes gilt Miguel Flaco, er ist Elvins Onkel. Miguel Flaco hat in Gamboa als Tourguide gearbeitet und sich am Smithsonian Institute zum Thema Naturmedizin weitergebildet. Viele der Pflanzen, die er uns bei einem Rundgang zeigt, hat er jedoch von seiner Mutter und seiner Tante erklärt bekommen. "Meine Mutter hat mich bekommen, als sie schon 60 Jahre alt war, ein Schamane hatte ihr einen Trank gegeben, der die Fruchtbarkeit fördert. Sie ist später noch sehr alt geworden und erst mit 110 Jahren gestorben", beteuert er. Seine Mutter, so berichtet er, habe ihm auch beigebracht, eine Frucht mit fast unaussprechlichem Namen eine Stunde lang bei niedriger Hitze zu kochen, in den Sud Zucker zu geben und vor dem Schlafengehen in jedes Auge einen Tropfen davon zu träufeln. "Das reinigt die Linse und beseitigt Grauen Star", versichert er. Aus anderen Pflanzen gewinnen die Indios Tees, die bei Haut- und Prostatakrebs die Heilung unterstützen sollen, wieder andere helfen bei Diarrhö oder Fieber. Viele der Einheimischen betätigen sich kunsthandwerklich, sie fertigen und verkaufen Flecht- und Schnitzarbeiten, Teller, Figuren, Masken und Schmuck. Obgleich es im Dorf keine feste Stromversorgung gibt, nur einzelne Generatoren, ist es kein Problem, die in Embera Quera erworbenen Souvenirs direkt mit Kreditkarte zu bezahlen.

Ob der Tourismus auch negative Einflüsse hat, will ich wissen. Und Elvin Flaco räumt ein, dass das durchaus so sei. "In etlichen Embera-Dörfern haben die Einheimischen Probleme mit Alkohol. Wenn Gäste kommen, die viel trinken, ist das kein gutes Vorbild." Auch beim Fotografieren ließen manche Besucher:innen das notwendige Taktgefühl vermissen. "Manche fotografieren einfach zu viel", klagt Elvin Flaco. "Unsere Frauen trugen normalerweise nur einen Rock, aber keine Oberbekleidung. Mittlerweile haben sie das umgestellt, weil ihre blanken Brüste ständig fotografiert worden sind", ergänzt er. Dass Besucher:innen fotografieren wollen, verstehen die Emberas jedoch durchaus – und sie starten deshalb eine mit Trommeln, Flöten und hölzernen Perkussionsinstrumenten begleitete Tanzvorführung, die von den Embera-Frauen mit Hibiskusblüten im Haar barfuß und zum Teil in nach vorn geneigter Haltung auf dem fast spiegelglatten braunen Lehmfußboden des Gemeinschaftshauses dargeboten wird. Natürlich ist das vor allem eine Touristenshow, aber die Emberas verdienen dadurch ihren Lebensunterhalt – und das Interesse von außen hilft ihnen dabei, ihre Kultur zu bewahren.

Reise-Informationen: Panama
  • Flug: Von Deutschland aus gibt es Direkt- bzw. Umsteigeverbindungen in die Hauptstadt Panama City. Unter anderem steuern Lufthansa, KLM, Air France und Air Europe den Tocumen International Airport an. Ein Direktflug mit Lufthansa dauert zwischen 11 und 12 Stunden.
  • Einreise: Für die Einreise nach Panama benötigt man einen Reisepass, der noch mindestens sechs Monate über die Reise hinaus gültig ist.
  • Reisezeit: Im Land herrschen ganzjährig milde Temperaturen zwischen 29 und 32 Grad. Hauptreisezeit ist die Trockenzeit von Januar bis April. Von Juni bis August sowie im Dezember kann Panama ebenfalls gut besucht werden. An der Karibikküste sind zwischen Mai und Oktober Unwetter möglich.
  • Geld/Preisniveau: Die Standardwährung ist der amerikanische Dollar, die offizielle Währung ist der Balboa, der mit einem Kurs von 1:1 an den Dollar gekoppelt ist. Er ist aber nur in Münzform im Umlauf, ansonsten verwendet man US-Dollar. Euro werden nicht überall getauscht. Es empfiehlt sich, US-Dollar in Bargeld mit sich zu führen.
  • Sprache: Amtssprache ist Spanisch. Englisch ist gebräuchlicher als in anderen zentralamerikanischen Staaten.
  • Touren nach Embera Quera: Queratours, E-Mail: info@queratours.com, WhatsApp: +507 67039475. www.queratours.com
  • Auskunft und Infos: visitpanama.com, www.visitcentroamerica.com.



Autor
Rainer Heubeck

Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (5) Seite 62-64