Usbekistan lockt mit reicher Geschichte. Legenden, vielzählig wie Sand in der Wüste, spinnen sich um das mittelasiatische Land. Wer Usbekistan entlang der sagenumwobenen Seidenstraße bereist, der wird in eine Zeit zurückversetzt, als der Handel dort blühte und unterschiedlichste Religionen und Kulturen ihre Insignien hinterließen. Unser Reiseautor Ulrich Uhlmann hat sich auf das Abenteuer aus „Tausend-und-einer-Nacht“ eingelassen.

In Samarkand, Chiwa oder andernorts an der Seidenstraße reiht sich an jahrhundertealten Moscheen und Medresen, in Handelshöfen und auf Basaren ein Souvenirstand an den anderen. Feilschen um den Preis gehört zum guten Ton, und der Kauf wird oft mit Handschlag besiegelt. So ist es Brauch seit alten Zeiten. Die deutschen, österreichischen und Schweizer Touristen aber sind von Tag zu Tag weniger kauffreudig. Sie haben sich längst mit handgearbeiteten Messern und Seidenschals, mit kunstvoller Keramik und traditionellen Holzschnitzereien eingedeckt: "Habe ich schon", rufen sie den wendigen, aber unaufdringlichen Händlern im Vorbeigehen zu. Und so verwandelten sich die Deutschen ironisch-umgangssprachlich auf Usbekistans Basaren zu "Habschon"; ähnlich wie Europäer in Südamerika zu Gringos wurden.

Traditionen und Legenden entlang der Seidenstraße

Usbekistans altehrwürdige Städte sind ein Geschichtsbuch der Traditionen und Legenden. Im zweitausendjährigen Buchara beispielsweise fühlt sich der Besucher in den Handelsgewölben aus dem 16. Jahrhundert wie in Tausend- und-eine-Nacht versetzt. Da gab es dereinst die Gasse der Juweliere, der Hut- und Mützenmacher und der Geldwechsler – jeweils bis zu 30 Läden und Arbeitsstätten. Noch heute wird hier gehämmert und geschnitzt, gedrechselt und gestickt und nebenbei gar manche Tasse Tee getrunken. Und das Ergebnis einheimischen Handwerks ist gleich an Ort und Stelle wohlfeil zum Kauf.

Buchara, die Oasenstadt mitten in der Wüste Kizilkum, weist über 250 Baudenkmäler auf, die an die Glanzzeiten der Großen Seidenstraße erinnern. Fremdländische Gewürze, Pelze und vor allem Seidenstoffe wurden damals in den Karawansereien und Handelshöfen gelagert und umgeschlagen.

Besonders eindrucksvoll ist der Ark, die städtische Festung. Hier hatte der Emir seine Residenz. Vom Erker in der Festungsmauer überwachte er einst die Strafen über Unbotmäßige – bis hin zur öffentlichen Auspeitschung oder zur Hinrichtung. Geblieben aus alten Zeiten ist im nahen Umland von Buchara der sehenswerte Sommerpalast des letzten regierenden Emirs, der 1920 vor Aufständischen und der Roten Armee fluchtartig mit dem Staatsschatz das Land in Richtung Kabul verließ.

Reich an Palästen, Moscheen und Medresen

Nächste Station auf unserer Reise ist Chiwa am Rande der Karakumwüste. Die Stadt ist der wohl am ursprünglichsten erhaltene Ort an der Seidenstraße. Weder Hochhäuser noch Industrieanlagen versperren den neugierigen Blick auf 2.500-jährige Historie.

Steht der Reisende vor der mächtigen Stadtmauer mit ihren Toren und Bastionen, fühlt er sich mitten in den Orient versetzt. Blaugrün schillernde Paläste, Moscheen und Medresen – ehemals religiöse Hochschulen – mit prächtigen Majolikaverkleidungen, hoch aufragende Minarette und kunstvoll mit gläsernen Kacheln verzierte Mausoleen säumen die schmalen Gassen der Altstadt. Mancherorts ragen aus dem Lehm-Mauerwerk seitlich verwitterte Balken und Pfähle heraus, auf denen sich in vergangenen Jahrhunderten die bösen Geister niederlassen sollten, ohne mit dem "Bösen Blick" dem Gebäude oder seinen Bewohnern Unheil zu bringen.

Reisetipps
  • Reiseliteratur: „Reise-Handbuch „Usbekistan“, DuMont Reiseverlag, 24,99 €; „Usbekistan – geheimnisvolles Land an der Seidenstraße“, Wiesenburg Verlag, 19,90 €; Reiseführer für den Hintergrund „Usbekistan – Land zwischen Orient und Okzident“, Verlag Wostok; 15,00 €; „KulturSchock Usbekistan“, Reise Know-How Verlag, 14,90 €.
  • Informationen: Staatsbürger der BRD, von Österreich, der Schweiz und Luxemburg können ab Januar 2019 visafrei für 30 Tage nach Usbekistan einreisen. Beste Reisezeit von März bis Anfang Juni und von Ende August bis Oktober. UZBEKISTAN AIRWAYS fliegt wöchentlich drei Mal direkt von Frankfurt nach Taschkent; Flugzeit etwa 6,5 Stunden. Offizielle Webseite zu Usbekistan auf Englisch (auch deutsche Übersetzung): https://uzbekistan.travel.

Blickfang in der Altstadt ist das Kalta Minor von 1850, das "Kurze Minarett". Buntfarben leuchtend erreicht es mit einem Durchmesser von 14 Metern gerade die doppelte Höhe. Die Mär dazu: Der Meister durfte es nicht höher bauen, weil er dem Emir von nebenan ein noch größeres zugesagt hatte. Eigentlich sollte es mit geplanten 80 Metern das höchste Minarett der islamischen Welt sein.

Ein See, der verschwindet

Ist der Besucher gesättigt vom orientalisch-städtischen Leben an der Seidenstraße, wäre ein Ausflug ins bergig-grüne Ferghanatal oder gar an den tragisch-berühmten Aralsee zu empfehlen. Noch vor 65 Jahren lag dort Muinak, der kleine, heute fast vergessene usbekische Ort mit jetzt gerade mal 14.000 Einwohnern, direkt am Ufer des Aralsees, des damals viertgrößten Binnensees der Erde. Bekannt war Muinak durch seine Fischfangflotte und Fischverarbeitungsindustrie. Übrig geblieben sind nur noch Bauruinen und Schrott.

Unterdessen liegt das offene Wasser des Sees mehr als 80 Kilometer weit entfernt. Salzwüste hat sich breitgemacht. Ehemalige Fischkutter verrotten zwischen Wüstenpflanzen. In ihrem Schatten lagern Kamele und Ziegen. Übermäßige Wasserentnahme aus den Zuflüssen Syrdarja und Amudarja zur Bewässerung der ehemals riesigen Baumwollplantagen war unter anderem Ursache des Umweltdramas.



Autor:
Ulrich Uhlmann

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (6) Seite 72-74