Was passt besser zum Beginn eines Jahres, als einmal über das Ende zu schreiben? Nein, nicht das Ende der Welt. Es geht ganz profan um das Ende eines Arbeitsverhältnisses, genauer gesagt um das Arbeitszeugnis. Für betroffene Arbeitgeber:innen häufig eine lästige Pflichterfüllung, bisweilen ein Ärgernis.

Wir sind uns sicher einig, dass ein beachtlicher Teil der jedes Jahr von Arbeitgeber:innen verfassten Arbeitszeugnisse schriftliche Lügen darstellt. Warum ist das so? Was verlangt das Gesetz eigentlich von der Praxisinhaber:in in ihrer Funktion als Arbeitgeber:in? Welche Rechte stehen der Arbeitnehmer:in in diesem Zusammenhang zu? Und welche Folgen ergeben sich daraus für die Hausarztpraxis?

Das sagt das Gesetz

Zunächst ist es wichtig, zwischen zwei Arten von Zeugnissen zu unterscheiden. Das Gesetz kennt zum einen das einfache Arbeitszeugnis und zum anderen das qualifizierte Arbeitszeugnis. In § 109 Abs. 1 Satz 2 der Gewerbeordnung (abgekürzt GewO) wird das einfache Zeugnis wie folgt beschrieben:

"Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten."

Im nächsten Satz steht dann:

"Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken."

Heißt übersetzt: Wenn es die Arbeitnehmer:in wünscht, ist die Arbeitgeber:in – grundsätzlich unabhängig von der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses – gesetzlich verpflichtet, ihr ein Zeugnis zu erstellen, welches die Leistung der Arbeitnehmer:in in der Hausarztpraxis sowie ihr Verhalten während des Arbeitsverhältnisses beschreibt. Klingt nach viel Arbeit, was aber nicht sein muss, aber dazu später mehr.

Weiterhin ist zu beachten, dass das Arbeitszeugnis nach § 109 Abs. 2 Satz 1 GewO klar und verständlich formuliert sein muss. In § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO heißt es:

"Es [= das Zeugnis] darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen."

Das Gesetz fordert die Arztpraxis also etwas verklausuliert dazu auf, im Zeugnis keine "Codewörter" oder sonstigen Umschreibungen zu verwenden, die versteckt Rückschlüsse darauf zulassen, was die Arbeitgeber:in lieber nicht ausdrücklich erwähnt haben möchte. Eine Arbeitnehmer:in, die im Arbeitszeugnis als "geselliges Wesen" beschrieben wird, nimmt die Arbeit vermutlich nicht allzu ernst und wäre im schlimmsten Fall eine Alkoholiker:in!

Im Rahmen der Rechtsprechung haben sich außerdem einige formale Regeln verfestigt:

  • Das Arbeitszeugnis muss schriftlich erfolgen, im Regelfall auf dem Briefpapier der Arbeitgeber:in bzw. Praxis.
  • Es sollte ein bis max. zwei Seiten umfassen.

Wie erfüllt man die gesetzlichen Vorgaben?

Wenn Jurist:innen Gesetzestexte zitieren, sollte man stets aufpassen. Denn auch wenn Gesetze natürlich eine ausreichende Beachtung finden sollten, gilt in der juristischen Praxis der Satz: "Praxis schlägt Theorie." So ist das auch beim Arbeitszeugnis bzw. dem Zeugnisrecht. Selten werden die Dinge so heiß gegessen wie gekocht. Für das Zeugnisrecht heißt das, dass die beschäftigende Arztpraxis eine Reihe von Dingen beachten sollte, die am Ende des Tages in erster Linie für die Praxis von großer Bedeutung sind − Gesetzestext hin, Gesetzestext her.

Das heißt im Einzelnen:

1. Nicht zu viel Arbeit für Vergangenes

Allgemein gilt: In dem Moment, in dem eine Arbeitnehmer:in von ihrer Arbeitgeber:in ein Zeugnis erhält, ist das Arbeitsverhältnis in aller Regel bereits beendet oder das Ende steht unmittelbar bevor. Daher spricht das Gesetz (siehe oben) auch von der "Beendigung eines Arbeitsverhältnisses". Wenn eine Arztpraxis an dieser Stelle noch Zeit und Geld investiert, ist das meist kein sinnvoller Aufwand. Mit der Arbeitnehmer:in, die – aus welchen Gründen auch immer – geht oder gar bereits gegangen ist, ist nicht mehr viel zu gewinnen. Aber vielleicht noch etwas Wertvolles zu verlieren: Zeit und Geld.

