Inmitten des Ägäischen Meeres liegt die Inselgruppe der Kykladen. Und eine dieser Inseln gilt geradezu als der Inbegriff von Griechenland und als dessen schönste Insel: Santorin. Auf einem einstigen Vulkan gelegen beeindruckt Santorin tatsächlich durch seine Landschaft und seine malerischen Ortschaften direkt an den Steilklippen des Vulkankraters. Unsere Reiseautorin Dr. Renate Scheiper begibt sich aber auch tief in die Geschichte Santorins.

Beim Anflug auf die Kykladeninsel Santorin können wir bestens erkennen, dass sie einst rund war. Ein großer Teil versank vor 3.600 Jahren bei einem schrecklichen Vulkanausbruch. Im Osten blieb die halbmondförmige heutige Hauptinsel stehen, im Nordwesten, durch Wasser getrennt, die kleine Insel Therasías. In der Mitte des Einbruchbeckens Paleá Kaiméni, der nur aus Vulkanasche und Schlacke bestehende einstige Schlot des Vulkans. Gleich daneben der vulkanische Klecks Néa Kaiméni. Und sehr klein wie eine Perle zwischen Therasías und dem südlichen Ende der Hauptinsel das kleine Asprónisi, übersetzt "weiße Insel", denn eine dicke Schicht weißer Vulkanasche bedeckt die schwarze Lava.

Ausgrabungen lassen in die Geschichte blicken

Das heutige Santorin – im Mittelalter Santa Irini genannt – besteht sozusagen aus den Resten der in der Antike "Strongyle", die "Runde", genannten Insel. Wir hatten das "Atlantis Hotel" im Hauptort Phira gewählt, von dem aus man den besten Panoramablick über die Caldera und den Vulkan hat. Es ist ein weißer, majestätischer Bau aus dem Jahr 1957 gegenüber der ehrwürdigen Kathedrale.

Gleich am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus für 2,80 € zur archäologischen Ausgrabung von Akrotiri im Süden der Insel. Eine reiche Handelsstadt mit bis zu dreistöckigen Häusern, elegantem Mobiliar und faszinierenden Wandmalereien wurde seit 1967 von griechischen Archäologen freigelegt. Eine 30 Meter mächtige Ascheschicht hatte die Stadt bei dem prähistorischen Vulkanausbruch luftdicht "konserviert". Das heißt, als die Archäologen diese "Konserve" öffneten, waren durch eindringende Luft und Feuchtigkeit vor allem die fantastischen Wandmalereien vom sofortigen Zerfall bedroht. Konservatoren und Restauratoren leisten bis heute eine mühsame, nie endende Arbeit. 10.000 m2 wurden bisher ausgegraben. "Und dabei soll es bleiben", sagt der verantwortliche Archäologe Prof. Dr. Doumas. "Je mehr wir ausgraben, desto mehr zerstören wir. Durch einen Videofilm in der Grabung versuchen wir stattdessen, den Besucher:innen ein Bild des damaligen Aussehens einiger der bedeutenden Geschäfts- und Wohnhäuser zu vermitteln." Alle Bewohner:innen konnten sich offenbar rechtzeitig auf ihre Schiffe retten, denn kein einziger Toter wurde gefunden wie in Pompeji oder Herculaneum.

Nur ein paar Schritte hinunter zum Meer lag an dieser geschützten Südseite der Insel vermutlich der antike Hafen. Davon ist jedoch nichts mehr erhalten. In einer der kleinen Tavernen am Wasser genießen wir frisch gebratenen Fisch und Inselwein vom Fass. Ein kleines Boot bringt uns – vorbei an spektakulären vulkanischen Formationen – zum "Red Beach" mit glasklarem Wasser, wo wir den Nachmittag verbringen. Zurück im Hotel genießen wir den berühmten Sonnenuntergang über der Caldera.

Über 588 Stufen geht es zum Kraterrand

Im Prähistorischen Museum gleich beim Hotel staunen wir über die Funde von Akrotiri wie große, bemalte Vorratsgefäße, edlen Schmuck und einen goldenen Steinbock, vor allem aber über die Wandmalereien. Da stellt man sich unwillkürlich die Frage, ob Akrotiri nicht das versunkene Atlantis ist, das der griechische Philosoph Platon um 400 v. Chr. ausführlich beschrieb.

