Eine unheilbare Erkrankung geht mit tiefgreifenden Veränderungen und Verlusten einher. Die psychische Verarbeitung von Belastungen am Lebensende vollzieht sich in einer oft widersprüchlichen, individuell sehr unterschiedlichen Dynamik zwischen Konfrontation und Ablenkung, Hoffnung und Realität. Eine flexible Gesprächsgestaltung, die dem wechselnden Bedürfnis nach Information und Abstand Rechnung trägt, kann Patient:innen die Sicherheit geben, sich schmerzhaften Gefühlen und der Vorbereitung auf das Lebensende auf eine persönlich stimmige Weise zu nähern.
Das Fallbeispiel verdeutlicht die Belastungen aus subjektiver Sicht, aber auch die Schwierigkeiten für Patient:innen und Behandler im Umgang mit existenziellen Belastungen am Lebensende. Im Folgenden werden zunächst zentrale Sorgen und Ängste aus der Sicht schwerkranker Menschen erläutert. Daraufhin werden Möglichkeiten und Schwierigkeiten im professionellen und hausärztlichen Umgang basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen beschrieben.
Vielfältige Ängste und Sorgen
Ängste und Sorgen gehören zu den häufigsten psychischen Belastungen im Kontext von Verdacht, Diagnose, Behandlung und Fortschreiten einer schweren lebensbedrohlichen Erkrankung. Bei einer unheilbar fortgeschrittenen Krebserkrankung rückt die Auseinandersetzung mit dem Tod in konkrete Nähe. Studien zufolge berichten zwischen 48 % und 65 % der Patient:innen mit unheilbar fortgeschrittener Krebserkrankung z. B. Ängste und Belastungen, unter Schmerzen sterben zu müssen, nicht zu wissen, was auf sie zukommt, eine Last für andere zu sein, nicht mehr genug Zeit im Leben zu haben, oder machen sich Sorgen um Angehörige [1].
Wie im Beispiel von Herrn L. gezeigt, kann das Zusammentreffen von prognostischer Unsicherheit und Angst vor dem Kontrollverlust, körperlichen Qualen sowie dem Verlust von Autonomie und Würde zeitweise die individuellen Bewältigungsbemühungen überfordern. Hieraus können sich weitere Belastungssymptome entwickeln, welche von Hilflosigkeit, Grübeln und Sorge bis hin zu anhaltender depressiver Niedergeschlagenheit und permanenter Angst sowie einem Gefühl von Demoralisierung und Ausweglosigkeit reichen. Gemäß der aktuellen Studienlage lässt sich die Häufigkeit diagnostizierbarer depressiver Episoden und Angststörungen bei fortgeschritten erkrankten Krebspatient:innen auf ca. 25 % schätzen [2], die Häufigkeit von Demoralisierung und Anpassungsstörungen auf ca. 15 % [3]. Die Gemeinsamkeit der psychischen Belastungen am Lebensende besteht in den grundlegenden Verlusten und Veränderungen, die mit der Infragestellung existenzieller Hoffnungen und Annahmen über Sicherheit, Gewissheit, Geborgenheit, Gerechtigkeit, Kontrollierbarkeit und ein langes und gesundes Leben einhergehen [4].
Zuweilen werden Patient:innen sogar Todeswünsche äußern, obwohl sie parallel dazu einen ungebrochen starken Wunsch nach Lebensverlängerung an die Behandler richten. Die Todeswünsche können unterschiedliche Formen annehmen und variieren von eher hypothetischen Vorstellungen (z. B. für den Fall einer Verschlechterung der Erkrankung) bis hin zu aktuellen Wünschen nach der Beschleunigung des Sterbeprozesses. Oft haben solche Vorstellungen und Wünsche die Funktion einer letzten Bewältigungsmöglichkeit, wenn die Gegenwart und/oder die Zukunft unerträglich und Ohnmachtsgefühle zu überwiegen scheinen [5].
- Sorge um Angehörige
- Angst vor unkontrollierbarem Schmerz und langem Leid
- Angst, alleingelassen zu werden
- Angst, eine Last für andere zu sein
- Sorge, zu wenig Zeit zu haben
Herausforderungen im ärztlichen Umgang
Für die ärztliche Praxis ergeben sich Herausforderungen durch die große Varianz der möglichen Belastungen am Lebensende, die Art und Weise, in der Patient:innen mit solchen fundamentalen Belastungen und Ängsten umgehen und durchaus auch durch die Konfrontation mit eigenen Ängsten und belastenden Erfahrungen. Häufig sorgen sich Behandelnde darum, fortgeschritten erkrankte Patient:innen durch das Überbringen ernster Neuigkeiten mit unerträglichen Schmerzen zu konfrontieren oder die Hoffnung zu nehmen [6]. Daraus könnte eine auf das Sachliche und die Auswahl an Therapiemöglichkeiten fokussierte Kommunikation, die das Ansprechen der Unheilbarkeit der Erkrankung vermeidet, resultieren. Auf der anderen Seite scheint es, dass manche Patient:innen die Themen des Sterbens an der Erkrankung und der vorausschauenden Behandlungsplanung überhören und zukunftsbezogene Kommunikationsversuche ins Leere laufen lassen [7].