2. Man sieht sich immer zweimal

Das ist ein bekannter Satz, an dem definitiv etwas dran ist. Wer sich beim Abschied noch mal so richtig negativ in das Gedächtnis seines Gegenübers einbrennt, hat gute Chancen, dass das nächste Zusammentreffen keinen guten Verlauf nimmt. Es kommt im Arbeits- und Berufsleben aber durchaus vor, dass sich Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in mehrfach begegnen. Die MFA, die vielleicht der Auffassung ist, dass eine Hausarztpraxis aktuell nicht das Richtige für sie ist, mag die Sache nach einem kurzen Ausflug in ein Krankenhaus oder MVZ komplett anders sehen. Und genau für diesen Fall sollte die mögliche Rückkehr der Arbeitnehmer:in an ihre frühere Wirkungsstätte nicht durch einen in der Vergangenheit stattgefundenen Streit über das Arbeitszeugnis erschwert werden.

3. Wer delegieren kann, ist im Vorteil

Wenn Angestellte weder Dieb noch Schläger oder gar drogensüchtig sind, dann spricht überhaupt nichts dagegen, dass sie ihr Zeugnis selbst verfassen oder zumindest inweiten Teilen entsprechend vorbereiten. Es ist in diesem Zusammenhang wahrscheinlich sogar das größte Glück, das einer Arbeitgeber:in widerfahren kann. So hat die Arztpraxis eine regelmäßig als lästig empfundene Aufgabe erfolgreich delegiert.

Und was tun, wenn sich die Arbeitnehmer:in über den grünen Klee lobt, obwohl sie doch eher unterdurchschnittliche Arbeit geleistet hat? Ja, das ist dann ein moralisches, ein ethisches Thema, aber ganz sicherlich nicht etwas, für das sich die Justiz interessiert. Und Schadensersatzansprüche der nachfolgenden Arbeitgeber:in gegenüber ihrer Vorgänger:in stellen eher ein Gerücht denn Rechtswirklichkeit dar. Grobe Unrichtigkeiten – wie etwa die Beschreibung von Aufgaben im Zeugnistext, welche die Arbeitnehmer:in nie übernommen hatte – sind auf jeden Fall zu korrigieren. Das ist aber meist kein großes Thema. Wenn die Arbeitnehmer:in das partout nicht selbst übernehmen möchte, nutzt man einfach einen der im Internet zahlreich vorhandenen Zeugniskonfiguratoren. Eine ganze Reihe davon sind kostenfrei und erleichtern der Arbeitgeber:in das rechtssichere Erstellen eines Arbeitszeugnisses erheblich.

Und noch etwas ganz zum Schluss

In bestimmten Fällen steht der Arbeitnehmer:in ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis zu. Das ist etwa der Fall, wenn es zu einer Praxisabgabe kommt. Denn hier kann nur die bisherige Praxisinhaber:in die bisherige Arbeitsleistung der Arbeitnehmer:in korrekt beurteilen.

Achtung: Bisweilen kann das Verlangen einer Arbeitnehmer:in nach einem Zwischenzeugnis der Hinweis darauf sein, dass sich diese anderweitig bewerben möchte. Dann wäre dies möglicherweise der letzte Zeitpunkt, um mit der Arbeitnehmer:in in ein Gespräch zu kommen, um diese davon zu überzeugen, dass ein Wechsel in ein neues Beschäftigungsverhältnis gar keine gute Idee ist. Anders ist das natürlich wiederum dann, wenn die Wechselabsichten auf Zustimmung der bisherigen Praxisinhaber:in stoßen. Dann kann das Zwischenzeugnis selbstredend gar nicht positiv genug ausfallen!



Autor

© privat
Dr. Uwe P. Schlegel

Rechtsanwalt und Dozent,
Geschäftfsührer der ETL Rechtsanwälte GmbH
uwe.schlegel@etl.de



Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (1) Seite 53-55