Gemütlich schlendern wir danach durch den jetzt im Juli 2021 fast leeren Ort, der sich parallel zur Caldera zieht. Wenn unten die meist riesigen Kreuzfahrtschiffe liegen, schieben sich Menschenmassen oft Schulter an Schulter durch die Gassen. Deshalb sind die Juweliergeschäfte und teuren Boutiquen jetzt meist leer. Die nahtlos an- und übereinandergeschichteten Hotels liegen wie eine weiße Sahneschicht hoch über der etwa 300 Meter steil in die Caldera abfallenden Kraterwand. Kleine Cafés und Nobel-Restaurants mit Blick auf den Vulkan und entsprechenden Preisen sind über viele Treppen abwärts zu erreichen. Keine Schlangen stauen sich jetzt vor der Gondelstation am Ortsende, von der aus sonst die Kreuzfahrenden nonstop auf- und abwärtsfahren. Sie wird jetzt tatsächlich nur für uns in Betrieb gesetzt. Unten können wir wählen zwischen zwei typischen Tavernen, genießen frischen, gegrillten Oktopus, Salat und natürlich Inselwein. 588 Stufen im Zickzack bewältigen wir danach hinauf in den Ort – die Maultiere haben schon Feierabend -, immer wieder staunend über die fantastischen Formationen der schwarzen, weißen, ocker, rötlichen und grauen Farben der Asche- und Lavaschichten.

Baden an schwarzen Stränden

Santorin ist vielseitig – nicht nur landschaftlich. Im Südosten erhebt sich auf einem Kalksteinsockel mit knapp 570 m der höchste Berg Prophitis Elias. Dort kann auch das gleichnamige Nonnenkloster besucht werden, jedoch nur in angemessener Kleidung. Nach Osten fällt die zwischen den kleinen Dörfchen fast nur mit Weinreben bedeckte Insel sanft ab und endet in Badestränden. Schwarz und zum Teil betonhart sind sie im Badeort Kamares. Von Kamares führt eine kurvenreiche Straße hinauf nach Alt-Thera, eine Siedlung aus dem 8. Jhd. v. Chr. Man wandelt zwischen duftenden Wildkräutern und auf antikem Pflaster durch die gut beschrifteten Fundamente der Häuser und Tempel.

Ein anderer Ausflug führt uns zum reizvollen Bergdorf Pirgos, das zum Glück noch viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt hat. Schmale Treppengassen mit liebevoll gestalteten kleinen Souvenirlädchen führen hinauf zum Kastell. Natürlich lassen wir uns eine Weinprobe im lauschigen Gut der Domaine Sigalas im flachen Hinterland von Oia nicht entgehen. Unter Weinlaub sitzen wir zwischen den Weinfeldern, verkosten verschiedene Weißweine und auch einen Roten. Dabei erfahren wir, dass in der hygroskopischen, also Wasser anziehenden Vulkanasche – es gibt keinen Krumen Erde auf der Insel – hervorragende Trauben gedeihen. Die Feuchtigkeit der Nacht genügt den Pflanzen. Eingetieft in kleine Kuhlen werden die Reben gesetzt.

In fröhlicher Stimmung flanieren wir danach durch den marmorgepflasterten Ort Oia (gesprochen Ija), der uns eigentlich zu mondän geworden ist. Gemütlich laufen wir den Weg entlang der Abbruchkante bis nach Phira. Kurz vor der Gondelstation kehren wir ein bei "Da Costa", der seine Wände geschmückt hat mit schönen Wandmalereien aus Akrotiri, genießen bei handgerollten Dolmades und Wein einen prächtigen Blick auf die Caldera mit dem Vulkan, über die Insel bis zum Profitis Elias und über die den Hang hinabkletternden schneeweißen Hotels von Phira.

Reise-Informationen
  • Auskünfte über Griechenland: www.visitgreece.com.de
  • Anreise: Von vielen deutschen Flughäfen Nonstop-Flüge nach Santorin
  • Hotelempfehlung: Atlantis Hotel: info@atlantishotel.gr, www.atlantishotel.gr
  • Essen: In Phira hinter der Gondelstation mit großartigem Blick und normalen Preisen: Restaurant Da Costa (www.dacosta.gr)
  • Weinverkostung: Domaine Sigalas bei Oia: www.sigalaswinetasting.com; www.sigalas-wine.com
  • Tipp: Bootsausflug vom Hafen zum Vulkan für eine Wanderung
  • Busverkehr: Sehr gute und preiswerte Busverbindungen zu allen Orten
  • Buchempfehlungen: Dumont Reise-Taschenbuch "Santorin" 17,99 €
  • Großformatiger Kunstdruckband von Christos Doumas "Die Wandmalereien von Thera" (antiquarisch): Christos G. Doumas "Akrotiri. The archaelogical site and the Museum of prehistoric Thera. A brief guide" (im Internet zu bestellen)



Autorin
Dr. Renate V. Scheiper

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (11) Seite 84-86