Es sind sorgfältig aufbereitete Trainingskonzepte verfügbar, die auf den Umgang mit intensiven Emotionen und unsicheren Behandlungsverläufen, auf die Vermittlung ernster Neuigkeiten und eine vorausschauende Behandlungsplanung fokussieren [8]. Diese berufen sich vielfach auf die Stärkung von Fertigkeiten im Bereich grundlegender Gesprächstechniken und geben, manchmal anhand konkreter Leitfäden, Vorschläge von der Phrasierung einzelner Bausteine über die Strukturierung des Gesprächs bis hin zur Gestaltung der räumlichen Atmosphäre [6]. Dass die Wirksamkeit solcher Leitfäden und Trainings auf das psychische Befinden der Patient:innen trotz der hohen Zufriedenheit der teilnehmenden Onkologen und messbarer Verbesserungen kommunikativer Fertigkeiten bisher eher bescheiden ausfällt, mag an der Schwierigkeit liegen, eine "Schablone" über die hochindividuellen Gesprächskonstellationen am Lebensende zu legen [8]. Darüber hinaus könnte die Vernachlässigung beziehungsrelevanter Aspekte unter Vorzug der Gesprächstechnik für die geringen Effekte verantwortlich sein. Dies ist umso bemerkenswerter, da sich die wichtigsten Wünsche von Patient:innen auf die Behandler selbst beziehen, nämlich einen vertrauensvollen Kontakt zu einer mitfühlenden und zugewandten Expert:in [6].
Individuelle Anpassungsprozesse
Dementsprechend wachsen die Bemühungen, Art und Inhalt vertrauensvoller Gespräche am Lebensende genauer zu verstehen. Hoerger et al. [9] untersuchten ärztliche Gespräche im Rahmen einer Studie zur integrierten palliativen Versorgung. Hier zeigte sich bei denjenigen Patient:innen eine geringere psychische Belastung, welche einen großen Anteil an Gesprächen mit einem Teilfokus auf die Verarbeitung und den Umgang mit der Erkrankung erhalten hatten. Allerdings könnten die Anpassungsbemühungen der Patient:innen selbst, im Sinne einer wechselseitigen Kommunikation, den Inhalt der Gespräche mitbestimmt haben.
Obwohl das systematische empirische Wissen über die psychische Verarbeitung dieser Belastungen und Sorgen am Lebensende noch eingeschränkt ist, liefern theoretische Modelle und qualitative Studien erste wertvolle Hinweise für die Versorgung. Demnach erscheint es hilfreich, die Verarbeitung am Lebensende als ein dynamisches Ineinandergreifen von Prozessen mit unterschiedlichen und teilweise gegensätzlichen Funktionen zu verstehen. Unter existenzieller Belastung scheint ein fortlaufendes Wechseln zwischen konfrontierender Auseinandersetzung mit der fortschreitenden Erkrankung und dem Tod auf der einen Seite und ablenkendem Fokus auf die sinnstiftende Nutzung der verbleibenden Zeit auf der anderen Seite der psychischen Anpassung dienlich zu sein [10, 7]. Dies kann sich sowohl auf die innerpsychische als auch äußerliche Auseinandersetzung beziehen. Der Wechsel zwischen diesen Orientierungen erlaubt Hoffnung und positive Emotionen, ohne die Regulation von Trauer, Angst und Ärger sowie die praktischen Vorbereitungen auf das Lebensende außer Acht zu lassen. Dabei lassen sich diese beiden Orientierungen jeweils noch weiter unterscheiden. Herr L. hatte sich zunächst auf eine aktive, problemfokussierte Art mit seiner Erkrankung auseinandergesetzt. So war er über die prognostischen Einzelheiten korrekt informiert, doch die gewünschte Sicherheit bzw. "Lösung" seiner Probleme war in dieser Situation nicht bzw. nur kurzfristig zu erreichen. Dahingegen kam zunehmend das Mitteilen seiner schmerzhaften Gefühle im Verlauf der therapeutischen Gespräche zum Tragen, wie der zweite Teil des Fallbeispiels illustriert.
Im umgekehrten Fall können sich unheilbar Erkrankte von Sterbegedanken und damit einhergehenden Belastungen innerlich distanzieren, indem jede Annäherung an die Realität mit der Äußerung unrealistisch optimistischer Pläne beantwortet wird. Jacobsen et al. [7] machen einen Vorschlag für die Initiierung von Therapiezielgesprächen und vorausschauenden Behandlungsplanungen in solchen Situationen. Demnach können Behandler die Auseinandersetzung vorsichtig ermöglichen, indem sie zunächst ihr Interesse zum Ausdruck bringen, der Patient:in dabei zu helfen, so gut und erfüllt wie möglich mit der Erkrankung zu leben. Dieser gemeinsame Fokus kann dabei helfen, die zwingende Not am Festhalten an sehr unrealistischen Hoffnungen zu lindern, indem behutsam eine zusätzliche Quelle der Stabilität im Rahmen des ärztlichen Kontakts aufgebaut wird. Für viele Patient:innen, wie auch Herrn L., erweitert sich der Spielraum für die Bewältigung ihrer Belastungen durch das Gefühl, dass die Beziehung zum Behandler während des Fortschreitens der Erkrankung nicht abrupt enden wird und sie nicht in Abhängigkeit und Not alleingelassen werden. Psychologische Unterstützung kann einen zusätzlichen Raum schaffen, sich den Verlusten am Lebensende und den hieraus resultierenden schmerzhaften Gefühlen zu nähern.
- Belastungen am Lebensende können sich individuell sehr unterschiedlich äußern.
- Trainingskonzepte zur Gesprächsführung scheitern häufig an dem Problem der vielfältigen Konstellationen.
- Oft hilft die Versicherung, nicht alleingelassen zu werden.

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (2) Seite 38-40